Читать книгу Sechs Krimis: Ferienkiller - Alfred Bekker - Страница 40
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ОглавлениеAls wir zum Parkplatz gingen, meinte Marenkov: „Scheint so, als hätten Sie diesen Bykow bislang etwas unterschätzt!“
„Sie nicht?“, fragte ich.
Marenkov zuckte mit den Schultern. „Sie wissen doch, wie das ist. Polizeibehörden erfahren alles mögliche, aber beweisen lässt sich nicht alles, was man erfährt.“
„Das stimmt leider.“
Wir stiegen in unsere Wagen und fuhren los.
Die Kollegen des Innendienstes unseres Präsidium konnten das Handy von Nora Coldewey sehr schnell orten.
Es war glücklicherweise eingeschaltet und befand sich in der Nähe eines Sees in Mecklenburg-Vorpommern.
Es gab dort Wochenendhäuser, die man mieten konnte. Ansonsten war das Gebiet kaum besiedelt. Eine Naherholungsoase vor den Toren Berlins.
Wir machten uns auf den Weg.
Kriminaldirektor Bock alarmierte die Kollegen der ortsansässigen Polizei, die das Gebiet weiträumig absperren sollten. Bykow stand jetzt offiziell unter dem Verdacht, ein Kapitalverbrechen begangen zu haben, auch wenn uns kurioserweise die Leiche fehlte.
Wir waren schon unterwegs, als der Kontakt plötzlich abbrach.
Das Handy von Nora Coldewey ließ nicht mehr anpeilen.
Die Ursache dafür konnte natürlich ganz harmlos sein.
Kriminaldirektor Bock bat die zuständigen Polizeidienststelle vor Ort, ein paar zusätzliche Einsatzkräfte zur letzten angepeilten Position zu schicken.
Zwanzig Minuten später hatten die Kollegen diese, bis auf wenige Meter exakt bestimmbare Position erreicht.
Sie befand sich in der Nähe eines kleinen Holzhauses am Seeufer mit eigenem Bootssteg, das Tage- und Wochenweise vermietet wurde. Aber es gab dort auf den ersten Blick weder eine Spur von Nora Coldewey noch von Bykow. Nur Spuren von Reifen, die zu einem Geländewagen passten.
Als wir mit entsprechender Verspätung dort eintrafen, waren bereits überall Einsatzkräfte dort.
Wir stiegen aus.
Marenkov ließ den Blick schweifen. „Ein idealer Ort für jemanden, der untertauchen will“, lautete sein Kommentar.
Der zuständige Einsatzleiter begrüßte uns. Sein Name war Wuttke. Er trug einen feuerroten Vollbart und überragte Rudi und mich um fast einen ganzen Kopf.
„Gut, dass Sie kommen“, sagte Wuttke.
„Haben Sie etwas gefunden?“
„Das kann man wohl sagen. Folgen Sie mir bitte.“
Wir folgten Wuttke zu ein paar Sträuchern, ungefähr hundert Meter vom Haus entfernt.
Dazwischen lag der Körper einer jungen Frau. Sie war offenbar in einen Teppich eingerollt worden, der jetzt an manchen Stellen blutdurchtränkt war.
„Das Bündel war mit Zweigen und Blättern so getarnt, dass man es so ohne weiteres gar nicht finden konnte, wenn man nicht gerade danach sucht“, berichtete Wuttke.
„Wurde das Handy gefunden?“
„Nein. Aber es ist hier zum letzten Mal im aktiven Status gewesen – und zwar genau genommen im Haus.“
„Dann ist dort das Verbrechen begangen worden“, stellte ich fest.
Wuttke bestätigte dies. „Das stimmt. Der Teppich lag dort. Das Holz außen herum ist vom Tageslicht verschossen worden, sodass man genau sehen kann wo der Teppich lag. Das Opfer starb an einem Durchschuss und wir haben ein Einschussloch in der Wand gefunden, dass dazu passen würde. Aber der Täter hat sich die Mühe gemacht, das Projektil herauszukratzen.“
„Das scheint Bykows besondere Handschrift zu sein“, stellte Rudi fest.
Ich nickte leicht. „Eine Handschrift, die sich deutlich von der Vorgehensweise des Killers unterscheidet, der Kai-Uwe Thränhart und seine Freundin auf dem Gewissen hat!“
„Und beinahe auch dich, Harry!“
Marenkov kniete sich unterdessen neben den sterblichen Überresten von Nora Coldewey nieder und ließ suchend den Blick schweifen. Nicht nur über das, was auf dem Teppich zu finden war, sondern auch in der näheren Umgebung.
„Bykow kann noch nicht allzu weit weg sein“, glaubte er.
„Was glauben Sie, wo er jetzt hingeht?“, fragte ich.
Marenkov antwortete nicht gleich. „Er will uns loswerden – und wenn er dazu noch jemanden umlegen muss, dann tut er das.“
„Wer könnte da noch auf der Liste stehen?“
„Da fragen Sie mich zuviel, Harry.“
Ich fragte: „Und wen hat er in der Galerie umgebracht?“
„Vielleicht bekommt er ja noch Gelegenheit, uns das zu erklären“, glaubte Rudi.
Marenkov schüttelte den Kopf. „Ich glaube, Sie sind zu optimistisch, Rudi.“
„Wieso?“
„Weil wir immer einen Schritt zu spät sein werden. Wir müssen uns in ihn hineinversetzen und versuchen, seine Handlungsweise vorauszusehen. Sonst entwischt er uns.“
Marenkov erhob sich wieder.
„Leichter gesagt als getan“, lautete Rudis ernüchterndes Fazit.
„Es ist die einzige Chance. Ich habe übrigens telefonisch Kontakt zu einem ehemaligen KGB-Agenten aufgenommen der jahrelang für die Sowjetunion tätig war und sich nach dem Ende der Sowjetunion in den Ruhestand verabschiedet hat.“
„Um wen handelt es sich?“
Marenkov lächelte. „Das kann ich Ihnen nicht sagen, Harry. Der Mann würde sich der deutschen Strafverfolgung aussetzen. Aber er weiß hervorragend Bescheid und er hatte zum selben Netzwerk Kontakt, zu dem auch Bykow gehörte. Wer einmal dazugehörte, wird von den anderen nie aus den Augen gelassen. Das ist nun mal so.“
„Sie wissen, dass Sie hier auf deutschem Boden nicht allein ermitteln dürfen“, gab ich ihm zu bedenken.
„Das weiß ich. Aber ich darf doch private Gespräche führen oder? Mein Kontaktmann kennt Bykow sehr gut und könnte uns weiterhelfen.“
„Ich gehe davon aus, dass wir Sie bei dem Treffen begleiten.“
„Dann würde mein Kontaktmann nicht einen Ton sagen. Er ist scheu wie ein Reh.“
Unsere Blicke begegneten sich.
Er musterte mich auf eine Weise, die mir seltsam vorkam.
„Sprechen Sie mit Kriminaldirektor Bock, bevor Sie sich in diese juristische Grauzone begeben. Sonst stehen wir am Ende mit Beweisen da, die vor Gericht nicht zugelassen werden, weil die Rechte des Angeklagten verletzt wurden!“
„Wie Sie meinen“, murmelte Marenkov düster.
Es war ihm anzusehen, dass ihm diese Aussicht nicht behagte.