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Der Gartenzwerg

Alfred Bekker


Sie waren seit drei Monaten verheiratet und seit drei Wochen wohnten sie in dem kleinen Bungalow mit dem großen Garten. Er mochte Gärten, sie weniger, denn sie war ein Stadtkind und hatte keine Beziehung zu solchen Dingen - allerdings auch keine negative. Wenn er einen Garten haben wollte war es in Ordnung. Und wenn sie mal Kinder hatten, war es für die sicher auch schön, auf dem Rasen zu spielen oder sich in denm Sträuchern zu verstecken. Als er allerdings eines Tages von einem Trödelmarkt mit einem leibhaftigen Gartenzwerg nach Hause kam, konnte sie nur fassungslos den Kopf schütteln. Der Zwerg hatte ein gütiges, fast leutseliges Lächeln in seinem rotbäckigen Gesicht. Seine Augen leuchteten blau und strahl-ten eine Fröhlichkeit aus, die weit über ein natürliches Maß hinaus ging. "Das ist doch nicht dein Ernst!" stieß sie hervor, nachdem er das fast einen Meter hohe Ungetüm im Wohnzimmer abgestellt hatte.

"Warum nicht? Der macht sich bestimmt gut in unserem Garten!"

"Schatz! Das ist doch Kitsch!"

"Na, und?"

"Ich finde ihn spießig."

"Er war unwahrscheinlich günstig. Fast umsonst!" Er nannte ihr den Preis. Der Zwerg war tatsächlich unwahrscheinlich günstig. "Ich habe ihn einem Paar abgekauft - so ungefähr in unserem Alter. Die schienen gar nicht zu wissen, wieviel so ein Gartenzwerg wert ist - oder sie wollten es unbedingt los-werden." Plötzlich stockte er einen Moment lang. Er erinnerte sich an das seltsam verkrampfte Lächeln, das er im Gesicht der beiden gesehen hatte. Ein richtig angestrengtes, starres Lächeln... Es war die Stimme seiner Frau, die ihn wieder in den Augenblick riß.

"Dieser Zwerg kommt nicht in den Garten! Das kannst du mir nicht antun."

"Du wirst dich dran gewöhnen!"

"Nein!"

"Und ob!"

Sie stemmte die Arme in die Hüften und wurde richtig ärgerlich. "Aber das Ding sieht furchtbar aus! Und ich möchte den Nachbarn begegnen können, ohne einen roten Kopf bekommen zu müssen!"

"Du brauchst ja nicht hinzusehen, wenn er dich stört!"

"Ach! Ich dachte eigentlich, wir wollten alle wichtigen Dinge gemeinsam entscheiden!" fauchte sie wie eine Katze und verdrehte die Augen dabei.

"Und ein Gartenzwerg ist so wichtig, ja?"

"Ja!"

Die Sache wuchs sich zum ersten Krach in ihrer jungen Ehe aus. Die Worte flogen hin und her und brachten die Gemüter langsam aber sicher in die Nähe des Siedepunkts.

Dann schwieg sie plötzlich. Ihr Gesicht zeigte fassungslose Verwunderung, während sie in Richtung des Zwerges deutete.

"Sieh doch mal...", flüsterte sie in einem Tonfall, als ob sie einem Gespenst gegenübergestanden hätte. Er drehte sich herum und sah es dann ebenfalls. Das Gesicht des Gartenzwerges hatte sich verändert. Aus dem leutseligen Lächeln war ein wölfisches Zähnefletschen geworden. Die Augen leuchteten nicht mehr fröhlich, sondern haßerfüllt. Aus Schmalz war Gift geworden.

Sie schwiegen einen Augenblick und wechselten einen Blick.

Dann umarmten sie sich. Und als sie wieder zu dem Zwerg sahen, hatte sich dessen Gesicht wieder entspannt.

"Ich habe mir wohl etwas eingebildet", flüsterte sie und atmete tief durch. "Jedenfalls sollte das dumme Ding es nicht wert sein, daß wir uns seinetwegen streiten."

"Du hast recht. Ich bringe ihn wieder weg."

Ihr Zeigefinger verschloß ihm den Mund."Nein", sagte sie.

"Wenn er dir so wichtig ist, dann stell ihn im Garten auf.

Das ist mein Ernst." Zunächst blieb der Gartenzwerg jedoch im Wohnzimmer stehen. Der jungen Mann konnte sich angeblich nicht entscheiden, an welcher Stelle des Gartens er das Ding, wie sie es nannte, aufstellen sollte.

In Wahrheit fühlte er dasselbe Unbehagen wie seine Frau.

Über die Veränderungen, die sie beide im Gesicht des Zwerges beobachtet hatten, sprachen sie jedoch nicht. Einbildung, es mußte Einbildung sein - so dachte jeder von ihnen.

Aber es war keine Einbildung. Das Gesicht des Zwerges spiegelte auf geheimnisvolle Weise ihrer beider Stimmung wieder. Einmal hatte sie eine heftige Auseinandersetzung mit einem aufdringlichen Türverkaufer. Als sie hinterher ins Wohnzimmer kam, sah sie den Mund des Zwerges zu einer zähne-fletschenden Grimasse verzogen.

Sie stritten sich nicht mehr, ja sie begannen sogar, nur noch in gedämpftem Tonfall zu sprechen, um ja keine Reaktion des Gartenzwerges herauszufordern. Am Anfang war es ganz an-genehm, mit der Zeit wurde es jedoch zur Qual. Sie lächelten nur noch, besonders, wenn sie Besuch hatten. Mit der Zeit, so schien es, wurde der Zwerg immer empfindlicher. Während zu Anfang ein Streit vonnöten war, um eine Reaktion hervorzuru-fen, so reagierte inzwischen bereits auf ein leichtes Stirn-runzeln. Sie hätte den Zwerg am liebsten in den Keller gestellt, fürchtete aber, daß das einen neuen Streit provozier-te. Schließlich war es ja sein Zwerg.

Er wollte den Zwerg ebenfalls in den Keller stellen, als ihm vor lauter aufgesetzter Fröhlichkeit fast der Kragen platzte. Aber während er sich voller Haßgedanken dem Zwerg näherte, fletschte dieser so grimmig die Zähne, daß der junge Mann sein Vorhaben aufgab.

Beim Abendbrot sagte er dann zu seiner Frau: "Was hältst du davon, wenn wir das Ding verkaufen?"

Einige Tage später konnte man auf dem Trödelmarkt ein junges Paar beobachten, das einen Gartenzwerg zu verkaufen versuchte. Die beiden lächelten sehr angestrengt und fast so breit wie der Gartenzwerg, den sie feilboten.

Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten

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