Читать книгу Halo - Alfred Broi - Страница 8
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ОглавлениеWie gut Palmers Manöver gelungen war, konnte er nicht sagen, denn nach der Kreuzung zwang er den Porsche schonungslos in die nächste Querstraße auf der rechten Seite, um direkten Nordkurs zu erhalten. Auf dem großen Display aber war zu erkennen, dass die Viper deutlich zurückfiel.
Damit hatten die beiden zumindest für ein paar Augenblicke ein wenig Ruhe.
„Alles klar?“ fragte Frank.
Timothy lachte heiser auf. „Klar! Bis auf die Tatsache, dass du mich beinahe umgebracht hättest!“
„Blödsinn! Ich hatte alles im Griff!“
„Natürlich! Du hast ja auch nicht wie ein Affe über der Reling gehangen!“
„Du kannst das ab! Außerdem hat es funktioniert!“
Dixon verzog die Mundwinkel. „Mit viel Glück!“
„Was beschwerst du dich überhaupt? Hättest du vorher besser agiert, wäre es am Ende nicht so eng geworden!“
Timothy brummte missmutig. „Ich hab mir das Knie verdreht!“ Er rieb sich demonstrativ das linke Bein.
„Du wirst alt!“ Frank grinste leicht.
„Nein, nur etwas nachlässig wie es scheint!“ Timothy verzog das Gesicht vor Schmerzen. „Verdammt!“
„Jetzt hast du es ja hinter dir! Entspann dich, lehn dich zurück, mach ein Nickerchen!“
„Während Mr. Hardcore am Steuer sitzt?“ Timothy musste erneut auflachen. „Vergiss es! Außerdem kommt jetzt auch für mich der angenehme Teil. Da werde ich wohl kaum ein Schläfchen halten!“
Frank lachte heiser auf und schüttelte den Kopf. „Ich weiß zwar nicht, was an einer illegalen Hochgeschwindigkeits-Verfolgungsjagd gegen wildgewordene, geisteskranke Hornochsen so angenehm ist, aber dein Wunsch wird sicher gleich in Erfüllung gehen!“
Damit meinte Frank zwei Teams, die ziemlich direkt aus Norden auf sie zuhielten und keinen Kilometer mehr von ihnen entfernt waren.
Rykers Viper holte im Süden wieder auf, doch stellte sie im Moment zumindest keine akute Gefahr dar. Auch Hal in seinem Ferrari war noch nicht wieder im Spiel, da er zunächst Thomas einsammeln musste, was offensichtlich nicht so einfach schien, da er sich nicht nordwärts bewegte. Doch ohne Runner war für ihn das Rennen schon zu Ende, da er ja nicht im Besitz des Pakets war. Denn um es jetzt noch zu bekommen, würde er wohl oder übel das Fahrzeug verlassen müssen, was er aber nicht tun konnte, weil dann der Motor verstummen würde.
Frank hoffte, dass die Wiedervereinigung dieses Teams zu spät erfolgen würde, damit er sich nicht mehr mit ihnen herumärgern musste, doch wusste er, dass Hal ein viel zu guter Fahrer war, als dass man ihn einfach abschreiben konnte.
Palmer beschloss, ihn im Auge zu behalten.
Jetzt aber musste er sich auf die beiden anderen Teams aus dem Norden konzentrieren. Während er sich einen Schlachtplan zu Recht legte, sah er, wie Timothy die ihnen zur Verfügung stehenden Waffen auf seinem Schoss sammelte.
Das war auch gut so, denn letztlich würde sein Runner sie betätigen müssen und es war sehr oft eine sehr spontane, situationsabhängige Entscheidung, welche zum Einsatz kommen konnte.
Dabei war Frank ein unbedingter Befürworter für den Einsatz der Waffen. Schließlich waren sie dafür gedacht, um ihnen zu helfen, also sollte man sie auch nutzen. Es gab andere Fahrer, die versuchten, keine oder nur wenige Waffen zu gebrauchen und sich damit sogar brüsteten, doch das waren in Franks Augen einfach nur Aufschneider. Am Ende zählte nur der Sieg und ob er nun mit allen Hilfsmitteln oder keinem gelungen war, interessierte ihn wirklich nicht die Bohne. Wichtig war einzig der Lohn für ihre Mühen.
Und Frank hatte nicht vor, ihn sich streitig machen zu lassen.
Zunächst warf er einen genaueren Blick auf ihr Ziel und musste feststellen, dass es doch nicht so weit entfernt lag, wie er anfangs gedacht hatte.
Hillside Pines hieß der Stadtteil, in dem es blinkte. Er lag ziemlich genau im Norden und war etwa dreißig Kilometer entfernt.
Um ein Zusammentreffen mit den anderen Teams so lange wie möglich zu vermeiden – einen beständigen Battle über diese Distanz konnte niemand durchhalten – war es wichtig, so schnell als möglich einen Highway zu erreichen. Also bog er an der nächsten Kreuzung auf die SW 8.th Street ab, die direkt nach Westen führte. Sie war groß und breit und aufgrund des relativ geringen Verkehrsaufkommens war das Risiko einer Behinderung gering. Nach ein paar Kilometern konnten sie dann die Auffahrt auf den Barnetta Expressway nehmen. Dort waren die unterschiedlichen Fahrtrichtungen durch eine Mittelleitplanke voneinander getrennt. Ihre Verfolger konnten sich ihnen dort also nur noch von hinten nähern und mit dem Porsche verfügte Palmer über ein Fahrzeug, mit dem er sie durchaus auf Distanz halten konnte.
Einzig die Tatsache, dass er sich jetzt nicht mehr an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten konnte, war ein echtes Problem, denn natürlich gab es in den Straßen von Capitol City jede Menge Cops und zumindest einige von ihnen waren wirklich ausgezeichnete Fahrer.
Doch sie sollten Glück haben.
Während sie sich der Auffahrt zum Expressway sehr schnell näherten, war keine Streife in Sicht und auch ihre Verfolger kamen nicht nennenswert näher.
Als sie den Expressway erreicht hatten, beschleunigte Palmer nochmals und ließ den Porsche mit satten zweihundert Stundenkilometern über den Asphalt rauschen. Etwa einen Kilometer hinter ihm konnte er die beiden Verfolger aus dem Norden und auch Ryker ausmachen. Von Osten her näherten sich zwei weitere Fahrzeuge und würden sicherlich bald eine andere Auffahrt finden, um sich hinter ihn zu setzen. Die restlichen vier Verfolger waren bereits so weit im Norden gewesen, dass sie Direktkurs auf Hillside Pines hielten, um ihnen nach dem Verlassen des Expressway entgegenzutreten.
Bis dahin aber musste Frank einfach nur schnell sein.
Und das war er auch. Mittlerweile zeigte die Tachonadel zweihundertfünfzig Stundenkilometer. Die Stadt flog förmlich an ihnen vorbei. Den Flughafen hatten sie längst hinter sich gelassen und gelangten zur Abzweigung auf die Interstate 75. Doch Palmer musste feststellen, dass es für sie keine Ausfahrt nach Nordwesten gab, lediglich direkt nach Osten. Das war jedoch nicht hilfreich. Also beschloss er, dem Expressway weiter zu folgen, wenngleich auch dieser kurz darauf direkt nach Osten abbog. Hier aber kreuzte er alsbald den Global Turnpike, der nach Norden abzweigte.
Frank hielt diese Route für eine gute Idee.
Doch kaum hatte er die Abfahrt zur Interstate 75 hinter sich gelassen, tauchte urplötzlich ein Streifenwagen vor ihnen auf.
Jetzt hieß es kühlen Kopf bewahren.
Frank drosselte augenblicklich die Geschwindigkeit auf achtzig Stundenkilometer. Er hatte Glück, dass so wenig Verkehr war, dass er den Streifenwagen früh genug gesehen hatte, sodass er trotz Bremsmanöver nicht an ihm vorbeischoss, sondern sich gerade noch dahinter halten konnte. Allerdings würde dies natürlich nicht so bleiben können, denn ihre Verfolger kamen schnell näher. Wenn sie nahe genug heran waren, würde sicherlich mindestens einem von ihnen ein unauffälliger Schuss gelingen, der den Porsche ausschaltete, ohne dass die Bullen darauf aufmerksam werden würden.
Hier zu verharren war also absolut keine Option, allerdings konnte der richtige Moment zum Durchstarten ihnen auch Möglichkeiten eröffnen.
In Gedanken hatte Palmer sich auch schon einen Plan zurechtgelegt. Zu diesem Zweck verkürzte er die Distanz zum Streifenwagen auf ein unauffälliges Maß und hielt sich direkt hinter ihm.
Ob die beiden Cops ihn schon registriert hatten, war nicht zu erkennen – und nur wenige Sekunden später auch vollkommen belanglos. Denn zu diesem Zeitpunkt rauschten die beiden Teams, die Frank anhand ihrer Farbsignale noch nicht zuordnen konnte, mit Vollgas hinter ihnen heran. Einzig Ryker hielt sich etwas zurück – ganz offensichtlich erahnte er, dass Palmer sich in der Nähe einer Polizeistreife aufhielt.
Nicht so aber die beiden anderen Fahrzeuge. Und genau darauf hatte Frank gehofft. Denn sobald sie in Schlagdistanz waren, trat er das Gaspedal ganz durch. Der Porsche reagierte augenblicklich, wurde förmlich nach vorn gerissen und presste die beiden Insassen vehement in ihre Sitze. Einen Augenblick später riss Palmer das Lenkrad nach links und überholte den Streifenwagen in äußerst geringer Entfernung. Das alles ging so schnell, dass die beiden Beamten zu Beginn nicht wirklich wussten, wie ihnen geschah und einfach nur mit großen, entsetzen Augen auf den vorbeirauschenden Sportwagen starrten. Der Fahrer aber schien durchaus kompetent und beschleunigte fast augenblicklich. Da Streifenwagen sehr stark motorisiert sind, gewann er schnell an Geschwindigkeit.
Frank warf einen Blick auf das Display und erkannte, dass die beiden anderen Teams sich dem Streifenwagen von der anderen Seite näherten, weil sie wohl annahmen, dass dieser womöglich nach links ausscheren und einen Unfall mit dem Porsche provozieren würde, um ihn zu stoppen oder falls das nicht funktionieren würde, weil Palmer schlicht zu schnell war, hatten sie auf der rechten Seite zumindest freie Fahrt zum Überholen, weil die Aufmerksamkeit der Polizisten ja auf die andere Seite gerichtet war.
Exakt darauf hatte Frank gehofft. Genau im richtigen Moment riss er das Steuer nach rechts und schoss weniger als einen Meter vor dem Streifenwagen zur anderen Straßenseite. Geschockt über diese Aktion des offensichtlich geisteskranken Porschefahrers, riss der Beamte das Steuer ebenfalls ruckartig nach rechts, um einem gefährlichen Zusammenstoß zu vermeiden.
Das gelang ihm auch, allerdings kam seine unerwartete Lenkbewegung für das vordere der beiden Teams derart überraschend, dass der Driver nicht mehr ausweichen konnte und seitlich in den Streifenwagen donnerte. Metall jaulte auf, Bremsen quietschen, doch bohrte sich der orangefarbene BMW M3 wuchtig in die Beifahrerseite. Der Officer versuchte mit einer Lenkbewegung nach links aus der Gefahrenzone zu gelangen, doch dort befand sich zu diesem Zeitpunkt der dunkelgrüne Ford Mustang des zweiten Teams, dessen Fahrer dem Unfall mit einer ruckartigen Lenkbewegung auf diese Weise entgehen wollte. Zwangsläufig kam es auch hier zum Kontakt, der für beide hart und endgültig in der Mittelleitplanke endete.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Frank den Porsche wieder sanft auf die Mittelspur bugsiert. Bei einem Blick in den Rückspiegel konnte er erkennen, dass die Cops nur mit dem Schrecken davongekommen, alle drei beteiligten Fahrzeuge aber fahruntüchtig waren. Das zauberte ihm ein breites Grinsen auf die Lippen, das auch noch anhielt, als er Rykers Viper erkennen konnte, die die Unfallstelle in sicherer Entfernung passierte, um dann hart zu beschleunigen.
Zwei Gegner weniger, das war besser gelaufen, als er erhofft hatte und gab Auftrieb für die nächsten Minuten.
Die scharfe Rechtskurve unmittelbar hinter der Abfahrt zur Interstate 75 nahm er gekonnt mit Vollgas und driftendem Heck.
Unmittelbar dahinter erhöhte sich das Verkehrsaufkommen etwas. Frank erkannte den Streifenwagen auf der Mittelspur sofort, doch dieses Mal blieb er im Tiefflugmodus. Mit fast zweihundert Stundenkilometern fegte er auf der äußeren Spur dahin und war längst außer Reichweite, als die Beamten ihn registrierten. Natürlich aber reagierten sie und nahmen die Verfolgung auf. Da Ryker sie zu diesem Zeitpunkt gerade ebenfalls überholte, hatte er sofort ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Palmer hatte sie zwar aufgescheucht, doch Ryker jetzt das Problem am Heck.
Es konnte fast nicht besser laufen.
Doch dann sollte sich das Blatt wenden.
Kurz bevor sie das weiträumige und weitverzweigte Verbindungskreuz von Barnetta Expressway und Global Turnpike erreichten gab es eine letzte Auffahrt auf den Expressway.
Und genau an dieser Stelle schossen zwei weitere Teams heran.
Das heißt, eigentlich ging Frank davon aus, dass es nur ein Team sei, denn natürlich hatte er das Manöver ihrer Gegner schon auf dem Display verfolgt. Dort konnte er anfangs auch zwei Signale erkennen. Doch waren sie so dicht beieinander, dass sie sich nahezu komplett überlagerten. Als Palmer dann kurz vor der Auffahrt nur noch ein Signal erkannte, ging er davon aus, dass sein Empfangsgerät eine Störung gehabt hatte, was nicht unüblich war.
Innerlich stellte er sich daher auf ein seitlich heranbrausendes Team ein.
Doch kaum sah er den schneeweißen Lamborghini neben sich auftauchen, wurde ihm bewusst, dass er sich nicht getäuscht hatte. Es waren tatsächlich doch zwei Teams gewesen. Das zweite, in einem schwarzen Ferrari, hatte ganz offensichtlich seinen Stealth-Modus aktiviert, um sich ungesehen heranzuschleichen. Damit hatte Palmer nicht gerechnet, denn dieser Modus war die mit Abstand beste Möglichkeit, einem Gegner in Zielnähe zu entkommen und wurde daher eigentlich von allen Fahrern bis zum Schluss zurückgehalten.
Dass ein Team ihn schon hier und jetzt einsetzte kam derart überraschend, dass Frank beinahe nicht richtig reagierte.
Timothy neben ihm hatte gerade die Seitenscheibe heruntergefahren und visierte mit dem Bolzenschussgerät den vorderen linken Reifen des Lamborghini an, als auch er die unerwartete Gefahr erkannte. „Ach du Scheiße!“ rief er entsetzt aus. „Palmer!“
„Ich sehe es!“ erwiderte Frank mit stoischer Ruhe. „Setz du deinen Schuss!“
Das ließ sich Timothy nicht zweimal sagen, visierte an und gab das Projektil frei. Zwar hatte auch der Driver des Lamborghini seine Seitenscheibe heruntergefahren und sie mit der EMP-Waffe anvisiert, doch musste er zielen und fahren, was nicht so einfach war, wie gedacht. Bevor er seinen Schuss setzen konnte, hatte Dixon längst abgedrückt. Der Bolzen pfiff durch die Luft und drang passgenau im vorderen linken Reifen des Lamborghini ein. Die Wirkung war fatal, denn das Fahrzeug geriet sofort ins Schleudern. Zeitgleich löste sich der Schuss aus der EMP-Waffe, doch verfehlte er sein Ziel.
Mittlerweile hatte sich der Ferrari auf der Fahrerseite neben den Porsche gesetzt und Palmer konnte sehen, wie der Runner ihn mit dem Bolzenschussgerät anvisierte. Doch der Kerl zögerte einen Augenblick zu lange mit seinem Schuss und ermöglichte Frank damit die Möglichkeit zu einer entscheidenden Reaktion, die allerdings lediglich darin bestand, kräftig aufs Bremspedal zu treten und das Lenkrad nach rechts zu reißen, wo er auf die Abfahrt vom Expressway zuhielt. Dennoch war die Wirkung auch hier fatal, denn der Schuss aus der EMP-Waffe des Lamborghini schoss über die Motorhaube des Porsche hinweg und traf den Ferrari seitlich an der Beifahrertür. Augenblicklich zuckten etliche Lichtblitze über die Karosserie wie statische Entladungen und zerstörten jegliche Elektrik. Während der Ferrari deutlich an Geschwindigkeit verlor, rauschte der Porsche hinter dem Lamborghini, dessen Driver mit verzerrtem Gesicht versuchte, dass Fahrzeug unter Kontrolle zu halten, vom Expressway.
Für einen Moment war Palmer etwas verärgert, weil er nicht schnell genug reagiert hatte. Das Verlassen des Expressway sollte ihn vom Lamborghini und dem Ferrari trennen, doch jetzt, wo klar war, dass beide Fahrzeuge aus dem Rennen sein würden, hätte er seine ursprüngliche Route beibehalten können. Doch wer hätte das auch schon erahnen können?
In der ersten Sekunde war Palmer versucht, tatsächlich in die Stadt hinein zu fahren, doch dann entschied er sich dagegen. Es war besser, den Vorteil einer Umgehungsstraße zu nutzen, solange es möglich war. Also beschleunigte er den Porsche wieder und konnte im Rückspiegel gerade noch Rykers Viper erkennen, bevor er in den nächsten Sekunden dann alle Hände voll zu tun hatte, um ihn mit quietschenden Reifen und driftendem Heck durch einige enge Kurven und weiteren Auf- und Abfahrten in dem verwirrenden Autobahnkreuz auf den Global Turnpike Richtung Norden zu bringen.
Nachdem das gelungen war, sondierte Frank auf dem Display die Positionen ihrer verbliebenen Gegner. Knapp hinter ihnen befand sich noch immer Ryker. Etwa fünf Kilometer voraus konnte er zwei weitere Signale direkt auf dem Turnpike erkennen. Offensichtlich erwartete man ihn dort bereits und wollte sich an ihn dranhängen, bevor er die Straße verlassen musste, um ihn im engen Straßengewirr von Hillside Pines nicht zu verlieren.
Zwei weitere Signale befanden sich in der Nähe des Zielgebiets. Das war riskant, doch auch nicht dumm. In den Battle eliminierten sich die Teams nacheinander, am Ende würde es vielleicht nur noch eines oder zwei, zumindest aber deutlich weniger geben, als jetzt, die das Zielgebiet überhaupt noch erreichten. Und sich mit weniger Gegnern herumschlagen zu müssen, hatte auch etwas Positives, zumal zusätzlich noch die Chance bestand, dass die Fahrzeuge auf dem Weg dorthin auch noch beschädigt und somit vielleicht nicht mehr voll einsatzfähig waren. Dafür aber reichte eine Unaufmerksamkeit in der Regel schon aus und der Gegner hatte das Ziel doch erreicht.
Mit ihnen aber mussten sie sich im Moment noch nicht beschäftigen und auch nicht mit Hal, dessen Signal Palmer im Süden erkennen konnte. Ganz offensichtlich war er auf dem Johnson-Expressway, der schnurgerade nach Norden führte und auf den Global Turnpike mündete, auf dem sie jetzt gerade fuhren. Das Signal bewegte sich irrsinnig schnell, aber Frank war klar, dass Hals einzige Chance, hier noch ein Wörtchen mitzureden, die war, alles auf eine Karte zu setzen. Doch im Moment drohte von ihm noch keine akute Gefahr. Frank beschloss aber, ihn weiterhin nicht aus den Augen zu verlieren.
Wenig später tauchten die beiden anderen Teams auf dem Turnpike vor ihnen auf. Das war ein kritischer Moment. Frank konnte nicht einfach an ihnen vorbeiziehen. Ihre Fahrzeuge – ein weiterer Porsche (rot) und ein anthrazitfarbener Audi R8 – waren allemal schnell genug, um ihn nicht davonkommen zu lassen. Außerdem dauerte es nur noch wenige Kilometer, bis sie die Abfahrt zum Blair Boulevard erreichen würden, wo Frank den Turnpike verlassen wollte.
Doch mit einem Dreierpack an Verfolgern wollte er nicht in die letzte Spielphase eintreten, denn das hätte ihnen schnell den Kopf gekostet.
Also musste eine Idee her und Frank brauchte nicht lang, um zu wissen, was zu tun war.
Er gab noch mehr Gas und konnte sehen, dass auch die beiden Fahrzeuge vor ihm beschleunigten. Der zweite Porsche fuhr auf der Mittelspur und etwa eine Wagenlänge hinter dem Audi, der R8 zwischen linker und mittlerer Spur. Frank steuerte den Porsche zunächst so, als wollte er auf der linken Spur noch links vorbeisetzen. Doch kurz bevor das jedoch geschehen wäre, riss er das Steuer nach rechts, so als wolle er jetzt auf der rechten Spur überholen, woraufhin auch der Driver des R8 diese Bewegung automatisch mitmachte, um ganz dicht dran zu bleiben. Doch in diesem Moment riss Palmer den Porsche wieder nach links und setzte doch links an dem Audi vorbei, der nicht mehr reagieren konnte. Timothy hatte zu diesem Zeitpunkt das Bolzenschussgerät bereits angesetzt und feuerte einen präzisen, weil nicht sonderlich komplizierten Schuss ab, der den hinteren Reifen auf der Fahrerseite zerfetzte. Während der Audi sofort zurückfiel, trat Palmer für einen kurzen Augenblick die Bremse und riss zeitgleich das Steuer nach rechts herum. Das Heck des Porsche driftete jaulend über den Asphalt und wurde herumgeschleudert. In dem Moment, da das Fahrzeug eine volle hundertachtzig Grad Drehung vollführt hatte, befand es sich auf der Mittelspur und Frank konnte direkt auf den entgegenkommenden Porsche blicken, dessen Insassen ihn mit riesengroßen Augen anstarrten. Während Palmer mit der rechten Hand das Steuer fest umklammerte, schob er seinen linken Arm aus dem geöffneten Seitenfenster. In der Hand hielt er die Waffe mit dem EMP-Geschoss und als er sicher war zu treffen, feuerte er.
Ob er gut gezielt hatte, konnte er jedoch nicht mehr sehen, denn der Porsche schlidderte weiter um seine eigene Achse und auf die rechte Fahrspur. Dort gelang es Frank, das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bringen und mit einem kurzen, aber kräftigen Tritt aufs Gaspedal zu beschleunigen. Im Rückspiegel konnte er zuckende Lichtbögen erkennen, die den anderen Porsche komplett eingehüllt hatten. Sein Schuss hatte sein Ziel also gefunden. Ziemlich zufrieden lenkte Palmer seinen Porsche vom Turnpike auf den Blair Boulevard.
Direkt nach der Abfahrt kreuzte der Boulevard in Ost-West-Richtung. Frank musste jetzt schnell reagieren, denn natürlich wollte er so wenig Geschwindigkeit, als möglich, beim Abbiegen einbüßen. Das aber war alles andere als einfach, denn der Verkehr war hier überraschenderweise doch recht dicht. Nur in einem nahezu perfekten Zusammenspiel von Gas, Bremse und Kupplung gelang es ihm, ohne Kollision messerscharf an den anderen Verkehrsteilnehmern vorbei zu schliddern und dabei nur wenig langsamer zu werden.
Als sie die Kreuzung hinter sich gelassen hatten und wieder beschleunigen konnten, warf Frank einen Blick in den Rückspiegel und konnte sehen, dass Ryker weniger Glück hatte. Nur mit einer Vollbremsung konnte er einem Unfall entgehen und damit hatte er den Anschluss an Palmer erst einmal verloren.
Dem Ziel so nahe und dem Sieg doch noch so fern.
Bis zur Abfahrt auf die North Dexter Road, die sie erneut direkt nach Norden führen würde, hatten Frank und Timothy freie Fahrt.
Sobald sie diese aber erreichten, näherten sich ihnen die beiden Teams, die in Zielnähe gelauert hatten. Da niemand sich dem Ziel weiter als bis auf einen Kilometer nähern durfte, solange das Paket diese Zone nicht unterschritten hatte, damit sich die Teams, die nicht im Besitz des Pakets waren nicht quasi einfach vor das Ziel stellen und abwarten konnten, mussten sie die Entscheidung jetzt suchen.
Doch Palmer und Dixon hatten einen entscheidenden Vorteil: Sie hatten ihren Stealth-Modus bisher noch nicht aktiviert.
Mit der richtigen Taktik würden ihnen diese sechzig Sekunden Unsichtbarkeit den Sieg bringen.
Und Frank wollte genau das auch tun.
Zu diesem Zweck beschleunigte er auf der North Dexter Road. In Gedanken hatte er sich den Weg zum Ziel schon zu recht gelegt. Einzig ihre Gegner mussten ein wenig mitspielen – was sie auch taten.
Die erste Querstraße war die River Street, die zweite hieß Douglas Street. Die beiden anderen Teams waren schlau und hielten sich nördlich der Douglas Street. Frank wusste, sie würden diese nicht eher überqueren, bevor sie ihrerseits nicht die River Street überquerten.
Den Gefallen tat Frank ihnen dann auch, doch kaum hatte er die Kreuzung hinter sich gelassen, betätigte er den Schalter für den Stealth-Modus und riss zeitgleich das Steuer herum, sodass der Porsche quasi auf der Stelle wendete. In den ihnen jetzt verbleibenden sechzig Sekunden Unsichtbarkeit würde er zurück zur Kreuzung rasen, dort nach Osten abbiegen, nach fünfhundert Metern in eine kleine Nebenstraße, die ihn schnurgerade zurück nach Norden führen würde, über die Douglas Street hinaus bis fast zur nächsten Querstraße, der Shannon Street, die direkt an das Zielgebiet grenzte. Mit etwas Glück würde er dort ankommen, bevor die Zeit um war.
Doch sie sollten Pech haben.
Denn kaum hatte der Porsche seine Wendung vollzogen, ertönt ein schriller Piepton aus dem Armaturenbrett, der anzeigte, dass der Stealth-Modus eine Fehlfunktion hatte.
Damit war der wundervolle Plan schon im Ansatz gescheitert.
„Mist!“ stieß Palmer hervor.
„Frank, verdammt…?“ motzte Dixon, doch klang seine Stimme eher entsetzt, denn böse.
„Fehlfunktion!“ erwiderte Palmer. „Fuck!“
„Und jetzt?“ Timothy sah seinen Partner mit großen, entsetzten Augen an.
Frank brummte, schürzte die Lippen, dann atmete er tief durch. „Plan B!“
„Plan B?“ schrie Dixon auf. „So was hast du?“
„Arschloch!“ entgegnete Palmer, doch konzentrierte er sich sogleich wieder auf die Sache. Die Elektronik, die er mit schwacher Hoffnung gleich nochmals, allerdings erneut erfolglos, betätigte, machte ihm einen derben Strich durch die Rechnung. Dadurch war auch seine geplante Route nicht gut, denn sie bot viel zu viele Nebenwege, durch die der Feind zu ihnen stoßen konnte. Nein, nach Osten zu fahren war jetzt dumm.
Also nach Westen.
Instinktiv lenkte Palmer den Porsche in diese Richtung in die River Street. Damit blieben sie zumindest in Bewegung, doch ihr Problem war damit natürlich nicht gelöst. Wie also lautete Plan B? Er warf einen kurzen Blick auf das Display und schon hatte er etwas Interessantes gesichtet. Wenn er jetzt da hinein und dann da lang und dann…!? Könnte klappen, aber er würde Timothys Hilfe brauchen. „Mach dich bereit!“
„Bereit?“ Dixon verstand natürlich nur Bahnhof. „Wofür?“
„Auszusteigen!“
Die beiden Teams, die Frank und Timothy jagten, bestanden aus einem schwarzen BMW M3 und einem dunkelroten Camaro. Sie hatten einen Nichtangriffspakt geschlossen, der erst enden sollte, wenn einer von ihnen im Besitz des Pakets sein würde. Bis dahin wollten sie zusammenarbeiten.
Als sie erkannten, dass der Porsche sich ihnen näherte, blieben sie noch relativ untätig, um zu sehen, was er tat. Sein abruptes Wendemanöver konnten sie sich dann nicht erklären, doch war klar, dass sie ihm folgen mussten.
Es wurde also ausgemacht, dass der BMW den Porsche von Norden her angreifen sollte, während ihm der Camaro nach Westen folgte.
Kaum hatte er jedoch die River Street erreicht, bog der Porsche unvermittelt nach Norden ab. Das Display zeigte hier aber keine richtige Straße, sondern mehr einen schmalen Feldweg, der noch dazu in nahezu regemäßigen Schlangenlinien verlief und alles andere als zum Rasen einlud.
Zum wiederholten Male fragte sich der Driver des Camaro, warum Palmer nicht den Stealth-Modus aktivierte, doch schon im nächsten Moment war er noch mehr überrascht, als er erkennen konnte, dass sich der Porsche urplötzlich nicht mehr bewegte.
Mit Vollgas donnerte der Camaro zu der Abzweigung, dann bremste der Driver hart ab und fuhr in den Feldweg. Der Untergrund aus Schotter war zwar befestigt, dennoch wäre hier niemand freiwillig hinein gefahren, wenn er eine Wahl gehabt hätte. Auf dem Display erkannte der Driver, dass sich der BMW von Nordosten her näherte und die Einfahrt in diesen Feldweg, der überraschenderweise bis hinauf zur Douglas Street verlief, gleich erreichen würde.
Ein weiteres Signal – Rykers Viper – vernahm er auf dem Blair Boulevard/Ecke North Dexter Road, doch würde dieses Team nicht mehr rechtzeitig hier sein.
Dann war der Camaro soweit vorgedrungen, dass er nach einem kurzen, geraden Stück, zwei Links- und eine Rechtskurve hinter sich gebracht hatte, bevor der Driver abrupt auf die Bremse trat.
Entlang des Feldweges gab es keinerlei Beleuchtung, lediglich von den Gärten rechts und links von ihm drang spärliches Licht hier herüber. Dennoch konnte der Driver den Porsche nur zu gut erkennen. Er stand in der Tat ohne Beleuchtung mitten in der nächsten Rechtskurve – und aus dem Heck stieg dicker Qualm auf!
Der Driver fuhr langsam näher. Als die Scheinwerfer den Porsche erfassten, konnte er sehen, dass beide Seitentüren geöffnet waren. Im Cockpit schien niemand mehr zu sein. Alles sah danach aus, dass der Wagen einen Motorschaden hatte und die Insassen sich in Sicherheit gebracht hatten. Aber das konnte natürlich auch eine Finte sein, zumal der Driver jetzt doch Palmer entdecken konnte, der sich gerade kraftlos aus der Tür zu Boden fallen ließ. Was zum Teufel war hier passiert?
„Geh und check das!“ befahl er seinem Runner, der ihn im ersten Moment überrascht ansah, dann aber die Beifahrertür öffnete. Zumindest wollte er das, denn gerade als er sie aufdrückte, wurde sie von der anderen Seite wieder ins Schloss geworfen und eine dunkle Gestalt trat an das Beifahrerfenster.
„N´Abend Jungs!“ begrüßte sie Timothy mit einem freundlichen Lächeln. „Zeit zum Schlafen!“ Und mit diesen Worten warf er ihnen eine bereits entsicherte Betäubungsgranate hinter die Sitze, die ihren Inhalt innerhalb eines Lidschlags komplett im Innenraum verteilt hatte, sodass jeglicher Versuch, sie wieder zu entfernen, kläglich scheiterte. Während Timothy zurück hinter zwei große Bäume am Wegrand hetzte, um sich dort erneut zu verstecken, schliefen seine Kontrahenten alles andere als friedlich ein.
Kaum hatte Dixon wieder Schutz gefunden, tauchten im Norden auch schon die nächsten Lichter auf. Es war der BMW, dessen Driver offensichtlich ebenso überrascht von dem Anblick war, wie der andere, und das Fahrzeug in den Stand bremste. Während Timothy im Schutz der Dunkelheit hinter das Fahrzeug rannte, konnte er erkennen, dass der Fahrer etwas zu seinem Runner sagte, woraufhin der ausstieg.
Scheiße, zuckte es Dixon durch das Gehirn. Das ging zu schnell. Jetzt musste er improvisieren. Sofort stürmte er los und rannte zur Beifahrertür, die der andere Runner gerade zugeworfen hatte. „Hey!“ rief er. Kaum hatte sich der Kerl, der sich jetzt etwa in Höhe des Vorderreifens befand, herumgedreht, warf Timothy ihm die zweite Betäubungsgranate zu. Sein Gegenüber war derart perplex, ihn zu sehen, dass er sie erschrocken und mit großen Augen auffing. Doch das war ein Fehler. Timothy war mit wenigen schnellen Schritten bei ihm und verpasste ihm ohne zu zögern eine knallharte Rechte in den Magen und dann einen harten Faustschlag ins Gesicht. Während der Runner mit einem erstickten Schrei zu Boden ging, riss ihm Timothy die Granate aus den Händen, entschärfte sie und warf sie mit den Worten „Schlaf schön!“ in das Innere des BMW.
Obwohl der Driver die Situation sofort erkannt und auch blitzschnell reagiert hatte, brauchte der deutsche Sportwagen doch eine halbe Sekunde, bevor er die Motorkraft auf den Feldweg brachte und sich mit durchdrehenden Reifen nach vorn zerrte. Das war zu lang, denn schon eine weitere Sekunde später war der Innenraum eingehüllt mit Betäubungsgas. Plötzlich schoss der BMW auf die angrenzende Wiese, das jaulende Motorgeräusch erstarb und der Sportwagen rollte fast schon gemächlich in den nächstbesten Garten eines Einfamilienhauses.
Timothy tat einen inneren Aufschrei und rannte zurück zum Porsche. Dabei war er sehr zufrieden, dass ihre Finte funktioniert hatte. Denn natürlich war ihr Fahrzeug noch vollkommen intakt, den Qualm hatte Frank mit der letzten Rauchgranate erzeugt. Da er anfangs das Gefühl hatte, das würde noch nicht reichen, hatte er sich dann einfach aus dem Wagen fallen lassen.
Allerdings – und Timothy war sofort extrem entsetzt, als er sah, dass Palmer offensichtlich von allen guten Geistern verlassen war, als er sich wieder aufrichten wollte – hatte er einen Fuß am Chassis des Wagens belassen.
Das war überlebenswichtig!
Der Driver durfte das Fahrzeug nicht verlassen und er hatte es definitiv verlassen, wenn er keinerlei Körperkontakt mehr zu ihm hatte.
Bisher war das Franks rechter Fuß gewesen, der auf dem Türholm lag, doch Dixon musste beinahe hilflos mit ansehen, wie Frank dabei war, ihn dort wegzuziehen, um sich wieder aufzurichten.
Mit einem gewaltigen Sprint hetzte Timothy zur Fahrertür und wuchtete sein rechtes Bein auf Palmers Fuß, bevor die Katastrophe geschehen konnte.
„Hey!“ protestierte der sofort mürrisch. „Was soll denn das?“
„Kleine Vorsichtsmaßnahme!“ erwiderte Timothy mit einem Lächeln und reichte Frank die Hand. Der nahm sie entgegen und ließ sich von seinem Partner auf die Beine ziehen. „Und jetzt wieder hinsetzen, bitte!“
„Mach ich ja!“ brummte Palmer. „Hattest wohl Schiss gehabt, ich verliere den Kontakt zum Wagen, was?“ Er grinste säuerlich.
„Du bist nicht mehr der Jüngste!“ meinte Timothy, während er sich auf den Beifahrersitz setzte. „Da ist der Körper nicht mehr so gelenkig und man hat Probleme, mit dem Hochkommen!“
Wieder brummte Frank, doch hatte er schon den Motor gestartet und lenkte den Porsche nach Norden. „Blödmann, bei mir steht immer noch alles, wie eine Eins!“
„Prima!“ rief Timothy. „Mit einem Steifen über die Ziellinie. Das ist doch mal was!“
„Was?“ Palmer war verwirrt.
„Nicht so wichtig! Gib einfach Gas und mach die Sache klar!“
Frank sah ihn mit etwas unschlüssig an. „Klar!“ erwiderte er dann aber nur, während er den Porsche an das Ende des Feldwegs lenkte, um von dort auf die DouglasStreet nach Osten abzubiegen. „Und dann werde ich dich ganz furchtbar vermöbeln!“
„Was? Wieso?“
„Weil du keinen Respekt vor dem Alter hast!“ erwiderte Palmer trocken. Nach einem kurzen Tritt auf das Gaspedal bremste er wieder ab und lenkte den Wagen nach Norden in die Northwest 95 Avenue. „Und weil du du bist!“
„Na, danke auch!“
Frank warf einen Blick auf das Display und war etwas überrascht, als er ein schwarzes Signal auf der Shannon Street sah, das sich direkt von Osten näherte, aber noch rund einen Kilometer entfernt war.
Er hatte Rykers Viper deutlich näher in Erinnerung. Und eigentlich sollte er doch auch mehr aus dem Süden kommen. War Rykers Signal überhaupt Schwarz?
Die Antwort auf diese Frage offenbarte sich in dem Moment, da er die NW 95th Ave verließ und östlich auf die Shannon Street abbog und er sich Rykers hässlich grinsender Visage am Steuer seiner scheißroten Viper gegenübersah, der ganz offensichtlich seinen Stealth-Modus aktiviert und sich klammheimlich angeschlichen hatte.
Wie Palmer so etwas hasste!
Doch er konnte nichts anderes tun, als das Gaspedal bis zum Anschlag durchzutreten und ansonsten das Lenkrad nach rechts zu reißen. So schlidderte er zunächst einige Meter über den Grünstreifen zwischen Fußweg und Straße. Palmer hoffte so, Rykers Angriff entgehen zu können. Das aber gelang ihm nicht.
Die Viper stand so gut, dass Ryker einen einfachen und sauberen Schuss setzen konnte. Warum er hierzu allerdings das Bolzenschussgerät verwendete und nicht etwa die EMP-Waffe, blieb ein Rätsel. Auch traf er nicht, wie anvisiert, den Vorderreifen, sondern nur den Hinterreifen. Insoweit hatte Franks Ausweichmanöver doch etwas gebracht. Allerdings wurde der Reifen des Porsche buchstäblich innerhalb eines Lidschlags zerfetzt und explodierte förmlich, bevor Palmer das Fahrzeug auf die Straße manövrierte und dort seinen Weg nach Osten fortsetzte.
Bis zum Ziel waren es keine tausend Meter mehr. Vielleicht konnten sie es auch so noch schaffen. Anfangs schien das auch gelingen zu wollen. Der Porsche verlor nur wenig an Geschwindigkeit und ließ sich noch recht ordentlich lenken, doch etwa einhundert Meter vor der Einfahrt zum Zielgelände tat die Fahrerseite einen derben Ruck und sackte im hinteren Bereich ab. Sofort wurde der Porsche deutlich langsamer und ließ sich zunehmend schwerer lenken. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte Palmer enormen Funkenflug – die Felge schleifte mit einem schrillen Quietschen über den Asphalt.
Doch auch wenn Frank zusätzlich noch Rykers Viper erkennen konnte, die bereits zum Überholen ansetzte: Aufgeben galt nicht!
Also drückte Frank das Lenkrad des Porsche mit all seiner Kraft nach links und gelangte auf die Zufahrtsstraße zum Brian Murphy Park, wo im nordöstlichen Bereich das Ziel lag. Doch schon während sich das Fahrzeug förmlich um die Ecke quälte, spürte Palmer, dass sie nicht mehr erfolgreich sein würden.
Plötzlich aber flammten Lichtblitze von der Beifahrerseite her in ihre Richtung auf. Als beide dorthin sahen, mussten sie überrascht erkennen, dass Rykers Viper in etliche statische Entladungen eingehüllt war. Offensichtlich hatte jemand eine EMP-Waffe auf sie abgefeuert.
Instinktiv gab Frank wieder mehr Gas.
Ein Blick auf das Display zeigte dann auch den schwarzen Kontakt ganz dicht hinter ihnen und noch bevor sich der Ferrari an der funktionsuntüchtigen Viper vorbeischob, wusste Palmer plötzlich wieder, dass es Hal war, der seine eigentlich nicht mehr vorhandene Chance doch noch genutzt hatte. Ein eindeutiger Beweis für seine fahrerischen Qualitäten.
Allerdings musste er deutlich abbremsen, um an der Viper vorbeizukommen, was Palmer eine zusätzliche Sekunde Luft verschaffte.
Mittlerweile hatten sie einen kleinen Verkehrskreisel erreicht, den Frank an der ersten Abfahrt wieder verließ. Dahinter folgte eine Linkskurve.
„Das Velodrom!“ rief Timothy, als schräg vor ihnen ein erhöhtes Gebilde in Form eines kleinen Stadions auftauchte und streckte gleichzeitig die rechte Hand danach aus.
„Dann raus!“ erwiderte Palmer. „Ich kümmere mich um Hal!“
Das ließ sich Dixon nicht zweimal sagen. Ohne zu zögern griff er das Paket, riss die Beifahrertür auf und stürmte hinaus, wobei er die Fahrtgeschwindigkeit sofort zu seinen Gunsten ausnutzte.
Zeitgleich riss Palmer das Steuer des Porsche nach rechts, das Fahrzeug stellte sich quer und blockierte so die komplette Straße.
Doch Hal hatte damit offensichtlich gerechnet, denn er bremste ebenfalls und auch sein Runner war nur einen Lidschlag später schon aus dem Wagen heraus und hinter Timothy her.
Das Velodrom, auf das die beiden Runner zuhielten, gehörte zu den Skating-Vorrichtungen, die sich in diesem Park befanden und war ein Stadion-ähnliches Oval, das hauptsächlich aus Betonbahnen bestand. Um dort hinein zu gelangen, konnte man den Hügel erklimmen oder einen Tunnel an der Stirnseite passieren.
Genau das hatte Dixon auch vor, weil es die kürzeste Entfernung zum Ziel war, dass sich ziemlich genau hinter dem Tunnel befinden musste. Doch schon nach wenigen Schritten machte sich sein lädiertes Knie wieder bemerkbar und er kam lange nicht so auf Touren, wie er es gern gehabt hätte. Entsprechend konnte Thomas hinter ihm schnell aufholen. Als er ihn am Eingang zum Tunnel erreicht hatte, wollte er Dixon mit einem Hechtsprung niederreißen.
Doch Timothy wollte sich noch nicht geschlagen geben. Mit einem kräftigen Sprung nach rechts oben gelang es ihm, gegen die hohe Betonseitenwand zu springen. Das tat zwar höllisch weh, doch es war seine einzige Chance. Kaum hatte sein rechter Fuß dort Kontakt gefunden, drückte er sich erneut ab und sprang im hohen Bogen auf die andere Seite, von wo aus er sich mit dem linken Bein nach vorn abdrückte, um letztlich wieder auf dem Tunnelboden zu landen. Dabei empfand er starke Schmerzen und er musste laut aufschreien.
Dennoch aber hatte er richtig gehandelt, den in dem Moment, da er abgesprungen war, flog Thomas hinter ihm ins Leere und hatte keine Chance mehr zu reagieren. Hart und unkontrolliert schlug er auf den Betonboden auf, wo er sich mit einem schmerzhaften Aufschrei überschlug.
Nun war der Weg für Timothy frei.
Der Tunnel führte in das Innere des Velodroms, wo Dixon nach einem kurzen Anstieg und einer Rechtskurve, das Ziel erblicken konnte, wo er bereits von einem halben Dutzend Männern erwartet wurde. Laut schnaufend und schwer hinkend kam er dort an. Kaum hatte er die Ziellinie überschritten, ließ er sich zu Boden sinken.
In seinem Gesicht aber war ein Grinsen zu erkennen. „Bingo!“ rief er.
„Bingo?“ kam als Frage aus dem Headset zurück.
Timothy jauchzte auf. „Superbingo!“