Читать книгу Halo - Alfred Broi - Страница 12
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ОглавлениеFrank erwachte durch ein Geräusch, doch vermochte er nicht mehr zu sagen, was genau es gewesen war.
Er registrierte, dass er noch immer auf der linken Seite lag, allerdings spürte er Theresas Körper nicht mehr. Klar, sie ist in der Schule, fiel ihm ein. Als er die Augen öffnete, blickte er im Licht des aufkommenden Tages direkt in das Angesicht von…I-Ah, dem Esel aus den Winnie-Puuh-Geschichten. „Morgen I-Ah!“ sagte er freundlich. Frank hatte ihr dieses Stofftier vor sechs Jahren zu ihrem dritten Geburtstag geschenkt. Theresa war sofort total begeistert von ihm gewesen und fortan war es ihr Lieblingskuscheltier, das zu jeder Zeit überall mit hingeschleppt wurde. Und das sah man dem armen Tier nicht nur an, man roch es auch.
Frank rümpfte die Nase und verzog das Gesicht. „Alter, du stinkst!“ Er drehte sich auf den Rücken, schüttelte sich ein wenig ob des schlechten Geruchs, nahm dann seine Hände und rieb sie bei einem tiefen Atemzug mehrmals über das Gesicht. Dann drehte er sich zurück, rümpfte aber sofort wieder die Nase. „Das ist ja widerlich!“ stöhnte er. „Hast du dir ins Fell gekackt?“ Er griff mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand das linke Ohr des Esels und warf ihn dann auf die Kommode. „Du kommst in die Waschmaschine. Dafür werde ich sorgen!“ Etwas mühselig und mit weiterem Stöhnen wälzte er sich aus dem Bett. Auf der Bettkante sitzend, rieb er sich nochmals übers Gesicht. Er hatte das Gefühl, dass es eindeutig noch zu früh zum Aufstehen war. Da er aber keine eigene Uhr besaß, vermochte er nicht zu sagen, wie spät es war. Der Helligkeit nach zu urteilen konnte es schon nach Mittag sein, aber ebenso gut auch erst gegen Acht.
Da Frank jedoch das Bedürfnis verspürte, Wasser zu lassen, stand er auf und schlurfte mit kleinen Augen aus dem Zimmer durch den Flur zur Toilette. Dabei kam er am Wohnzimmer vorbei. Es war leer, doch bereits aufgeräumt. Bevor er das Badezimmer betrat, hörte er durch die angelehnte Küchentür leise Stimmen. Er erkannte sofort seine Schwester und Theresa. Sie unterhielten sich über etwas, dass ihnen Spaß zu machen schien, denn sie kicherten immer mal wieder. Ich bin also doch viel zu früh wach, erkannte er angesäuert, doch hatte er jetzt keine Zeit, zu ihnen zu gehen. Der Druck auf seine Blase wurde immer größer.
Zwei Minuten später stand er wieder im Flur. Für einen Moment hegte er die Absicht, in die Küche zu gehen, aber eigentlich war er auch noch müde. Also schlurfte er zurück in sein Zimmer, doch als auf dem Weg zum Bett sein Blick auf den Stuhl fiel, erschrak er derbe und blieb abrupt stehen, denn seine Sachen waren verschwunden!
„Was?“ stieß er hervor, wirbelte nervös herum und stürzte in die Küche. „Kate!“ rief er sofort und starrte seine Schwester mit großen Augen an.
Die beiden Frauen in der Küche blickten irritiert zurück. Kate hatte ihren cremefarbenen Frotteebademantel an, Theresa saß im Schlafanzug am Küchentisch. Seine Schwester war gerade dabei, sich eine Tasse Kaffee einzugießen und stand daher an der Kaffeemaschine. Auf dem Küchentisch war alles für ein Frühstück gedeckt worden.
Als Frank hereingestürmt kam, hielt Kate inne und schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Das bin ich!“
„Hallo Onkel Frank!“ rief Theresa mit einem Lächeln, beschäftigte sich dann aber wieder mit dem Buch, das auf dem Tisch lag.
„Was…?“ Frank war sichtlich nervös und reagierte nicht auf seine Nichte. „Wo..?“ Er musste einmal durchatmen. „Wo sind meine Sachen?“
Kate sah ihn mit ernster Miene an. „Guten Morgen, liebe Schwester…!“ Sie schürzte die Lippen. …und: In der Waschmaschine!“
„Was?“ Frank war augenblicklich entsetzt. „Aber…warum?“
„Weil ich den ganzen Tag nicht weiß, was ich mit mir anfangen soll und deshalb zum Wäschejunkie mutiert bin!“ erwiderte seine Schwester trocken und ein wenig gereizt.
„Was?“ Franks Augen wurden immer größer.
„Weil ich eine Kleiderpsychopathin bin?“ Kate sah ihn beinahe schon mitleidig an.
„Ist alles okay, Onkel Frank?“ fragte Theresa mit besorgtem Blick.
„Ich…!“
„Weil sie dreckig waren, Brüderchen!“ Kate lächelte mit verzogenen Mundwinkeln, trat zu ihm und küsste ihn auf die Wange. „Was dachtest du denn?“
„Aber, ich…!“ Er atmete tief durch. „Du hättest mich vorher fragen können!“
„Mom sagt, du warst schwer beschäftigt!“ Theresa grinste breit.
„Womit?“
„Waldarbeit!“
„Was?“ Frank sah seine Nichte entgeistert an.
„Schnarchen!“ erklärte Kate und grinste jetzt ebenfalls.
„Aber in meiner Hose…!“
„In deiner schmutzigen Hose!“ verbesserte ihn Theresa.
Franks Augen wurden plötzlich zu Schlitzen und während sich sein Blick verdunkelte, machte er einen Schritt auf seine Nichte zu. „Rede du nicht von dreckigen Sachen. Dein Esel riecht, als hätte er sich ins Fell gekackt, hör mal!“ Theresa sah ihn erschrocken an. „Der kommt definitiv in die nächste Maschine!“
Jetzt war seine Nichte echt entsetzt. „Was? Aber…! Nein, das geht nicht! Niemals! Mom?“ Sie schaute ihre Mutter hilfesuchend an.
Kate verdrehte nur stöhnend die Augen. „Ihr seid wie Hund und Katze!“ rief sie. „Aber jetzt ist Ruhe! Theresa?“ Sie wartete, bis ihre Tochter sie wieder ansah. „Frank hat Recht! I-Ah muss in die Wäsche. Die nächste Runde ist seine!“ Sie sah ihre Tochter mit großen Augen an, bis diese widerstrebend nickte. Dabei warf sie ihrem Onkel einen bösen Blick zu, der daraufhin mit breitem Grinsen sein Kinn vorschob. „Und du Frank!“ Kate sah ihren Bruder mit ernster Miene an. „Du trägst deine Sachen zu lange. So bekomme ich bestimmte Flecken nur noch sehr schwer raus!“ Frank verlor sein Grinsen und blickte beschämt. „Und wenn du auf den Umschlag in der Hosentasche anspielst…!“ Sie sah wie er plötzlich seine Augen aufriss. Daraufhin öffnete sie einen der Hängeschränke und holte den weißen Umschlag, den Arturo ihm gestern gegeben hatte und auf dem sein Name mit schwarzer Tinte geschrieben stand, heraus. „Den habe ich natürlich vorher rausgenommen!“ Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu und schüttelte mit verzogenen Mundwinkeln den Kopf, während sie ihm den Umschlag reichte. Frank war sofort sichtlich erleichtert und riss ihn ihr förmlich aus der Hand. „Hat das eine Frau geschrieben?“ fragte seine Schwester neugierig.
Frank war jedoch so fixiert auf den Umschlag, dass er ihre Frage nur am Rande registrierte. „Was?“
„Deinen Namen!“ Kate deutete mit dem Kopf auf den Umschlag. „Hat das eine Frau geschrieben?“
Frank schaute seine Schwester verblüfft an. Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht. Aber eigentlich war er immer davon ausgegangen, dass Arturo ihre Namen auf die Umschläge schrieb.
„Also ich finde, dass ist eine weibliche Handschrift!“ Kate nickte zur Selbstbestätigung und ein sanftes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Dabei drehte sie sich zu Theresa und zwinkerte ihr zu, woraufhin auch das junge Mädchen lächeln musste.
„Das…!“ Arturo und feminin? Plötzlich lächelte Frank geheimnisvoll. „Ja, du hast Recht!“
„Oh!“ Kate war sichtlich überrascht. „Wow!“ Sie zog die Augenbrauen in die Höhe.
„Du hast einen Liebesbrief bekommen?“ stieß Theresa hervor und schaute ihren Onkel mit großen Augen beinahe geschockt an.
„Was?“ Franks Lächeln wurde zu einem verzogenen Grinsen. „Nein!“ Er schüttelte den Kopf und prustete die Luft aus den Lungen. „Blödsinn!“
Doch so jung seine Nichte auch noch war, sie durchschaute ihn sofort. Ihr Blick wurde ernst und musternd. „Hast du doch!“ beharrte sie und grinste dann über beide Ohren. „Hast du doch!“
„Also wirklich!“ Frank spielte den Ertappten, um von der Wahrheit abzulenken. „Mädels, man kann aber auch nichts vor euch geheim halten!“ Er wirkte beeindruckt.
Kate und Theresa grinsten sich breit an.
„Wir lieben dich und gönnen dir das!“ sagte seine Schwester und seine Nichte nickte dazu.
„Das weiß ich!“ Frank lächelte. „Aber eigentlich ist das gar kein Liebensbrief, sondern nur…eine Einladung zu…einer Party!“ Ihm fiel das Treffen mit di Maria ein. „Morgen Abend!“
„Aha!“ Kate zog die Augenbrauen in die Höhe und nickte.
„Aber sie ist süß!“ fügte Frank sofort hinzu. „Und ich wäre nicht abgeneigt!“
„Na dann…!“ Kate grinste wieder und schaute zu ihrer Tochter. „…wünschen wir dir alles Gute dafür!“
„Klar!“ bestätigte Theresa trocken. „Lass krachen, Onkel Frank!“
Daraufhin erschallte von den beiden Erwachsenen einvernehmlich lautes Gelächter.
„Alles klar!“ rief Frank. „Ich geh mich dann erst mal anziehen!“ Und damit verließ er die Küche.
Anziehen war in diesem Fall jedoch nicht ganz richtig, denn Franks erster Weg war erneut das Badezimmer, wo er seinen Körper zunächst einer Dusche unterzog. Da er sich immer noch müde und matt fühlte, aber keine Lust mehr auf Schlaf hatte, sollte eine vernünftige Handvoll Wasser Erfrischung bringen.
Das tat sie auch und Frank fühlte sich danach gleich um einiges wohler.
Wieder in seinem Zimmer zog er sich frische Wäsche an und verstaute den Umschlag dann sicher in seiner Jackentasche.
Hiernach verspürte er Hunger und er beschloss zu frühstücken.
Auf dem Weg zur Küche kam er an Kates Zimmer vorbei. Die Tür war einen Spalt geöffnet und er konnte zufällig seine Schwester darin erkennen. Da er nicht allein sein wollte, wollte er sie fragen, ob sie noch eine Tasse Kaffee mit ihm trinken mochte, doch als er seinen Oberkörper in das Zimmer schob, verschlug es ihm beinahe die Sprache.
Kate war wohl gerade dabei, sich ebenfalls anzuziehen und streifte sich in diesem Moment ihren Pyjama ab. Darunter war sie bis auf einen Slip vollkommen nackt.
Das an sich war jedoch noch nichts Besonderes. Kate und Frank hatten ein inniges Verhältnis und sich gegenseitig schon mehrfach so gesehen. Doch als ihr Bruder sie jetzt so erblickte, erschrak er sichtlich.
Frank wusste, dass Kate eine schöne, nein, sogar eine wunderschöne Frau war und er war immer stolz auf das Aussehen seiner Schwester gewesen. Seinen Geschmack bei Frauen hatte sie unbewusst mitgeprägt. Kate war stets schlank, sportlich aktiv und besaß feste Formen. Ihr Busen füllte eine Männerhand. Auch hatte er durch sie eine Vorliebe für längere Haare entwickelt, ebenso trug Kate gern feminine Kleidung, sodass auch Frank dies bei anderen Frauen mochte.
All das aber war gewesen, bevor Kate erkrankt war. Und so sehr sich diese unglaublich starke Frau auch dagegen wehrte – und Frank sie dafür unendlich bewunderte – so konnte sie die Auswirkungen ihrer Krankheit mit zunehmender Dauer nicht mehr kaschieren.
Anfangs waren diese Veränderungen kaum wahrnehmbar. Obwohl ihr Körper schwächer wurde, trieb sie weiterhin Sport – bis sie es übertrieb und einen Zusammenbruch erlitt. Hiernach war Sport kein Thema mehr, doch das führte dazu, dass der körperliche Verfall schneller zunahm. Mittlerweile hatte Kate ihren gutbezahlten Job bei einer Werbeagentur verloren. Das stürzte sie in ein tiefes Loch, denn neben der Tatsache, dass ihr ein wichtiger Teil ihres Lebensinhalts genommen wurde, machten sich Existenzsorgen für sich und für Theresa breit. Da ihre Eltern früh gestorben waren, war Frank ihr einziger näherer Verwandter. Und Palmer war sich seiner Verantwortung sofort bewusst. Da er seine Schwester wirklich und sehr liebte, war für ihn der Einzug in eine gemeinsame Wohnung eine absolute Selbstverständlichkeit, denn so konnte er sich mit um Theresa kümmern und auch um Kate, wenn die Krankheit wieder einmal einen ihrer tückischen Schübe hatte und ihr aller Leben von einer Sekunde zur nächsten durcheinanderwirbelte.
Kates Zustand beraubte sie aber nicht nur ihres Jobs, sondern nach und nach auch ihrer Freunde – und somit der Männerwelt, die kaum noch Interesse an ihr zeigte. Damit endete dann auch irgendwie Kates feminine Einstellung, denn sie zeigte sich nur noch in Jeans und Sweatshirts oder Pullovern, ließ sich ihre wundervolle Haarpracht abschneiden und benutzte nur noch selten und dann auch nur wenig Make-up.
Zum heutigen Tag war die grausame Diagnose fast fünf Jahre her. Seither gab es ein ständiges Auf und Ab, was Kate Befinden anging. Es gab Zeiten, da fühlte sie sich wohl und es war fast so, als wäre alles Okay. Dann aber tat die Krankheit einen ihrer gefürchteten Schübe und Kate musste ins Krankenhaus gebracht und versorgt werden, wieder zu Kräften kommen, um sich dann auch zuhause noch eine Zeitlang zu schonen, bevor das Leben wieder seinen normalen Gang gehen konnte.
Eines aber blieb seit dem Moment der Diagnose stets vorhanden: Kates Körper zerfiel mit jedem neuen Tag immer mehr und hatte jetzt, da Frank sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einmal nackt sah bereits ein erschreckendes Maß angenommen.
Es war kaum noch Muskelmasse zu sehen und hier und da war ein Knochen oder eine Rippe zu erkennen. Die Festigkeit war aus ihrer Brust gewichen, ihre blasse Haut war ohne Spannkraft und schimmerte gräulich. Gemessen an ihrem wundervollen Körperbau vor der Krankheit war dies ein jammervolles Bild.
„So schlimm?“
Frank erschrak fast noch einmal, als seine Schwester ihn ansprach und dabei direkt ansah. „Was?“ Er versuchte ein Lächeln, was allerdings nur dämlich wirkte. „Nein! Wieso?“ Er war sichtlich verlegen.
Kate atmete einmal tief durch. Dabei wurde ihr Gesichtsausdruck traurig, ernst und niedergeschlagen. „Doch ist es!“ Sie stellte sich direkt vor Frank, breitete ihre Arme etwas aus und drehte sich einmal um die eigene Achse. „Das war mal ein echt geiler Körper, das weißt du!“ Frank lächelte mit einem Nicken. „Jetzt ist das nur noch…bemitleidenswert!“ Kate kräuselte ihre Lippen und schnaubte verächtlich.
„Nein!“ Frank machte sofort einen Schritt auf sie zu. Er hatte seinen Schock überwunden und wusste wieder, was er zu tun hatte. Er trat vor seine Schwester und schloss sie ganz fest in seine Arme. „Ja, du hast nicht mehr den Körper einer jungen Frau. Das ist richtig! Aber du bist viel mehr, als nur ein geiler Arsch und stramme Titten. Tatsächlich…!“ Er küsste sie auf die Stirn und drückte sie ein wenig von sich, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. „…kam deine wahre Schönheit stets aus deinem Inneren!“ Er lächelte ihr zu.
Kate schaute ihren Bruder einen Augenblick ausdruckslos an, dann lächelte auch sie. „Danke!“ Sie küsste ihn auf die Wange, doch dann wurde ihr Blick wieder ernst. „Aber das ändert nichts an der Tatsache!“
„Welcher Tatsache?“
„Das es zu Ende geht!“ Kates Blick war derart hoffungslos, dass es Frank fast körperlich wehtat.
„Was? Aber…?“
„Es tut mir leid, Frank!“ Und diese Entschuldigung klang wirklich ernst gemeint.
„Gibt es etwas, dass ich wissen sollte? Hast du mir etwas verheimlicht?“ Frank suchte ihren Blick.
„Nein!“ Sie rang sich ein kurzes Lächeln ab. „Es ist alles, wie immer! Und doch…!“ Sie wurde wieder ernst und traurig. „…auch anders! Es ist ein Gefühl, Frank. Tief in mir, kann ich es spüren. Finsternis! Eine furchtbare Kälte!“ Sie sah ihn direkt an und der Schmerz, den sie bei ihren nächsten Worten empfand, traf ihn selbst wie einen Hammerschlag. „Und Gewissheit!“
„Oh Kate!“ Frank fühlte sich total hilflos. Daher schloss er seine Schwester wieder in seine Arme und hielt sie ganz fest, während er gegen seine Tränen ankämpfte und nach Worten suchte. „Aber du irrst dich!“ sagte er dann und erkannte doch, sobald er die Worte ausgesprochen hatte, dass sie nicht richtig waren.
„Was?“ fragte Kate.
Frank wusste, er durfte seine eigenen Worte jetzt nicht zurücknehmen, wenngleich ihm klar war, dass sie eigentlich kein Fundament besaßen – außer vielleicht dem der Hoffnung, die jedoch so gering war, dass es schon fast wehtat. „Du irrst dich!“ Er schob sie sanft von sich und wartete, bis sich ihre Augen trafen. „Ich fühle etwas anderes in mir!“
Kate lächelte, doch sah man ihr an, dass sie wusste, dass Frank sie nur aufzumuntern versuchte. „Und was?“
„Ich…sehe Licht!“ Verdammt, er verfluchte sich selbst dafür, dass er es zugelassen hatte, Kate jetzt mit dämlichen, falschen und alles andere als wohltuenden Floskeln anzulügen. Plötzlich fiel ihm di Maria ein und das Gespräch, das der Alte mit ihm am Freitag führen wollte. Über die New Yorker Sache! „Ganz klein nur, fast winzig! Aber es ist da!“ Er nickte. „Definitiv!“ Wenn das klappen würde, könnte er auf einen Schlag einen Haufen Geld verdienen. Und dann…STOPP! Frank zwang sich, nicht weiter zu denken.
„Meinst du?“ In Kates Augen flackerte für einen Lidschlag so etwas wie Hoffnung auf. Dennoch klang ihre Stimme erschöpft.
„Ja, das tue ich!“ Frank sah seiner Schwester direkt in die Augen. „Und wir werden nicht zulassen, dass es erlischt. Nicht jetzt schon. Vielleicht in hundert Jahren...!“ Er grinste und Kate musste es ihm gleichtun. „…aber nicht schon bald! Richtig?“ Er sah sie fordernd an.
Seine Schwester schien für einen Augenblick weinen zu wollen, doch dann verhärtete sich ihr Gesichtsausdruck und sie straffte mit einem tiefen Atemzug ihren Körper. „Richtig!“ erwiderte sie mit einem Nicken und wirkte tatsächlich entschlossen. „Aber…!“ sagte sie dann jedoch.
„Nein Kate, kein Aber!“ erwiderte Frank sofort und suchte erneut ihren Blick. „Du bist stark und…!“
„Frank?“ Kate umfasste mit beiden Händen sein Gesicht.
„….mutig und…!“
„Frank?“ sagte sie noch einmal, dann erst verstummte er. „Könntest du mich wieder loslassen, bitte?“ Dabei lächelte sie.
„Was? Warum?“
„Weil ich nackt bin und mir allmählich kalt wird!“
Frank riss die Augenbrauen in die Höhe und schaute an ihr herab. „Natürlich!“ Doch er machte keine Anstalten, sich von ihr zu trennen.
„Außerdem wäre es mir unangenehm, wenn Theresa uns so sehen würde!“
„Stimmt!“ Jetzt machte Frank einen Schritt zurück und nickte dabei. „Das wäre peinlich!“ Er grinste schief.
„Meine Rede!“ stimmte ihm Kate zu.
„Okay, dann lass ich dich jetzt besser mal allein…!“ Er drehte sich zum Ausgang. „…damit du dir was anziehen kannst!“
„Danke!“
An der Tür blieb Frank nochmals stehen. „Eigentlich wollte ich dich auch nur fragen, ob du mit mir noch eine Tasse Kaffee trinken magst!?“
„Klar!“ Kate nickte. „Mach du schon mal, ich komme gleich!“ Doch als ihr Bruder das Zimmer verlassen hatte, sackte ihr Körper quasi wieder in sich zusammen und Kate starrte mit leerem Blick auf einen imaginären Punkt am Boden. Sie liebte ihren Bruder so sehr und sie würde unglaublich gern seinen Optimismus teilen, aber sie hatte ihn nicht belogen oder auch nur übertrieben. Dieses Gefühl in ihr von Dunkelheit und Kälte gab es tatsächlich und gerade jetzt in diesem Moment wurde es wieder etwas größer.
Als Frank in die Küche ging, saß dort noch immer seine Nichte und las in dem Buch vor ihr.
"Was machst du noch hier?", fragte er erstaunt. "Ist heute keine Schule?" An einem Donnerstag? Das kam ihm nicht logisch vor.
"Lehrerkonferenz!" erklärte Theresa lax. "Da haben wir heute und morgen frei!"
Frank nickte brummend. Na dann! Er ging zur Kaffeemaschine, als er sah, dass seine Nichte jetzt ihren Stoffesel im Arm hielt. „Was macht der hier?“ Palmer stoppte ab, deutete auf das Tier und sah Theresa mit großen Augen an.
„Er war einsam und hat nach mir gerufen!“ erwiderte seine Nichte ohne ihn anzusehen.
„Er soll aber in die Waschmaschine!“
„Warum?“ Theresa sah ihn mit großen Augen an.
„Weil er stinkt!“
Seine Nichte war sofort entsetzt und zog das Tier ganz fest an sich. „Tut er gar nicht!“
„Tut er wohl!“ beharrte Frank. „Also mach das jetzt, sonst…!“ Frank wollte die Drohung im Raum stehen lassen.
Doch Theresa musterte ihn zunächst aufmerksam mit geschlitzten Augen, dann grinste sie überlegen. „Sonst was?“
Okay, du hast es nicht anders gewollt. „Sonst...!“ Frank, der sich bisher mit den beiden Kaffeetassen beschäftigt hatte, drehte sich zu ihr um und sah ihr direkt in die Augen. „…schläfst du in Zukunft besser wieder allein!“ Das tat ihm zwar, kaum, dass er es ausgesprochen hatte, auch schon in der Seele weh, weil er wusste, das Theresa nur zu ihm ins Bett kam, weil sie sich ebenso hilflos und traurig in Bezug auf die Krankheit ihrer Mutter, von der sie ganz sicher weitaus mehr mit bekam, als sie alle glaubten, fühlte, wie Frank. Doch blieb er in diesem Fall hart.
Die Reaktion des jungen Mädchens war dann auch anders als erwartet und brachte Frank noch mehr Gewissensbisse. Denn Theresa sah ihn nur eine gefühlte Ewigkeit stumm und mit ausdruckslosem Blick an, bevor er urplötzlich sehr traurig wurde und sie ihn senkte. „Okay!“ sagte sie leise und machte sich daran, I-Ah zu schnappen und aufzustehen.
In diesem Moment aber kam Kate in die Küche. Sofort erkannte sie ihre Tochter und ihre niedergeschlagene Stimmung. „Was ist hier los?“ fragte sie und sah Frank mit großen Augen an.
Frank aber reagierte nicht auf sie, sondern trat zu seiner Nichte, bevor sie vom Stuhl rutschen konnte und kniete sich vor sie. „Theresa warte!“ Er wartete, bis sie ihn ansah. „Ich bin heute fast den ganzen Tag hier. Was hältst du davon, wenn wir deinen Esel nachher zusammen waschen und dabei zusehen, wie er in der Maschine seine Kreise dreht?“
„Wirklich?“ Theresa Blick weichte etwas auf.
Frank nickte. „Klar! Das wird bestimmt lustig! Wir bauen uns eine Bude, trinken dabei Tee und essen Donuts!“ Er grinste breit. „Na, wie hört sich das an?“
„Prima!“ Seine Nichte lächelte ebenfalls und beide umarmten sich mit geschlossenen Augen.
Als Kate das sah, hätte sie am liebsten sofort losgeheult, doch wusste sie, dass sie sich zusammenreißen musste. „Wie ich sehe, können Hund und Katze doch in Frieden leben!“ Sie musste grinsen. „Das gibt Hoffnung für die Welt!“ Sie küsste ihre Tochter auf den Kopf und streichelte Frank die Wange. Dann ging sie zur Anrichte, nahm die beiden Kaffeetassen an sich, reichte eine davon Frank und lehnte sich an den Kühlschrank, während Frank sich setzte und begann, sich eine Scheibe Brot zu schmieren. „Du bist heute zuhause?“ fragte sie schließlich.
Frank nickte. „Ich will nach dem Frühstück nochmal kurz was erledigen. Das dauert eine halbe, maximal eine Stunde. Dann habe ich den ganzen Tag nichts vor!“ Während er sehen konnte, dass Theresa breit grinste, nickte Kate ihm lächelnd zu.
„Das passt sich gut! Ich muss nämlich arbeiten!“
„Okay!“ Frank verzog allerdings die Mundwinkel. „Aber machst du nicht ein bisschen zu viel in letzter Zeit?“
„Ja, aber nur, weil Lydia krank ist! Da müssen wir alle Überstunden schieben!“ Sie machte ein säuerliches Gesicht und atmete einmal tief durch. „Außerdem können wir das Geld gut gebrauchen!“
Frank nickte und verzog dabei die Mundwinkel noch mehr. „Ja, ich weiß!“ Er hob den Kopf und schaute seine Schwester direkt an. „Und es tut mir leid!“
Kate lächelte sofort. „Du bemühst dich, das weiß ich! Und ich bin mir sicher, du wirst bald wieder eine vernünftige Arbeit finden. Dann geht es uns allen auch wieder besser!“
Frank nickte dankbar, während er sich im Inneren fragte, was Kate wohl dazu sagen würde, wenn sie wüsste, dass er sie belog. Doch sofort war ihm klar, dass er hier das Richtige tat, denn der Grund für seine Lüge rechtfertigte das allemal.
„Okay, ich muss in einer Stunde los!“ sagte Kate. „Und habe dann die Schicht bis acht Uhr!“
„Dann sollte ich wohl besser gleich los, was?“ Frank stopfte sich ein großes Stück Brot in den Mund.
„Ach was!“ wehrte Kate aber ab. „Theresa ist es gewohnt, auch allein zu sein!“ Sie sah ihre Tochter an, die daraufhin lächelte. Doch Kates Blick wurde ernst. „Aber ich möchte, dass du nachher ihre Hausaufgaben kontrollierst!“
Ihrer Tochter entglitten beinahe ihre Gesichtszüge. „Aber Mama!“ beschwerte sie sich. „Ich mach das schon. Da braucht mich niemand zu kontrollieren!“
„Das dachte ich auch, Schatz!“ Kate trat zu ihr und lächelte sanft. „Aber ich habe letzte Woche zufällig Ms Simmons getroffen…!“ Das war Theresas Klassenlehrerin. „….und die hat mir leider etwas anderes gesagt!“
Rums! Theresa war sichtlich ertappt. „Das war Mathe! Ehrlich!“ Sie schaute ihre Mutter mit großen Augen an. „Alle anderen Hausaufgaben mache ich immer sehr sorgfältig. Das schwöre ich!“
„Und warum Mathe nicht?“ fragte Frank und konnte sich die Antwort doch schon denken.
„Ich...!“ Seine Nichte wurde unruhig. „Weil…!“ druckste sie herum. „Weil das so schwer ist und….ich es nicht mehr verstehe!“ Ihr Blick wurde traurig.
„Aber, warum sagst du das dann nicht?“ wollte Kate wissen.
„Weil du doch selbst so viel um die Ohren hast! Und ich dachte, ich kriege das irgendwann selbst hin!“
„Was du aber nicht tust!?“
Theresa schüttelte traurig den Kopf.
Daraufhin atmete Kate tief ein, denn es war klar, was das hieß: Nachhilfe – und Kosten!
„Moment mal!“ hob dann aber Frank an und als die beiden Frauen ihn ansahen, sagte er. „Also, soweit ich das noch weiß, habe ich nicht nur eine verdammt hübsche Nichte…!“ Wenn er gehofft hatte, ein Lächeln zu ergattern, hatte er sich getäuscht, denn die beiden sahen ihn nur mit gekräuselter Stirn an. „…sondern auch eine…äußerst…intelligente!“
„Frank!“ ermahnte ihn Kate sofort.
Doch ihr Bruder deutete ihr zu warten. „Also, so wie ich das sehe, kann es sich hier ja sicherlich nur um eine Art Blockade handeln!“
„Blockade?“ fragte Theresa.
„Was für eine Blockade?“ rief auch Kate. „Etwa wie bei einem Schriftsteller?“
„Ja!“ Frank nickte. „Ja, genau. Wie bei einem Schriftsteller. Der hat eine Schreibblockade. Theresa hat eine…!“ Er suchte offensichtlich nach einem passenden Wort. „…Raffblockade!“
„Raff…was?“ Kate sah ihn mit großen Augen an.
„Eine Raffblockade!“ Frank grinste. „Deine Tochter rafft gerade nicht, was in Mathe abgeht!“
„Ja, und?“ Kates Blick wurde etwas ärgerlich.
„Aber doch nicht, weil sie nicht intelligent genug wäre, es zu verstehen, sondern bestimmt nur, weil ihr das der Lehrer…!“
„Lehrerin!“ verbesserte ihn Theresa.
„…Lehrerin nicht richtig erklärt hat!“
„Ach?“ Jetzt schien Kate doch überrascht. „Okay!“ sagte sie jedoch noch wenig überzeugt. „Das lass aber Ms Simmons nicht wissen!“
„Deine Mathelehrerin ist deine Klassenlehrerin?“ Jetzt war Frank überrascht. Theresa jedoch nickte. „Okay!“ Palmer blies die Luft in die Wangen. „Trotzdem..!“
„Und was bringt das jetzt?“ raunte Kate. „Sie versteht es nicht und braucht Jemanden, der es ihr beibringt!“
„Genau!“ Frank grinste breit. „Mich!“
„Dich?“ Kates Augen wurden riesengroß. „Nimm mir das nicht übel, aber…!“
„In Mathe war ich immer ziemlich gut, Schwesterchen!“ unterbrach sie Frank. „Nicht in den anderen Sachen, aber in Mathe schon. Und ich kann es doch wenigstens versuchen, oder?“ Er schaute zunächst Theresa an, die ihm dankend zulächelte und dann seine Schwester. „Wenn es nicht klappt, müssen wir uns halt was anderes überlegen, aber wenn doch, umso besser!“
„Und das würdest du wirklich tun wollen?“ fragte Kate.
„Na klar!“ bestätigte Frank mit einem vehementen Nicken. „Es wäre mir eine Ehre, dieser jungen Dame auf die Sprünge zu helfen!“ Er zwinkerte Theresa zu, die daraufhin grinste.
„Okay!“ meinte Kate nach einem Moment des Überlegens. „Aber ich muss mich darauf verlassen können, dass das jetzt nicht nur blödes Gerede ist!“
Frank sah sie mit ernster Miene an und schüttelte den Kopf. „Ist es nicht!“
„Nein!“ bestätigte auch Theresa mit starrer Miene. „Wir machen das!“
„Also gut! Ihr werdet es ernsthaft versuchen!“ Sie nickte. „So sei es!“
„Genau! Du gehst schön arbeiten und wir machen das! Und wir kümmern uns auch um das Abendessen, okay?“ Er sah seine Nichte fragend an und diese nickte sofort begeistert.
„Mann, das ist ja fast wie Weihnachten!“ stieß Kate mit einem Lächeln hervor und war offensichtlich wieder zufriedengestellt.