Читать книгу Siebenmal ermittelt: Krimi Paket 7 Krimis - Alfred Bekker - Страница 9
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ОглавлениеSeine Kollegen nannten ihn Jim, the Oak, weil er groß und kräftig wie eine knorrige Eiche wirkte. Bei den Fahrgästen war er beliebt, denn trotz seines anstrengenden Jobs war er stets fröhlich und hilfsbereit.
Jim liebte seinen Beruf, den Kontinent, den er Tag für Tag auf seiner Route durchquerte, und die Menschen, die er an ihr Ziel brachte. Er fühlte sich frei und wie der stolze Besitzer dieses prächtigen Busses, obwohl er nur ein kleiner Angestellter bei der Gesellschaft war.
Das Fahren war seine Leidenschaft. Nächsten Monat würde ihn die Inter Trailways ehren. Eine halbe Million Meilen hatte er für sie bereits heruntergerissen. Eine stramme Leistung. Das Besondere daran war aber, dass er während der ganzen Jahre nicht in einen einzigen Unfall verwickelt war und sich auch nur ganz unbedeutende Geldstrafen eingehandelt hatte. Das sollte ihm mal einer nachmachen. Es gab zu viele Holzköpfe auf der Straße, die sich ihre Fahrlizenz anscheinend gegen ein paar Päckchen Kaugummis eingetauscht hatten.
Der Typ da vor ihm zum Beispiel gehörte zu dieser Kategorie. Dabei sollte man von einem Berufsfahrer etwas mehr erwarten. Aber heutzutage bildete sich ja jeder ein, einen Truck fahren zu können und damit das große Geld zu machen. Die Praxis sah dann meistens anders aus.
„O Boy, die Straße gehört dir doch nicht allein. Lass mich wenigstens vorbei! Danach kannst du wieder sämtliche Spuren für dich beanspruchen“, murmelte Jim.
Der Truck mit dem hohen, silbrig glänzenden Auflieger fuhr in abenteuerlichen Schlangenlinien vor dem Bus her. Der Fahrer schien betrunken zu sein, denn er reagierte weder auf Jims Licht oder Hupzeichen.
Jim überlegte, ob er über CB-Funk mit dem Trucker Kontakt aufnehmen sollte. Er wusste, welchen Kanal diese Cowboys der Highways üblicherweise benutzten.
Schon langte er zum Mikrofon und betätigte den Kippschalter, als sich der Auflieger plötzlich vor ihm querstellte.
Jim stieg voll auf die Bremse und ließ das Mikrofon dabei fallen.
Er achtete nicht darauf. Auch nicht auf das entrüstete Geschrei hinter sich, denn seine Aufmerksamkeit wurde durch etwas anderes in Anspruch genommen.
Die Türen des Aufliegers flogen auf. Ein paar Männer sprangen heraus. Sie trugen Gesichtsmasken und sie hielten Maschinenpistolen in den Fäusten.
Jetzt entsann sich Jim, davon gehört zu haben, dass in letzter Zeit mehrfach Überlandbusse überfallen worden seien. Wie zur Zeit der guten alten Postkutsche.
Nicht mit ihm! Er ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. Wenn er auf der Straße blieb, kam er an dem Truck nicht vorbei. Aber er schaffte es bestimmt, ein Stück neben der Straße zu fahren.
Er würgte den Rückwärtsgang rein und gab impulsiv Gas.
Die Reisenden schrien erneut auf. Auch sie hatten die Bedrohung längst erkannt.
Jim trat die Kupplung, während er das Lenkrad hart nach rechts einschlug. Mit dem niedrigsten Gang versuchte er, an dem Hindernis vorbeizukommen.
Zwei der Maskierten senkten die MPis und feuerten. Orangerote Feuerzungen leckten nach dem Bus und zerfetzten die Reifen auf einer Seite. Der Bus ging in die Knie.
„Mach die Tür auf, du Narr!“, schrie einer der Gangster wütend. „Oder willst du, dass wir dich abknallen?“
Jim wusste, dass ihn die großen Glasscheiben nicht schützen konnten. Es war wohl auch vernünftiger, erst gar nicht den Revolver hervorzuholen. Das reizte die Halunken nur. Sie würden ihre Drohung sonst wahr machen. Dann war es aus mit der Ehrung im kommenden Monat.
Ruhe bewahren! Die Schufte waren mit Sicherheit nur scharf auf Bargeld und Wertgegenstände.
Er trug auch die Verantwortung für die Reisenden. Er musste sie unversehrt ans Ziel bringen. Viele von ihnen hatten ohnehin eine Versicherung abgeschlossen.
„Seien Sie vernünftig!“, rief er beschwörend nach hinten. „Leisten Sie keinen Widerstand. Befolgen Sie die Anweisungen der Gangster. Dann wird keinem etwas geschehen.“
Er drückte auf einen der vielen bunten Knöpfe auf dem Armaturenbrett, und zischend schwang die Tür zurück.
Schwüle Luft quoll zwischen die Reihen, und die Schwüle mischte sich mit der Angst.
Einer der Gangster, ein kräftiger Kerl in dunkler Kleidung und mit schwarzen Haaren, blieb vor der offenen Tür stehen und zögerte.
Dann riss er die MPi hoch und schoss.
In den vielstimmigen Entsetzensschrei der Reisenden hörte man Jims qualvolles Aufstöhnen. Seine Augen weiteten sich. Die rechte Hand zuckte zur Ablage, wo sie den Revolver wusste. Doch dafür war es jetzt zu spät.
Sterbend brach der Fahrer über dem Lenkrad zusammen.
Der Gangster schickte eine zweite Salve in die CB-Box unter dem Dach. Dann ließ er zufrieden die Waffe sinken.
„Aussteigen!“, befahl er scharf. „Einer nach dem anderen. Falls einer ’ne Waffe trägt, wirft er sie vorher durch die Tür. Sollten wir sie erst hinterher bei ihm entdecken, geht es ihm dreckig. Vorwärts! Worauf wartet ihr noch?“
Brad Corner überlegte fieberhaft. Was sollte er tun? Wenn er das vorher geahnt hätte, wäre er nie in einen Bus eingestiegen.
Er sah, wie sich die vordersten Plätze leerten.
Zuerst verließen zwei Teenager den Bus. Sie hatten während der ganzen Fahrt gekichert. Jetzt stand Panik auf ihren Gesichtern. Sie klammerten sich aneinander und wurden von den Gangstern johlend in Empfang genommen.
Sie mussten ihr Geld, die Armbanduhren und den Schmuck abliefern, obwohl der nur ein paar Dollar wert war.
Ein baumlanger Kerl stieß sie mit seiner MPi vor sich her. Sie mussten zusehen, wie der Nächste um seine Wertgegenstände erleichtert wurde.
Einer nach dem anderen kam an die Reihe. Ein paar besaßen eine Schusswaffe. Keiner riskierte sein Leben. Alle befolgten den Befehl des Killers. Sie hatten gesehen, dass mit ihm nicht zu spaßen war.
Geld und Schmuck wanderte in bereitgestellte Ledertaschen. Wenn eine gefüllt war, schleppte sie ein Vermummter in den Auflieger.
Ein anderer zerrte den toten Fahrer von seinem Sitz und schleifte ihn hinter ein Gebüsch. Dann klemmte er sich selbst hinter das Lenkrad und fuhr den Bus von der Straße herunter. Die zerschossenen Reifen klatschten dabei gegen das Blech.
Auch der Truck gab nun endlich die Straße frei. Er stellte sich so, dass er den Bus und alles, was dahinter geschah, weitgehend verdeckte.
Unterdessen setzten die übrigen Gangster die Plünderung fort. Zwei öffneten die großen seitlichen Klappen, hinter denen sich das Gepäck der Reisenden befand. Sie trugen sämtliche Koffer und Taschen in den Auflieger, dessen Doppeltür wie ein gefräßiges Maul geöffnet war. Sie interessierten sich nicht für den Inhalt. Sie waren sicher, eine Menge Brauchbares zu erbeuten.
Besonders scharf aber waren sie auf Bargeld.
Brad Corner war sich im Klaren, dass sein Traum von der eigenen Farm ausgeträumt war, wenn die Lumpen das Geld bei ihm fanden. Verstohlen zog er die Brieftasche heraus, entnahm ihr fast sämtliche Scheine und verbarg sie unter seinem Hemd auf der bloßen Haut.
Minuten später war er an der Reihe. Er biss die Zähne zusammen und zwang sich zur Ruhe.
„Her mit den Mäusen!“, fuhr ihn der Maskierte an.
Brad Corner griff in die Brusttasche und holte die dünne Ledermappe hervor.
Der Gangster warf sie in die neben ihm stehende Tasche, ohne ihren Inhalt zu prüfen. Dann griff er nach der Uhrkette.
„Lassen Sie mir die Uhr! Bitte!“ Brad Corners Stimme zitterte vor Erregung. „Sie ist ein Andenken an meinen toten Vater.“
„Hör auf zu flennen!“, herrschte ihn der Verbrecher mitleidlos an. „Sonst ist sie für mich ein Andenken an einen toten Trottel.“
Er riss die Uhr an sich und schickte sie hinter der Brieftasche her.
„Der Nächste!“
Trotz seiner ohnmächtigen Wut war Brad Corner froh, so billig davongekommen zu sein.
Er ließ sich zu den anderen dirigieren, die zum Teil schluchzend, zum Teil fluchend mit ihrem Schicksal fertig zu werden versuchten.
Nach ihm stieg eine ältere Frau aus. Außer ein paar Dollar war bei ihr nichts zu holen.
Der Gangster stieß sie ärgerlich beiseite. Sie strauchelte und fiel. Niemand kümmerte sich um die Gebrechliche, die vergeblich versuchte, wieder auf die Füße zu kommen.
„Ich helfe Ihnen“, rief Brad Corner spontan. Dagegen konnten die Dreckskerle nichts haben.
Doch kaum tat er einen Schritt nach vorn, als ihn auch schon eine knochige Faust wie ein Pferdehuf an der Brust traf. Die nächste folgte gleich hinterher und schleuderte ihn zurück. Er stolperte und fiel auf den Rücken.
Vorsichtshalber rührte er sich nicht mehr, um den Brutalen nicht noch mehr zu reizen.
Doch das Interesse des Gangsters an ihm war erwacht. Er trat an ihn heran und befahl: „Aufstehen!“
Brad Corner gehorchte zähneknirschend. Er dachte an den toten Fahrer. Die Kerle fackelten nicht lange. Ihm wurde siedend heiß.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du ’ne zusammengefaltete Zeitung unterm Hemd trägst“, höhnte der Vermummte. „Was mag es wohl sonst sein, was da so interessant geknistert hat?“
„Ich ... ich habe nichts gehört“, stammelte Brad Corner.
„Ist auch nicht nötig.“
Dieselbe Faust, die ihn gerade noch niedergeschlagen hatte, riss blitzschnell seine Knopfleiste auf, und die Scheine quollen hervor.
„Dafür sollten wir dich eigentlich umlegen.“
„Das könnt ihr mir nicht wegnehmen. Es ist alles, was ich besitze.“ Brad Corner stöhnte.
„Das wollen wir auch hoffen. Wenn wir nämlich noch was bei dir finden, ist es aus mit dir. Also rück’s lieber freiwillig heraus.“
Es waren fast achtzigtausend Dollar. Acht Jahre lang hatte er sich nicht einmal einen Kinobesuch gegönnt. Und das alles, um es diesen Schuften in den Rachen zu werfen? Nein!
Brad Corner warf sich mit einem Aufschrei nach vorn. Er wollte dem Gangster das Geld entreißen.
Da traf ihn der Lauf der Maschinenpistole. Wie ein Sack fiel er um und streckte sich. Er sah nicht mehr, wie sich der Bewaffnete dem nächsten Opfer zuwandte, und schon gar nicht, wie die Verbrecher nach einer Weile wieder im Auflieger verschwanden und mit dem Truck davonrasten.