Читать книгу Siebenmal ermittelt: Krimi Paket 7 Krimis - Alfred Bekker - Страница 16
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ОглавлениеMathew Goller nahm seine Brille ab und putzte sie. Er presste Daumen und Zeigefinger so fest zusammen, als wollte er die Gläser zerbrechen. Dabei starrte er sein Gegenüber wütend an.
„Hast du keine besseren Nachrichten, Gary? Die beiden letzten Fischzüge haben knapp die Unkosten gedeckt. Ich kann den Kenworth nicht ersetzen. Woher soll ich das Geld nehmen?“
„Es ist nicht meine Schuld“, murmelte der Mann mit den schmalen Lippen. „Ein typischer Kolbenfresser. Das hat die Werkstatt versaut, aber denen kannst du nichts beweisen.“
„Und was schlägst du vor? Ich habe vor Kurzem Meldung gekriegt, dass Diamanten im Wert von einer dreiviertel Million unterwegs nach Salt Lake City sind. Die müssen wir vorher abfangen. Denkst du, ich lasse mir diesen Brocken durch die Nase gehen?“
„Eine dreiviertel Million?“, staunte Gary. „Wer ist denn so verrückt und transportiert einen solchen Schatz ausgerechnet mit der Inter Trailways?“
„Jemand, der die üblichen Transportmittel aus einem einfachen Grund scheut. Das Zeug ist heiß. Die Bullen in Illinois stehen Kopf, und der Juwelier in Peoria rauft sich die Haare. Die Konkurrenz hat saubere Arbeit geleistet. Ich finde, wir sind es ihnen schuldig, den Rest des Transportes zu übernehmen.“ Mathew Goller lachte gehässig. „Aber ohne den Ken sind wir aufgeschmissen.“
„Warum klauen wir nicht einfach einen? Nur für den einen Tag.“
„Damit die Bullen uns gleich schnappen? Oder aber die Trucker? Wenn die das spitzkriegen, helfen sie ihrem Kumpel alle. Darauf kannst du dich verlassen. Wir können von Glück sagen, dass die mit den Bullen auf dem Kriegsfuß leben. Sonst hätte uns bestimmt schon einer verpfiffen. Es gibt da nämlich ein paar sehr helle Köpfe.“
„Und was ist mit dem Freightliner?“
„Den brauche ich unten in Texas. Außerdem käme er zu spät hier an.“ Gary zog seine Stirn in Falten. Mehr fiel ihm nicht ein. Er ärgerte sich, dass es an einem lausigen Truck hängen sollte, dass ihnen die Diamanten durch die Lappen gingen.
„Hör dich ein bisschen um!“, befahl Mathew Goller. „Aber es muss schnell gehen. Wenn wir uns so’n Ding leihen können, sind wir aus dem Schneider. Notfalls hilfst du ein bisschen nach. Lass den Kerl über die Klinge springen. Hauptsache für seine Kumpels sieht alles korrekt aus.“
„Verstanden, Boss! Ich denke da an einen Typ, der mir heute Morgen über den Weg gelaufen ist. Er wollte mir ein Spielchen aufschwatzen. Aber ich habe ihm eins auf die Nase gedrückt.“
„Und?“
„Er jammerte, dass er ’nen Job suche. Er würde alles machen. Die Zeiten für Trucker seien schlecht.“
„Wo ist der Kerl? Kannst du ihn noch auftreiben? Vielleicht überlässt er uns seine Kiste gegen eine großzügige Leihgebühr.“
„Auf jeden Fall werde ich’s versuchen, Boss. ’ne große Geistesleuchte schien mir der Typ nicht zu sein.“
„In Ordnung. Vergiss aber nicht, dass uns nicht viel Zeit bleibt.“
Gary erhob sich und verließ das Büro. Er war zuversichtlich. Es wäre doch gelacht, wenn es ihm nicht gelang, den Idioten zu einem Handel zu überreden.
Er wusste, wo er ihn fand. Draußen am Stadtrand gab es eine Kneipe, in der sich die Trucker manchmal trafen. Dort hatte er ihn kennengelernt. Wenn dieser Brad nicht ausgerechnet in der kurzen Zeit einen Frachtauftrag an Land gezogen hatte, musste er sich auch jetzt noch dort herumtreiben.
Der Gangster warf sich in seinen Wagen und brauste los. Er dachte an die dreiviertel Million, und seine Lippen wurden vor Aufregung trocken. Er befeuchtete sie mit der Zunge und bot dabei das Bild einer lauernden Schlange.
In der Kneipe fand er den Gesuchten nicht. Das lag aber nur daran, weil sich Brad Corner ein bisschen in der Fahrerkabine des ausgeliehenen Peterbilt aufs Ohr gelegt hatte.
Er kehrte auf den Parkplatz zurück und hämmerte ans Seitenfenster.
Drinnen rührte sich etwas. Wenig später tauchte der blonde Stoppelkopf auf.
Brad Corner verzog das Gesicht, als er Gary sah. Der Typ hatte eine schnelle Faust. Mit dem war nicht gut Kirschen essen. Was wollte er noch von ihm?
Er stieg aus und baute sich großspurig vor dem Peterbilt auf.
„Na, hast du’s dir überlegt? Mein Angebot für ein Spiel steht noch.“
„Ich hab was Besseres für dich. Du brauchst doch Geld.“
„Und ob. Hast du ’ne Fuhre?“
„Wie man’s nimmt. Ich brauche deine Karre. Nur für zwei Tage. Dann kriegst du sie wieder. Und zwei Riesen noch dazu. Den einen vorher, den anderen danach. Wie findest du den Vorschlag?“
„Bescheuert! Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich meinen Pete aus der Hand gebe. Wenn’s was zu transportieren gibt, dann mache ich das selbst. Mein Pete und ich, wir sind eine Mannschaft.“
„Ausgeschlossen, Mensch! Du interessierst uns nicht. Fahren können wir selbst.“
„Und sogar ziemlich schnell, wenn’s sein muss.“ Brad Corner sah den anderen grinsend an. „Ich weiß Bescheid, Gary. Ihr imponiert mir. Das, was ihr euch ausgedacht habt, soll euch erst mal einer nachmachen. Ich wäre gern mit von der Partie. Die Highways kenne ich wie kein Zweiter. Und die Bullen habe ich auch gefressen. Es wäre ein irrer Spaß, wenn ich denen endlich mal eins auswischen könnte. Meinst du, dass eine Chance besteht? Ihr braucht doch bestimmt noch gute Leute. Ich kann auch mit ’ner Knarre umgehen.“ Garys Gesichtsmuskeln zuckten. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Noch nie hatte ihm jemand die Wahrheit auf den Kopf zugesagt.
„Du sprichst in Rätseln“, sagte er wenig überzeugend. „Ich glaube, wir reden aneinander vorbei.“
Brad Corner grinste. „Na gut, dann wollen wir die gleiche Sprache sprechen. Inter Trailways. Sagt dir das was? Mir kannst du nichts vormachen. Ist mir natürlich klar, dass du vorsichtig sein musst. Aber vielleicht überlässt du diese Entscheidung lieber dem Boss. Ich kann’s Maul halten. Ob ihr mich nun nehmt oder nicht. Aber ich denke, ich könnte euch auch noch auf andere Weise nützlich sein. Ich bin immer im Bilde, was bei den Truckern geredet wird. Die sind auch nicht von gestern und können zwei und zwei zusammenzählen. Wenn’s mal hart auf hart kommt, könnte ich den Verdacht in eine falsche Richtung lenken. Ich will ganz ehrlich sein, Gary. Ich brauche einen Job. Und ich bin bereit, für diese Chance mein Bestes zu geben.“
„Du warst nicht zufällig mal Pfarrer, weil du so schöne Reden schwingst?“ Gary blickte ihn unentschlossen an. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Am liebsten hätte er die Antwort wieder seiner Faust überlassen. Aber andererseits musste er unbedingt einen Truck beschaffen. Und das ziemlich schnell. Eine dreiviertel Million war immerhin kein Pappenstiel.
Brad hatte recht. Sollte das doch der Boss entscheiden. Wie ein Bulle sah Brad nicht aus. Außerdem wusste er tatsächlich ’ne Menge. Es war bestimmt interessant zu erfahren, was bei den Truckern draußen noch alles gequatscht wurde.
„Ich melde mich wieder“, sagte er mürrisch.
Er fuhr davon, und Brad Corner verbrachte eine Stunde voller Ungewissheit. Würde der Vorstoß klappen? Allem Anschein nach stimmten die Informationen, die er mosaikartig zusammengetragen hatte. Hier in Colorado Springs befand sich das Nest der Bande.
Wie er vorzugehen hatte, wollte er der jeweiligen Situation überlassen. Auf jeden Fall war er in den letzten Tagen seinen achtzigtausend Dollar noch nie so nahe gewesen wie in diesem Augenblick.
Als Gary zurückkam, brachte er erfreuliche Nachrichten.
„Der Boss will dich sehen“, verkündete er. „Das heißt aber noch lange nicht, dass er dich auch nimmt. Ich muss dir die Augen verbinden. Hast du ’ne Kanone?“
Brad Corner schüttelte eifrig den Kopf.
Der schmallippige Gary gab sich damit nicht zufrieden. Er überzeugte sich selbst und tastete ihn ab.
„Okay!“, sagte er verkniffen. „Steig jetzt ein!“
Brad Corner nahm auf dem Beifahrersitz des Gangsterwagens Platz.
Gary legte ihm eine lichtdichte Binde an und klebte sie an dem Kopf fest. Dann stülpte er ihm einen breitkrempigen Stetson auf, der sein Gesicht verdeckte.
Während der ganzen Fahrt versuchte Brad Borner Anhaltspunkte aufzunehmen, um den Ort später wiederzufinden. Das war umso leichter, als Gary wenig Neigung verspürte, sich mit ihm zu unterhalten. Offenbar war er mit der Entscheidung seines Bosses nicht einverstanden.
Brad hatte vorher rasch auf seine Armbanduhr gesehen. Als sie hielten und Gary ihm die Binde abnahm, warf er einen weiteren Blick darauf. Zwölf Minuten waren vergangen. Sie konnten also nicht weiter als acht oder höchstens zehn Meilen gefahren sein.
Er fand sich in einem Bürogebäude wieder. Auch hier prägte er sich jede Einzelheit ein. Zur Not würde er später jedes Haus in Colorado Springs nach gelben Kunststofftüren und braunen Namensschildern untersuchen.
Die Tür, vor der Gary stoppte, trug keinen Hinweis. Dafür merkte sich Brad die Namen, an denen er vorbeigekommen war.
Auf ein Läuten in ganz bestimmtem Rhythmus öffnete sich die Tür selbsttätig.
Sie durchquerten einen Vorraum, in dem zwei Männer über Akten gebeugt waren. Brad Corner war davon überzeugt, dass in ihren Schreibtischschubladen schussbereite Waffen lagen.
Als er schließlich dem Mann gegenüberstand, von dem er sicher war, dass von ihm die Überfälle auf die Busse ausgingen, konnte er seine Überraschung kaum verbergen. Er hatte sich den Gangster furchteinflößender vorgestellt. Nicht so unscheinbar wie ein harmloser Bürotyp. Niemand vermutete hinter dieser Fassade einen skrupellosen Killer.
Brad Corner hatte den erschossenen Busfahrer noch nicht vergessen. Es fiel ihm schwer, sich nicht voller Empörung auf den Schuldigen zu stürzen. Ihm war klar, dass das seinen augenblicklichen Tod bedeutet hätte.
So folgte er seiner vorbereiteten Taktik und bedankte sich, dass er empfangen wurde.
„Du weißt, worum es geht?“, fragte Mathew Goller knapp.
„Ich lese ja Zeitungen. Außerdem wird bei uns viel geredet.“
Der Bebrillte nickte. „Und du wärst bereit, dich mit vollem Einsatz für unsere Sache zu engagieren?“
„Wenn ich die Chance bekomme, tue ich alles, was von mir verlangt wird.“
„Du bist aber nicht vom Fach.“
„Ich habe noch keinen Bus überfallen. Das ist wahr. Aber ich habe es schon mit jeder sogenannten ehrlichen Arbeit versucht. Ich bin es leid. Ich möchte mir auch endlich ein Stück aus dem Kuchen schneiden, an den sonst nur Typen mit Beziehungen herankommen. Lange genug bin ich von der Regierung bestohlen worden. Ich will das alles zurück. Egal, von wem.“
Er redete sich richtig in Rage. Mathew Goller hörte ihm aufmerksam zu. Dann griff er zum Telefon, das leise summte, und hob den Hörer ab.
Es war nur ein kurzes Gespräch, das er führte. Dann hatte er wieder für Brad Corner Zeit.
„Also gut“, sagte er bereitwillig. „Du weißt von Gary, dass wir in Druck sind. Wir brauchen deinen Truck, und mir ist es recht, wenn du ihn selbst fährst. Du bleibst gleich hier bei uns. Gary wird deinen Kübel abholen. Monty bringt dich in deine Unterkunft und erklärt dir alles, was du wissen musst. Morgen geht es los. Wenn ich mit dir zufrieden bin, habe ich nichts gegen eine weitere Zusammenarbeit. Gute Leute werden immer gebraucht. Und dass du dabei auf deine Kosten kommst, kann ich dir versprechen. Noch ’ne Frage?“ Er schielte über den Rand seiner Brille und sah dabei regelrecht hilflos aus. Doch das täuschte.
Brad Corner unterdrückte seinen Triumph. Alles klappte wie am Schnürchen. Den Revolver hatte er in der Fahrerkabine gut versteckt. Gary würde ihn bestimmt nicht finden, falls er überhaupt danach suchte.
Er bedankte sich und versprach, sich allen Anweisungen zu fügen.
Mathew Goller drückte auf einen Knopf auf seinem Schreibtisch. Sekunden später erschien einer der beiden Burschen aus dem Vorzimmer.
Er wirkte gedrungen, Muskelpakete zeichneten sich unter dem Hemd ab. In seinem Gesicht wohnte die Brutalität, die auch nicht völlig verschwand, wenn er die Lippen zu einem Lächeln verzog.
„Das ist Brad“, sagte Mathew Goller. „Er gehört ab heute zu uns. Kümmre dich um ihn und erkläre ihm alles. Ich will, dass er morgen saubere Arbeit leistet.“
Monty nickte nur und forderte Brad Corner auf, ihm zu folgen.
Kaum hatten die beiden das Büro verlassen, veränderte sich Gollers Gesicht. Wut verzerrte seine Züge.
Er donnerte mit der Faust auf die Schreibtischplatte und stieß hervor: „Das Aas will uns reinlegen.“
„Wie kommst du darauf, Boss?“, fragte Gary erschrocken.
„Der Anrufer vorhin war Monty. Er hat den Typ erkannt. Er saß erst vor ein paar Tagen in einem der Busse, die wir überfallen haben. Monty ist sich ganz sicher, denn dieser Brad trug einen Haufen Geld bei sich und versuchte, es vor unseren Leuten zu verstecken. Kannst du dir vorstellen, was er vorhat?“
„Dieses Schwein!“ Gary war ehrlich empört. „Kann man denn keinem mehr trauen? Aber ich war gleich dagegen, ihn herzubringen. Jetzt haben wir den Mist. Wenn wir ihn bei uns umlegen, müssen wir seine Leiche wegschaffen, und die Bullen rücken Uns womöglich auf den Pelz.“
„Er wird morgen dabei sein“, entschied der Gangsterboss.
„Bist du wahnsinnig? Der tut nur so, als würde er mitspielen, und in Wirklichkeit verpfeift er uns alle.“
„Der Pfiff wird ihm im Hals steckenbleiben. Natürlich wird er abserviert. Aber nicht hier, sondern während des Überfalls. Ein bedauerliches Versehen, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Nicht ganz“, gestand Gary. „Wenn wir ihn mit der MPi durchlöchern, werden die Bullen stutzig und interessieren sich für den Mann, der von seinen eigenen Kumpels umgelegt wurde. Sie werden sich umhören und mühelos seinen Weg bis Colorado Springs verfolgen. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, und wir fliegen auf.“
„Ich bin doch kein Narr“, widersprach Mathew Goller mit überheblichem Lächeln. „Der Bursche wird von einem Fahrgast über den Haufen geschossen. Ich rufe jetzt sofort Bryan an. Er muss in dem Bus sitzen. Auf diese Weise kommen wir auch elegant zu dem Truck.“
Gary lachte vergnügt. Der Plan gefiel ihm. Er freute sich schon auf den nächsten Tag. Diamanten im Wert von einer dreiviertel Million und der Tod eines Spitzels. Manche Tage waren eben besonders schön.