Читать книгу Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten - Alfred Bekker - Страница 14
ОглавлениеRücksicht auf den Nikolaus
Alfred Bekker
"Nikolaus - was soll das denn!" rief die vierzehnjährige Tanja außer sich. Sie hatte gerade anderthalb Stunden das Bad blockiert, um sich die Haare zu stylen. Jetzt saß sie am Küchentisch und verdrehte genervt die Augen. "Das ist doch was für Kleinkinder!" - "Tanja!" versuchte ihre Mutter erfolglos zu besänftigen.
"Ja, ist doch war!" schimpfte das Mädchen. "Wir wollten heute ins Kino!"
"Wer ist 'wir'?" fragte die Mutter stirnrunzelnd.
"Na, unsere Clique!"
"Das Kino beginnt doch erst um acht! Da kommst du in jedem Fall noch pünktlich!"
"Wir wollten uns aber etwas früher treffen!"
"Dann kommst du eben etwas später!" Der Tonfall der Mutter machte jetzt deutlich, daß sie in dieser Sache nicht mit sich handeln lassen würde! Ihr Blick ging zu ihrer Linken, wo noch jemand saß, dem der Nikolaustag auf die Nerven zu gehen schien. Philipp war zwölf und würde zu spät zur Mannschaftssitzung seiner Fußballmannschaft kommen, die morgen ein entscheidendes Spiel vor sich hatte.
"Na, du bist ja nicht gerade begeistert", meinte die Mutter sanft.
"Natürlich nicht!" brummte Philipp. "Soll ich dir sagen, was passiert? Der Trainer wird mich morgen nicht aufstellen, wenn ich heute zu spät komme!"
"Er wird dich aufstellen!" war sich die Mutter sicher.
"Ja, du weißt es sicher am besten!" knurrte der Junge.
"Ich habe mit deinem Trainer telefoniert. Das geht schon in Ordnung. Er hat Verständnis dafür, daß so eine familiäre Nikolaus-Feier Vorrang hat!"
Philipp sah seine Mutter völlig entgeistert an. "Mama! Wie konntest du mich so blamieren!"
"Blamieren? Weshalb?"
"Wenn es durchdringt, daß ich wegen so einem Kinderkram zu spät gekommen bin, dann..."
"Nun hör mir mal gut zu!" sagte die Mutter, während Tanja sich an ihren Nägeln herumfeilte. "Das gilt auch für dich, mein Fräulein!" - "Ja,ja..." - "Für euch ist das vielleicht Kinderkram, aber denkt doch auch mal an eure kleine Schwe-ster! Für Christine ist der Nikolaus noch sehr wichtig! Was würde sie wohl denken, daß die ganze Familie reiß aus nimmt, wenn Papa nachher in sein Nikolauskostüm schlüpft, ums Haus poltert und an die Tür klopft?"
"Hm", brummte Philipp.
"Macht der Kleinen das bitte nicht kaputt, ja?"
"Wenn's sein muß!" murmelte Tanja und verdrehte dabei besonders kunstvoll die Augen.
"Es muß sein. Ihr hattet früher schließlich auch großen Spaß daran!"
Philipp wollte noch etwas sagen, aber in diesem Moment ging die Küchentür auf und Christine kam herein, und so schwieg er. "Kommt bald der Nikolaus?" fragte sie und dabei leuchte-ten ihre Augen hell und erwartungsfroh.
"Aber sicher!" war die Mutter zu vernehmen. "Horch mal!
Vielleicht hörst du ihn schon."
"Wo ist eigentlich Papa? Ich kann ihn nirgends finden!"
fragte die Kleine dann plötzlich.
"Er ist noch im Büro", erwiderte die Mutter.
"So spät?"
"Ja.Heute hat er länger zu tun."
"Dann verpaßt er ja den Nikolaus!"
"Der Nikolaus läßt ihm sicher ein Päckchen da, das wir ihm dann nachher geben können."
In diesem Moment polterte es rund um das Haus herum. Mal an dem einen, dann wieder an dem anderen Fenster. "Ist er das?"
fragte Christine, während Tanja leise seufzte. "Vermutlich!"
meinte die Mutter. Dann klopfte es auch schon an der Tür.
Christine legte ihre Hand in die der Mutter und war ganz aufgeregt. "Laß uns aufmachen!" forderte sie.
Sie gingen zur Haustür und öffneten. Draußen stand der Nikolaus in seinem roten Gewand. Der weiße Bart umrahmte sein gütiges Gesicht. Für jeden hatte er ein Päckchen und ein paar teils ermunternde, teils ermahnende Worte. Die kleine Christine stand mit großen Augen und offenem Mund da und staunte über das Päckchen in ihren Händen, während Philipp verstohlen zur Uhr blickte. Schließlich verabschiedete sich der Nikolaus wieder. Tanja und Philipp nahmen sich kaum Zeit dazu, ihre Geschenke aufzumachen und liefen dann auch schon zu ihren Verabredungen.
Als sie gegangen waren, wandte Christine sich mit vertraulichem Tonfall an ihre Mutter. "Du, der Nikolaus war doch Papa, nicht wahr? Ich hab's an der Stimme erkannt! Ich wollte das gerade nicht so sagen, um Tanja und Philipp den Spaß nicht zu verderben..."