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Wasser

Alfred Bekker


Seit dem Tod seiner Frau war Herr Wolff ein seltsamer alter Mann geworden, dessen Bissigkeit seinem Nachnamen alle Ehre machte. Kaum ein Jahr hatte es gedauert, da war sein Haar vollständig ergraut und seine Augen hatten ein feindseliges, mißtrauisches Funkeln bekommen. Als eine Nachbarin nach ihm sehen wollte, hatte er erst nach langem, ausdauern-dem Klingeln die Tür geöffnet und dabei ein Luftgewehr im Anschlag ge-habt. Da stand es für alle fest: Herr Wolff war verrückt geworden. In der Folgezeit verkaufte er die Gärtnerei, die er dreißig Jahre lang be-trieben hatte und begann damit, um sein Wohnhaus eine mannshohe Mauer aus Sandstein zu ziehen.

"Ein bißchen seltsam war er ja immer schon", begannen die Leute über ihn zu reden. "Wußten Sie, daß er seine Gewächshäuser immer mit einer Alarmanlage gesichert hatte?" -"Ach!" -"Ja, das muß man sich mal vor-stellen! Als ob ein Einbrecher es auf Tulpenzwiebeln abgesehen haben könnte!" -"Schon seltsam. Der Postbote hat mir erzählt, daß er nicht einmal mehr die Tür öffnet, um ein Einschreiben anzunehmen!"

Herr Wolff verbrachte seine Tage zumeist im Obergeschoß seines Hauses. An eines der Fenster hatte er sich einen Spiegel montiert, um sehen zu können, wer sich an der Tür befand. Er öffnete jedoch so gut wie nie. Wer konnte da schließlich schon an der Tür sehen? Der auf-dringliche Prediger einer obskuren Sekte vielleicht, ein Verkäufer von Zeitschriftenabonnements oder Versicherungen, möglicherweise sogar einer dieser gefürchteten Trickbetrüger, vor denen im Fernsehen immer gewarnt wurde. Wer auch immer es war, besser er öffnete nicht.

Eines Nachts wurde Herr Wolff dann gar mitten in der Nacht durch heftiges Klingeln und Klopfen geweckt.

Wutentbrannt fuhr er von seinem Bett hoch. Am Fenster stand sicher-heitshalber das Luftgewehr. Für alle Fälle. Man konnte ja schließlich nie wissen. "Aufmachen!" rief von unten eine Stimme. "So machen Sie doch auf!"

Na, dir werde ich's zeigen! schoß es Herrn Wolff ärgerlich durch den Kopf. Er schlurfte zum Fenster, riß es auf und blickte hinaus. Im Schein der Straßenlaterne sah er undeutlich eine Gestalt. "Ich kaufe nichts!" rief er unwirsch hinunter und knallte das Fenster wieder zu.

Er machte das so heftig, daß man Angst um die Scheibe bekommen mußte.

"Ich wollte nur sagen...", drang gerade noch von unten hinauf. Es war eine helle Stimme. Ein Kind. Wahrscheinlich haben die es mit ihren Streichen mal wieder auf mich abgesehen! dachte Herr Wolff ärgerlich.

Und das um diese Zeit! Das die überhaupt noch auf die Straße durften!

Unverantwortlich!

Herr Wolff ging seufzend in Richtung Bett.

"Kein Wunder, daß die Kinder von heute nur dummes Zeug im Kopf haben, wenn die Eltern nicht auf sie achten!" murmelte er halblaut vor sich hin.

Kaum lag Herr Wolff wieder im Bett, da ging das Geklingel erneut los.

Jetzt wurde es Herrn Wolff zu bunt. Sein Blick ging zum Luftgewehr, aber dann kam ihm ein anderer Gedanke. Er ging in die Küche und holte eine Salatschüssel aus dem Schrank. Warte nur! Ich werd's dir schon zeigen! dachte er grimmig. Eine kleine Dusche würde den nächtlichen Störenfried sicher ein für allemal vertreiben!

Herr Wolff stellte die Schüssel unter den Wasserhahn und drehte auf.

Aber es kam kaum genug für ein halbes Glas heraus, dann verebbte der Wasserstrom. Nicht ein einziger Tropfen kam noch. Herr Wolff fluchte leise vor sich hin. Er ging ins Bad, das im Erdgeschoß lag, um es dort zu versuchen. Auch dort versiegte das Wasser sehr schnell. Er hatte jetzt zwar insgesamt eine Schüssel voll beisammen, aber wenn kein Tropfen mehr aus dem Kran kam, war das alles an Wasser, was ihm noch blieb.

Es klingelte noch immer und Herr Wolffs innere Sicherungen waren kurz vor dem Durchschmoren. Wütend darüber, daß er sich mit seiner Bestra-fungsaktion nur selbst schaden würde, stellte er die Wasserschüssel auf einer Kommode ab und lief zur Tür.

Er schloß auf und blickte dann einen Augenblick später auf den Rücken der Nachbartochter.

Sie drehte sich herum.

"Ach, schön daß Sie doch aufmachen. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß es in unserer Straße einen Rohrbruch gibt. Das Wasser sprudelt aus dem Bürgersteig und wahrscheinlich wird jeden Moment die Leitung zugedreht.

Ich gehe jetzt von Haus zu Haus, um den Leuten zu sagen, daß sie die Badewannen vollaufen lassen sollen, um morgen früh wenigstens etwas Wasser für die Toilettenspülung zu haben!"

Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten

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