Читать книгу Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten - Alfred Bekker - Страница 22
ОглавлениеDie Fütterung der Kuscheltiere
Alfred Bekker
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Ein Kleinkind abends ins Bett zu bringen ist eine besondere Kunst. Jeder Schritt will genau überlegt sein, denn alles, was man zweimal tut, wird zur Tradition und muß dann jeden Abend getan werden.
Erst eine Gute-Nacht-Geschichte, dann die Abendflasche und anschließend das Gute-Nacht-Sagen und der Gute-Nacht-Kuß das war bei uns ein festes Ritual geworden.
Eines Abends jedoch hielt der Kleine mir vor der Abendflasche seinen Teddy hin.
"Der will auch 'was!" sagte er dazu. Und dann setzte er - stellvertretend für seinen Teddy - mit verstellter Tonlage hinzu: "Ja, ich möchte auch 'was trinken!"
Warum nicht? dachte ich und sagte: "Also, gut, Teddy. Du kriegst auch etwas!" Und dabei hielt ich den Sauger der Flasche vor die Teddyschnauze und der Kleine machte dazu Schmatzgeräusche.
Teddy mußte ziemlich viel Hunger haben, denn seine Mahlzeit dauerte recht lange und bevor Teddy nicht zu Ende getrunken hatte, wollte der Kleine keinen Schluck nehmen.
Am nächsten Abend wollte Teddy natürlich auch wieder etwas.
"Ich hab Durst!" ließ ihn der Kleine sagen. "Und ich auch!"
fügte er in einer anderen Stimmlage hinzu und hielt mir dabei seinen Affen hin. "Und ich auch! Und ich auch!" Von den ungefähr zwei Dutzend Stofftieren, die rund um das Bett des Kleinen angeordnet waren, wollten fünf oder sechs gefüttert werden. Und der Kleine weigerte sich, auch nur einen einzigen Schluck zu nehmen, bevor seine Stofftiere nicht etwas be-kommen hatten.
Also fütterte ich sie im Schnelldurchgang.
Ich dachte schon, ich hätte diese neue Zoowärterpflicht zumindest für diesen Abend hinter mich gebracht, da tönte es mehrfach und in verschiedenen Stimmlagen: "Wir wollen auch etwas!" Und der Kleine sah mich ernst an und erklärte es mir: "Die anderen haben auch Durst!"
"Ach", sagte ich. "Die sind schon groß und brauchen keine Flasche mehr. Die essen schon Brot!"
Der Kleine verstellte seine Stimme und alsbald erscholl ein vielstimmiger Chor: "Nein, wir essen kein Brot! Wir wollen eine Flasche!"
"Nein, die essen Brot. Und außerdem haben die auch schon gegessen! Die wollen jetzt schlafen!"
"Stimmt gar nicht! Wir sind noch nicht satt! Gib uns eine Flasche!"
Letztendlich blieb mir nichts anderes übrig, als nunmehr die ganze Schar der Stofftiere im Schnelldurchgang zu versor-gen. "Der Bär hat noch nicht genug!" wurde ich dabei korri-giert, als mein Abfertigungstempo allzu rasant wurde. Und anschließend meledete sich der Kleine mit der Stimme des Bärs, um seiner Sache Nachdruck zu verleihen: "Ja, ich hatte nur ein bißchen!"
Mir war klar, daß das nicht so weitergehen konnte. Von Mal zu Mal hatte sich nämlich das Einschlafritual weiter in die Länge gezogen.
Für den nächsten Abend hatte ich mir etwas überlegt. Ich führte die Fütterung der Kuscheltiere wie gehabt durch, nur mit dem Unterschied, daß ich mir dabei sehr, sehr viel Zeit ließ.
"Der Teddy ist jetzt satt!" sagte der Kleine plötzlich.
Ich antwortete mit der Stimme des Teddys: "Nein, ich will noch trinken!"
Das beeindruckte ihn und so wartete er geduldig, obwohl es ihm schwerfiel und er immer wieder einen hungrigen Blick in Richtung Flasche riskierte.
Zwischendurch sagte ich zu dem Kleinen: "Hoffentlich bleibt noch genug für dich übrig, wenn die Tiere heute alle so viel trinken wollen!" Als ich dann anfing, das nächste Kuscheltier zu füttern, sagte er: "Das brauchst du nicht, Papa!" - "Warum denn nicht? Die anderen wollen doch auch eine Flasche!" "Nein, die sind schon groß und essen Brot." Und zur Bekräfti-gung fügte er dann noch in der Stimmlage seiner Stofftiere hinzu: "Ja, wir sind satt. Wir haben schon Brot gegessen!"
Im nächsten Moment saugte er dann gierig an seiner Flasche, erleichtert darüber, daß noch etwas übrig war.