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Der Fernsehskandal

Alfred Bekker


"Unser Sender ist noch jung und wir brauchen einen handfesten Fernsehskandal, um auf uns aufmerksam zu machen.

Die Zuschauer zappen sonst einfach über uns hinweg!" so hatte der Programmdirektor gesagt.

Der Moderator in dem grellbunten Jackett breitete die Arme auseinander, nahm den Beifall entgegen und verbeugte sich.

Dann nahm er den kleinen Pudel vom Boden auf, der ihm um die Hosenbeine herumstrich und blickte gemeinsam mit dem Tier in die Kamera. Der Pudel mußte dabei sein. Er war schließlich das Maskottchen der Sendung und bei den Zuschauern sehr beliebt. Das Lächeln des Moderators wurde breit und zeigte seine zwei Reihen makellos blitzender Zähne, mit denen er gleich nach der Show auch in einem Werbespot für Zahnweiß zu sehen sein würde.

"Meine Damen und Herren, für heute verabschiede ich mich von Ihnen - bis nächste Woche, zur selben Uhrzeit auf demselben Sender, wenn es wieder heißt: GELD ODER LEBEN!"

Der Beifall schwoll zu einem wilden, von Begeisterungsrufen unterbrochenen Tosen an, während auf Millionen Bildschirmen im ganzen Land bereits der Abspann lief.

Der Moderator winkte noch einmal ins Bild.

Ein paar Sekunden noch mußte er sein Lächeln aufrecht erhalten. Innerlich zählte er mit. Drei, zwei, eins, null, aus! Der Moderator atmete tief durch. Die Sendung war vorbei, keine Millionen Augenpaare mehr, die ihn anstarrten und jede Regung seines Gesichts, jeden Flecken auf dem Jackett und jede Unreinheit seiner Haut gnadenlos registrierten.

Seine Gesichtsmuskulatur erschlaffte von einer Sekunde zur anderen. Und dann überzog auf einmal Zornesröte sein Gesicht, als er eine Feuchtigkeit durch seinen Jackettärmel dringen spürte. "Pipsi, du Ferkel!" schrie er wütend und ließ den Pudel auf seinem Arm zu Boden fallen. Der Hund jaulte auf. Eine Sekunde später hatte er sich wieder auf alle Viere hochgerappelt und flüchtete schleunigst, als der Fuß des Moderators in seine Richtung schwang.

"Ich hab das Tier nie leiden können!" knurrte der Moderator, während der Regisseur der Sendung auf ihn zukam.

Im Hintergrund kam gerade der Krankenwagen, der das schwer verletzte Ehepaar abholte, das sich für hunderttausend Mark in den Bärenkäfig gewagt hatte.

Der Moderator schaute nur kurz hin und fragte dann: "Na, wie war ich, Heinz?"

"Großartig, wie immer", erwiderte der Regisseur.

"Das müßte eigentlich einschlagen wie eine Bombe!"

"Wir müssen die ersten Zuschauerreaktionen abwarten", erwiderte der Regisseur etwas weniger enthusiastisch. "Die Zuschauertelefone laufen aber bereits heiß..."

"Gut so!"

Der Moderator sah im Geiste schon die Schlagzeilen der Boulevardpresse vor sich. FERNSEHSKANDAL: SCHWERVERLETZTE

KANDIDATEN IN TV-SHOW!

Die Kritiker würden sich aufregen und das Publikum würde beim nächsten Mal natürlich selbst sehen wollen, was es da Schlimmes zu sehen gab - und wenn auch nur, um dann in einer Stimmung des gerechten Zorns empörte Leserbriefe schreiben zu können.

"Das mit dem Steilwandklettern war ein besonderer Gag!"

meinte der Moderator. Die Regeln des Spiels waren einfach. Es spielten Paare gegeneinander. Während der Mann versuchte, eine Steilwand hinaufzuklettern, hing seine Frau über einer Jauchegrube. Schaffte der Mann die Steilwand nicht, wurde die Frau in die Grube fallengelassen, in der sich zu allem Über-fluß auch noch eine Giftschlange befand. Eine Ärzteteam mit dem entsprechenden Serum stand für den Fall der Fälle bereit.

Das war die Vorausscheidung. Die besten zwei von fünf Paaren kamen dann in den Bärenkäfig... Wer es dort am längsten aus-hielt, bekam hunderttausend D-Mark.

Der Moderator ging in die Garderobe und zog sich um. Als er fertig war, wartete draußen schon eine der Redakteurinnen auf ihn, die an der Sendung mitarbeiteten. "Was gibt's" fragte er.

"Es wird einen Skandal geben!" seufzte sie.

"Ist doch gut so!" lachte der Moderator. War es nicht genau das, was der Programmdirektor gewollt hatte?

"Die Telefone stehen nicht still!"

"Kein Wunder. Schließlich hat es Verletzte in der Sendung gegeben!"

"Die meisten haben nicht deswegen angerufen."

Der Moderator hob die Augenbrauen. "Sondern?"

"Am Schluß ist dem Aufnahmeleiter ein Mißgeschick passiert und du warst ein paar Sekunden länger auf dem Schirm, als beabsichtigt. Tut mir leid, aber Millionen Menschen haben gesehen, wie du nach einem Hund getreten hast... Eine Tierschutzvereinigung hat schon angekündigt, Klage wegen Tierquälerei zu erheben."

Der Moderator fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach.

"Ich will ja nicht vorgreifen", sagte die Redakteurin dann in gedämpftem Tonfall. "Aber nach dem, was passiert ist... Ob du da noch als Moderator von GELD ODER LEBEN tragbar bist?"

Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten

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