Читать книгу Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten - Alfred Bekker - Страница 21
ОглавлениеDer Pudding
Alfred Bekker
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"Er hat mehr!"
"Nein, er!"
"Stimmt doch gar nicht!"
"Haha!"
Mama hatte den Pudding ausgeteilt. Einen Teller für jeden, aber mein Bruder und ich waren mit dem Ergebnis nicht einverstanden. Papas Teller war außer Konkurrenz, denn er nahm immer nur ganz wenig Pudding. Und auch mit Mamas Teller hätte keiner von uns tauschen wollen.
Aber die zwei verbleibenden Teller hatten es in sich.
"Er hat mehr!" behauptete mein Bruder. "Das sieht man doch sofort!"
"Ist doch gar nicht wahr!" wehrte ich ab. "Du hast mehr!"
"Dann tauscht doch einfach die Teller!" schlug Mama vor.
"Dann müßte doch alles okay sein."
Mein Bruder und ich sahen zunächst die Teller, die uns zugedacht waren, dann uns gegenseitig an. Mißtrauisch versuchten wir jeweils abzuschätzen, ob ein Tausch irgendeinen Vorteil bringen konnte.
Schließlich sagte ich: "Gut, tauschen wir!"
Mama wandte sich an meinen Bruder. "Was ist? Bist du einverstanden?"
Mein Bruder überlegte und schüttelte dann den Kopf.
"Nein."
"Warum denn nicht?" fragte Mama.
"Ich will nicht."
"Ich dachte, auf dem anderen Teller wäre mehr!"
"Ja..."
Mein Bruder wollte einfach wohl deshalb nicht mehr tauschen, weil ich jetzt bereit dazu war. Und das konnte ja nur bedeuten, daß mit dem Tausch irgendein Nachteil verbunden war. Also ließ er die Finger davon.
Mama redete noch ein bißchen auf ihn ein und auch Papa versuchte sein Glück. Mein Bruder sah sich meinen Puddingteller noch einmal von vorne und hinten an, und irgendwie schien dieser wohl auf einmal größer geworden zu sein. Jedenfalls nickte mein Bruder schließlich entschieden.
"Gut", sagte er. "Tauschen wir!"
Aber jetzt regte sich bei mir die Skepsis. Wie konnte ein Tausch, den mein Bruder befürwortete, zu meinem Vorteil sein?
"Ich weiß nicht.... Nein, eigentlich möchte ich doch nicht tauschen", erklärte ich.
Meine Mutter verdrehte genervt die Augen und auch Papa wurde es jetzt zu bunt.
Er stand auf und holte die Briefwaage aus seinem Arbeitszimmer. "So", sagte er. "Jetzt wird nachgewogen. Das wäre doch gelacht, wenn wir den Pudding nicht gerecht aufgeteilt bekämen!"
Wir sahen gespannt zu.
Erst kam der Teller meines Bruders auf die Waage. Dann der Meine. Und sie wogen auf das Gramm genau gleich viel.
Wir aßen schweigend und sehr beeindruckt. Mama hatte offenbar ein sehr gutes Augenmaß, das von diesem Tag an auch nie wieder angezweifelt wurde.