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Das Strafgericht

Alfred Bekker


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Peter Lutz saß am Steuer und fluchte leise vor sich hin.

Kurz bevor die Fahrbahn sich wegen der Baustelle verengte, war es immer dasselbe. Es gab einen Stau. Wenn dann noch irgendwer nach einem Parkplatz suchte und deswegen nur in Schrittempo voran fuhr, dann ging in der Regel eine Weile lang gar nichts mehr. Aber was Lutz am meisten haßte, das waren diejenigen, die nach dem Hinweisschild noch rechts über-holten, auf der rechten Spur soweit wie möglich weiterfuhren, um sich dann wieder in den Verkehr einzufädeln - mit mehre-ren hundert Metern Geländegewinn natürlich.

Meistens waren es große Wagen. Mercedes oder Porsche, Wagen deren Fahrer ohnehin zu glauben schienen, daß es bei ihrem Fabrikat eine serienmäßige, eingebaute Vorfahrt gab.

Trugen die Wagen auswärtige Nummernschilder, konnte Lutz es gerade noch ertragen. Aber wenn es Hiesige waren, dann kochte ihm das Gemüt hoch und seine Galle meldete sich unwillkürlich. Wen jemand von hier kommt, dann weiß er, was er tut! ging es Lutz grimmig durch den Kopf. Da! Da war wieder so einer, der frech an ihm vorbeizog. Natürlich, ein Mercedes. Als die Fahrbahn sich verengte, kamen sie auf gleiche Höhe. Der Mercedesfahrer - ein kleiner dicker Mann mit schütteren Haaren - versuchte wieder einzufädeln.

Na warte! dachte Lutz. Dem zeig ich's.

Die beiden Fahrer vor ihm ließen den kleinen Glatzkopf nicht dazwischen. Und Lutz tat es auch nicht. Er dachte gar nicht daran! Dem mußte man mal eine richtige Lektion verpassen. Dann würde der arrogante Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht schon verschwinden! Lutz fuhr sehr langsam.

Der Mercedesfahrer hob die Arme und gestikulierte wild. Er zeigte Lutz den Vogel. Lutz grinste und zeigte den Mittelfin-ger. Der Mercedesfahrer ließ die Scheibe hinunter - bei ihm ging das natürlich elektrisch - und schimpfte lautstark herum. "Was soll das, glaubst du, die Straße gehört dir alleine? Was fällt dir ein, hier den Betrieb aufzuhalten!" Es folgten noch ein paar wüste Schimpfwörter, die Lutz die Zornesröte ins Gesicht trieben.

Er trat auf die Bremse und augenblicklich mußte auch der Mercedesfahrer in die Eisen gehen. Für ihn gab es natürlich jetzt kein Weiterkommen mehr. Lutz bleckte angriffslustig die Zähne. Sollte der Mercedesfahrer ruhig ein bißchen schmoren!

Er hatte es verdient!

Lutz stieg aus.

Der Mercedesfahrer tat dasselbe. Und dann gab ein Wort das andere. Wüste Beschimpfungen flogen hin und her und die Wagen, die hinter ihnen in der Schlange standen, betätigten ihre Hupen. Immer mehr Wagentüren wurden geöffnet.

Lutz deutete auf den Mercedesfahrer. "Ich finde, der Kerl hier braucht eine Lektion! Man sollte ihm mal beibringen, wie man richtig Auto fährt! Es geht doch nicht an, daß diese dicke Limousinen sich erst rechts an der Schlange vorbeistehlen und sich dann wieder vordrängeln."

Einige der anderen Leute nickten zustimmend. Ein kräftiger Rothaariger, der aus einem Lieferwagen gestiegen war, krempelte die Ärmel hoch und knurrte: "Das finde ich allerdings auch!"

"Mir geht das auch schon lange auf die Nerven!"

"Mir auch!"

Lutz und zwei andere Männer kamen auf den kleinen dicken Mercedesfahrer zu, der bei diesem Anblick noch viel kleiner wurde, als er ohnehin schon war. "Hören Sie, ich muß dringend weg. Ich habe eine Verabredung, die keinen Aufschub duldet!"

Lutz verzog das Gesicht und sah den Dicken von oben herab an. Der Mercedesfahrer schwitzte. Seine Augen waren glasig, sein Blick schien etwas gehetztes, wahnhaftes auszudrücken.

"Lassen Sie mich weiterfahren, sonst ist es zu spät!"

"Zu spät ist es erstmal für dich!" Lutz packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen seinen Wagen. Dann fiel sein Blick durch das Fenster und er sah auf einen riesigen Haufen von Flaschen. Schnapsflaschen, um genau zu sein. Kleine Flachmänner fanden sich neben großen Rumflaschen.

"Jetzt versteh ich", sagte Lutz. "Daß Sie sich nicht schämen, sich als Alkoholiker ans Steuer zu setzen!"

"Ich habe nichts getrunken!"

"Das würde doch jeder sagen."

"Die Flaschen - die sind nicht für mich!"

"Hören Sie doch auf!"

Und auch die anderen waren fassugslos ob soviel geballten Verkehrsrowdytums. Nein, kein Zweifel, daß ihr Zorn hier gerechterweise den Richtigen traf.

"Lassen Sie mich los!" zeterte der dicke Mann. "Sie werden es sonst noch bereuen. Sie alle!" Aber Lutz dachte gar nicht daran, den Mann loszulassen. Und der Kerl aus dem Lieferwagen bestärkte ihn darin, in dem er sagte: "Wir können den Schluckspecht unmöglich wieder ans Steuer lassen." Und damit ging der große, kräftige Mann um den Wagen herum, öffnete die Tür und beugte sich zum Zündschloß. Er zog den Schlüssel heraus. Der Mercedes-Fahrer wurde bleich. "Ich muß bis drei Uhr beim Treffpunkt sein, damit ich ihnen die Flasche geben kann!" zeterte der dicke Mann mit hervorquellenden, wie irre dreinblickenden Augen. "Sie werden sich sonst furchtbar rächen und glauben, daß wir Menschen unzivilisierte Tiere sind, die besser vom Antlitz dieses Planeten getilgt werden soll-ten!" - "Von wem sprechen Sie?" fragte Lutz stirnrunzelnd, wobei er sein Gegenüber unwillkürlich wieder siezte.

"Von den Wesen, die mit ihrem Raumschiff gekommen sind.

Ich weiß, daß Sie mir nicht glauben werden, aber davon, daß ich weiterfahren kann, hängt das Schicksal der Menschheit ab!" - "Man sollte ihn mal den Idiotentest machen lassen. Da fällt er garantiert durch!" meinte der Mann aus dem Lieferwagen und Lutz schüttelte fassungslos den Kopf. "Sturzbesoffen, der Kerl!" - "Oder plem-plem!" rief jemand anderes. - "Oder beides!" - "Wahrscheinlich beides." -"Unglaublich. So jemand wird in den Straßenverkehr losgelassen!" - "Hat jemand ein Autotelefon? Dann können wir die Polizei rufen!" Der kleine dicke Mercedes-Fahrer kreischte laut herum. Dann traf sein Blick auf die große Kirchturmuhr, die von hier aus sichtbar war. Er verstummte von einer Sekunde zur anderen und schüttelte stumm den Kopf. Und auch alle anderen waren plötzlich ruhig. Lutz ließ sogar den Kragen des Dicken los, denn es hatte gerade drei Uhr geschlagen. Das letzte, was sie alle sahen, war ein unwahrscheinlich greller Blitz. Dann war es dunkel. Endgültig dunkel.

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