Читать книгу Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten - Alfred Bekker - Страница 30
ОглавлениеEin Botschafter mit Taktgefühl
Alfred Bekker
"Papa, sag mal, kommt Mama nicht mit, wenn wir zu Oma und Opa fahren?"
"Doch."
"Aber warum ist sie dann noch im Haus?"
"Weil sie noch nicht ganz fertig ist."
Die beiden gingen zum Wagen. Der kleine Junge sah seinem Vater zu, wie dieser die Motorhaube öffnete, um Öl und Wasser nachzusehen. Zwischendurch schaute er auf die Uhr. "Wir kommen zu spät...", murmelte er vor sich hin. Dann wandte er sich an den Kleinen. "Gehst du noch mal rein und sag Mama, sie soll sich beeilen und endlich etwas schneller machen!"
"Hm", machte der Junge. Er schien nicht besonders begeistert von diesem Auftrag zu sein.
"Na los, worauf wartest du noch? Wir sind schon viel zu spät dran", sagte Papa. "Gut", nickte der Junge und ging.
Wenig später kam er zurück. Papa klappte gerade die Motorhaube zu. "Na, was hat sie gesagt?"
"Nichts", sagte der Junge und auf Papas Stirn erschienen ein paar dicke Falten.
"Nichts?" vergewisserte er sich. "Was hast du ihr denn gesagt?"
"Daß sie sich beeilen soll. War das richtig."
"Ja."
Papa öffnete die Wagentür, nahm einen Handfeger aus dem Handschuhfach und begann, die Sitze abzubürsten.
"Wo war Mama denn?" fragte er den Jungen dann. "Auf dem Klo?"
Der Junge schüttelte den Kopf. "Nein. Im Schlafzimmer."
Papa fuhr hoch und sah den Kleinen entgeistert an. "Sag bloß, sie zieht sich nochmal um!"
Der Junge druckste etwas herum. Er wandt sich hin und her und es schien ihm absolut nicht zu gefallen, seine Mama zu verraten. Andererseits wollte er aber auch seinem Vater keine Antwort geben , die nicht der Wahrheit entsprach. Der Zwiespalt stand ihm im Gesicht geschrieben. Und Papa sah ziemlich genervt aus. Er kannte das nur zu gut und konnte sich lebhaft vorstellen, wie seine Frau vor dem vollen Kleiderschrank stand und sich nicht entscheiden konnte, was sie anziehen sollte. "Sie zieht sich also nochmal um!"
stellte Papa fest.
"Ja", brachte der Junge heraus.
"Das darf doch nicht wahr sein!"
"Sie ist sicher gleich fertig!"
Aber das wußten sie beide aus Erfahrung besser.
Papa beugte sich nieder und sagte:"Dann geh noch mal rein und sag ihr, daß jetzt keine Zeit für eine Modenschau ist!"
Der Junge war offenkundig von diesem Auftrag noch weniger begeistert als beim ersten Mal. Sein Gesicht schien zu fragen: Warum muß ich die unangenehmen Botschaften überbringen? Es dauerte nicht lange, bis er wieder da war.
"Hast du es ihr gesagt?"
"Ja."
"Und?"
"Sie kommt gleich."
Papas seufzte und sah auf die Uhr. Alles war jetzt soweit fertig. Der Junge setzte sich in den Kindersitz und Papa schnallte ihn an. Dann setzte er sich ans Steuer und tickte nervös mit dem Finger auf dem Lenkrad herum. Sie warteten.
Zwischendurch blickte Papa nochmal zur Uhr. Mama kam immer noch nicht. Papa wollte schon aussteigen, da kam sie endlich aus der Haustür. Sie hatte dasselbe blaue Kleid an, daß sie zuerst angehabt hatte. Einen Augenblick später saß sie auf dem Beifahrersitz und Papa fuhr los. "Na endlich", knurrte er. "Hat dir der Junge nicht bescheid gesagt?"
Mama sah überrascht drein. "Nein. Mir hat niemand bescheid gesagt."
"Ich dachte, man könnte sich auf dich verlassen!" wandte sich Papa an den Jungen.
"Ich habe alles gesagt, was ich sagen sollte!" verteidigte sich der Junge vehement.
"Mama hat's aber wohl nicht gehört!" erwiderte Papa.
Der Junge atmete tief durch. "Ich habe ja auch geflüstert!"
Mama lachte als erste und dann lachten sie alle drei.