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Moralische Autonomie – Selbstbestimmung und Selbstverpflichtung nach Alfons Auer1 Dietmar Mieth
Оглавление„Mit der Rationalität des Sittlichen ist seine Autonomie gegeben. Wenn man die Authentizität der ontologischen und der axiologischen Ebene und zugleich deren Unterschiedlichkeit betrachtet, kann man auch als Theologe ohne jede Gefahr des Missverständnisses von der Autonomie des Sittlichen sprechen. […] Der eigentliche Sinn und der unmittelbare Gebrauchswert der Formel von der Autonomen Moral“ liege darin, „sichtbar zu machen“, dass „die radikalen metaphysischen und religiösen Entscheidungen noch nicht“ in die Ermittlung des sittlich Guten und Richtigen eingeschlossen sein müssen (S. 29f.). Alfons Auer formuliert dies, indem er Philosophen und Theologen aus der Entstehungszeit seines Buches als Zeugen für diese Einsicht anführt. Autonomie ist also kein Wort für eine „Letztbegründung“ der Moral, auch keine „Metaphysik der Sitten“ (Kant), sondern ein Wort für zureichende Begründung der Moral im Sinne eines „Weltethos“ aus geschichtlichen menschlichen Einsichten. Alles geschieht „auf dem Wege der Erfahrung und ihrer vernünftigen Auswertung, also in autonomer Weise“ (S. 67). Dies gelte auch für die Genese dieses Ethos in der Bibel (vgl. S. 55–122), schließe aber nicht aus, dass es tiefere Einsichten und Verankerungen gebe, die sich freilich nicht an die Stelle der Überbietung zureichender Begründungen drängen dürften, weil sie damit ihre „Zuständigkeit“ (S. 160) gleichsam an falscher Stelle einbringen und damit ihre „Authentizität“ überfordern würden. In Alfons Auers Buch geht es um die richtige Zuordnung der Instanzen. Damit bewegt er sich in der Tradition des sogenannten Naturrechtes.
„Habent sua fata libelli“ – „Bücher haben ihre eigene Geschichte“, sagt Thomas Mann im Rückblick auf die ihm selbst nicht immer angenehme Rezeption seiner Romane. Wenn man Büchern nachgeht, die eine Geschichte haben2, dann stößt man oft auf Höhen und Tiefen und zudem auf eine „geflügelte“ Eigenständigkeit ihrer Projektworte, die nicht immer durch den genauen Inhalt gedeckt ist. Das Buch „Autonome Moral und christlicher Glaube“ des Tübinger theologischen Ethikers Alfons Auer (1971, hier in der 2. Auflage von 1984) hat so eine eigene Geschichte.3 Ich beschreibe in meiner Einführung zunächst, nach einem Blick auf den Lebenslauf des Autors, diese Geschichte der Entstehung des Buches und seiner These, an der ich selbst kontinuierlich teilnahm. Im zweiten Teil gehe ich auf das Buch im Kontext der sogenannten naturrechtlichen Tradition und der geschichtlichen Sicht der Moralgenese, die Auer von dieser Tradition unterscheidet, ein. Im vierten Teil verfolge ich die inhaltlichen Thesen des Buches. Im fünften Teil kommentiere ich die Reaktionen auf das Buch. Anschließend versuche ich zu zeigen, inwiefern das Buch nicht nur eine historische Wende der Theologischen Ethik/Moraltheologie markiert, sondern inwiefern seine noch nicht eingelösten Anregungen weiter gehen. Die heutige Diskussion über die Bedeutung der „Genealogie“ für die Ethik kann hier einen Anschluss geben.4 Aber es geht auch um die hier anschließende „Narrative Ethik“, um Moral und religiöse Erfahrung, sowie um integrierende Methoden in der Lösung heutiger konkreter moralischer Probleme.