Читать книгу Heiter und unterhaltsam in die Weihnachtszeit: 2 Romane und 66 Kurzgeschichten - Alfred Bekker - Страница 20
ОглавлениеDie Delikatesse
Alfred Bekker
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"Wir haben keine Fische gefangen", stellte ich fest und sah Papa fragend an.
"Kein Wunder", sagte dieser.
"Wieso kein Wunder?"
"Wir haben die Köder vergessen. Und dann beißen die Fische nicht."
Ich sagte nichts mehr. Es war nämlich meine Aufgabe gewesen, die Köder mitzunehmen. Und ich hatte sie vergessen.
Das Boot glitt langsam und fast lautlos in den Hafen. Die Sonne war gerade untergegangen. Nur noch ein schwacher roter Schimmer kam über den Horizont. Keine halbe Stunde mehr, dann würde es stockdunkel werden. Papa saß am Steuer und ich saß im Bug des Bootes, hielt ein Tau in der Hand und wartete darauf, daß das Boot nahe genug an den Landungssteg herankam, um es festmachen zu können.
Dann war es soweit. Ich schlang das Tau um einen der Pfähle und wir legten an. Ich kletterte auf den Steg, während am Himmel schon die ersten Sterne blinkten.
Papa reichte mir die Angelsachen und den Proviantbeutel an und stieg dann ebenfalls an Land.
Dann gingen wir zum Campingplatz.
"Pst", sagte Papa, als wir die Tür unseres Wohnwagens öffneten. "Mama schläft wahrscheinlich schon."
Ich nickte.
"Gut."
Wir schlichen in den Wagen. Ich hatte die Hand schon am Lichtschalter, aber Papa schüttelte den Kopf.
Mama lag im Bett und schlief.
"Hast du noch Hunger?" fragte Papa.
"Ein bißchen."
Papa sah im Proviantbeutel nach, aber den hatten wir längst geplündert. Er sah sich etwas ratlos in dem ziemlich dunklen Campingwagen um. Durch das Fenster kam etwas Mondlicht.
Irgend etwas fiel um und schepperte. Ich sah, daß Mama sich schon im Bett herumdrehte. Aber sie wachte nicht auf.
Dann hatte Papa etwas gefunden.
Er hatte eine Dose in der Hand und griff hinein.
"Mmmm! Lecker!" meinte er. "Hier, nimm auch etwas?"
"Was ist das?"
"Shrimps."
"Wie?"
"Krabbenfleisch. Wundert mich, daß noch etwas übrig ist..."
Es fühlte sich klein und glitschig an.
"Schmeckt irgendwie..."
"Eine Delikatesse, was?" flüsterte Papa.
Ich hatte zuvor noch nie Shrimps gegessen. Und außerdem hatte ich Hunger. Also langte ich kräftig zu. Abwechselnd griff wir in die Dose, bis nichts mehr da war. Dann stellte Papa sie neben den Herd.
"Bringst du mich ins Bett?"
"Ja."
Ich schlief in dieser Nacht wie ein Stein. Als ich am nächsten Morgen aufstand, schliefen Mama und Papa noch. Ich sah zum Herd und bemerkte die Dose, aus der Papa und ich am Abend zuvor die Shrimps gegessen hatten.
Ich schluckte und mußte zweimal hinsehen, um es glauben zu können. Das waren keine Shrimps gewesen, die wir da gegessen hatten, sondern Maden - jene Köder, die wir vergessen hatten mitzunehmen.