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Am frühen Abend trafen wir uns alle noch einmal im Besprechungszimmer von Kriminaldirektor Bock.

„Wie geht es Ihren Augen und Lungen, Harry?“, sprach er mich an.

„Ich werde es überleben, Chef!“

„Unsere Experte untersuchen, was das für ein Granatentyp war. Ich schätze, bis morgen haben wir das.“

Unser Chef hörte sich stirnrunzelnd an, was wir bisher als gesicherte Tatsachen vorlegen konnten.

„Mit anderen Worten, es gibt im Fall von Herrn Bykow noch nicht einmal den Beweis dafür, dass er wirklich tot ist“, stellte er fest.

„An die Möglichkeit einer Entführung habe ich auch schon gedacht“, gestand Jürgen. „Allerdings frage ich mich dann, an wen sich die Erpressung richten sollte. Schließlich besitzt Bykow keine zahlungskräftige Familie, die ihn auslösen könnte.“

„Jedenfalls möchte ich nicht, dass wir länger dazu gezwungen sind, mehr oder minder tatenlos mit anzusehen, wie offenbar ein paar mächtige Herrschaften der Kunstmafia glauben, hier in Berlin schalten und walten zu können, wie sie wollen!“, stieß Kriminaldirektor Bock ärgerlich hervor.

„Wir sollten die Laboruntersuchungen abwarten“, schlug Dommacher vor. „Dann sind wir mit Sicherheit schlauer.“

„Einen kleinen Ansatzpunkt hätte ich vielleicht, dem sich noch lohnt nachzugehen“, meldete sich Max Herter zu Wort. Er wandte sich an mich. „Du hast mir ja unterwegs eine Telefonnummer durchgegeben.“

„Richtig. Sie stand auf einem Zettel in einer von Bykows Jacken.“

„Die Nummer gehört zu einem Handy, dessen Eigentümer ein gewisser Dr. jur Maximilian Gallesco ist.“ Max wandte sich an Dommacher. „Bei dem Namen sollte es bei Ihnen klingeln, Meinhart.“

„Sie meinen den Anwalt Gallesco, der eine der dubiosesten Rollen in der ganzen Szene einnimmt?“

„Genau den.“

„Dieser Gallesco ist mir kein Begriff“, gestand Kriminaldirektor Bock. „Vielleicht könnte mich hier mal jemand aufklären, um wen es sich da handelt!“

„Mit Vergnügen“, sagte Meinhart Dommacher. „Maximilian Gallesco ist eine Art Hobby-Kunsthändler, im eigentlichen Beruf aber Anwalt. In der Vergangenheit war er bei einigen zweifelhaften Transaktionen die treibende Kraft – insbesondere dann, wenn sogenannte „entführte“ Bilder gegen Lösegeld zurückgeführt werden sollten.“

„Es kam der Verdacht auf, dass Gallesco da die Grenzen dessen, was noch zu den Pflichten eines Anwalts gehört, bei weitem überschritten hat“, warf Max ein. „Allerdings konnte man ihm nicht nachweisen, dass er eventuell mit Bilderentführern Absprachen getroffen hat, die ungesetzlich sind.“

„Wenn Sie mich ganz persönlich fragen, kann man schon fast den Verdacht haben, dass Gallesco hin und wieder mit ihnen zusammengearbeitet und Millionen daran verdient hat!“, warf Dommacher ein. „Aber einer wie der ist wohl einfach zu clever für unsere Justiz. Alles, was bei ihm auf dem juristischen Kerbholz steht, sind ein paar Verstöße gegen die Parkordnung der Stadt Berlin und die Beleidigung eines Richters, für die er tatsächlich drei Tage ins Gefängnis ging, anstatt die lächerliche Ordnungsstrafe zu bezahlen.“ Dommacher grinste. „Er machte ein richtiges Happening daraus.“

„Klingt nach einem komischen Vogel“, lautete Rudis Kommentar.

„Ja, aber er dürfte noch sehr viel weiter verzweigte Kontakte bis in die Kunstmafia hinein besitzen, als Ihre Informanten, die Sie bisher um Unterstützung gebeten haben“ stellte Dommacher klar.

„Nachdem Harry diese Nummer gefunden hat, haben wir ja auch einen ganz offiziellen Grund mit ihm zu sprechen“, erklärte Kriminaldirektor Bock. „Notfalls auch hier im Präsidium in einer Gewahrsamszelle, wenn es sein muss! Aber das hat Zeit bis Morgen.“

Anschließend berichtete Meinhart Dommacher noch von seiner missglückten Verabredung mit Major Marenkov. „Ich habe inzwischen herausgefunden, dass tatsächlich ein Flug auf den Namen Marenkov gebucht war, aber dieser Marenkov hat den Flieger in Russland nie bestiegen. Der Platz wurde an jemand anderes vergeben.“

„Und wer hat dann angerufen?“, fragte ich.

Max Herter meldete sich daraufhin zu Wort. „Alle eingehenden Anrufe werden bei uns ja glücklicherweise aufgezeichnet. Ich habe die Aufnahme natürlich sofort Herrn Dommacher vorgespielt und er hat die Stimme identifiziert.“

Kriminaldirektor Bock wandte sich an den Experten für die Bekämpfung der Kunst-Mafia. „Sie sind sich sicher, dass es die Stimme von Marenkov war? Ich wusste nicht, dass Sie ihn so gut kennen...“

„Ich bin ihm tatsächlich auch nur einmal begegnet, aber wir hatten hin und wieder Telefonkontakt“, antwortete Dommacher. Er hob die Schultern. „Hundertprozentige Sicherheit gäbe nur ein Höhenkurvenabgleich dieses Anrufs mit der Originalstimme Marenkovs und selbstverständlich gibt es geschickte Stimmenimitatoren, aber...“ Er schüttelte entschieden den Kopf. „Das wäre doch absurd!“

„Der Anruf könnte auch aus Audioschnipseln irgendwelcher Aufnahmen zusammen geschnitten worden sein“, wandte Max ein. „Das untersuchen gerade unsere Experten. Schließlich wäre es auch absurd, anzunehmen, dass Marenkov längst in der Stadt ist und Agent Dommacher zum Narren hält!“

Kriminaldirektor Bock atmete tief durch. „Man kann auch mit gutem Willen noch nicht sagen, dass wir Licht in die Sache gebracht hätten, aber die nötige Geduld gehört eben auch zu unserem Job. Ich schlage vor, Sie machen jetzt Feierabend und morgen früh sehen wir weiter.“

„Dann müssten auch schon einige Laborberichte vorliegen!“, war Jürgen recht zuversichtlich.

„Hoffen wir’s“, murmelte Rudi. „Sonst drehen wir uns weiter im Kreis.“

Sechs Krimis: Ferienkiller

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