Читать книгу Halo - Alfred Broi - Страница 16
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ОглавлениеAls sie ihre gemeinsame Wohnung erreicht hatten und gerade dabei waren, sich ihre Jacken auszuziehen, fragte Theresa: „Und, was machen wir jetzt?“
Kate sah ihre Tochter halb verständnislos, halb amüsiert an. „Du gehst schnurstracks ins Bett, junge Dame!“
Theresa war sichtlich traurig, bis ihr scheinbar etwas einfiel. „Aber ich bin noch viel zu aufgekratzt. Ich kann noch nicht schlafen!“ Sie machte einen Schmollmund. „Darf ich zu dir ins Bett und beim Fernsehen einschlafen?“ Ihr Blick dabei konnte Steine erweichen.
„Was?“ Ihre Mutter schien nicht sonderlich begeistert zu sein. „Aber...?“
„Hey!“ warf Frank aber sofort ein. „Wie wäre es mit Gruppenkuscheln? Ich kann jetzt auch noch nicht einschlafen. Ein bisschen Fernsehen wäre echt schön!“ Er lächelte Kate an und als diese die Augen verdrehte, tauschte er mit seiner Nichte ein breites Grinsen aus.
„Also gut!“ stöhnte Kate. „Dann alle Mann in die Schlafanzüge. Ich sehe euch in fünf Minuten in meinem Bett!“ Und damit ging sie in ihr eigenes Zimmer.
*
Die dunkle Gasse lag still und verlassen da.
Das war sehr oft so, denn eigentlich nutzte sie niemand. Schon gar nicht nach Sonnenuntergang.
Kaum Jemand kümmerte sich um die beiden großen Müllcontainer, die dort standen. Niemand interessierte der Müll auf dem Boden, niemand der Gestank nach Exkrementen, Schweiß und verrottendem Unrat.
Und niemand registrierte den reglosen Körper von Timothy Dixon.
Eine große Blutlache hatte sich mittlerweile unter ihm gebildet, doch seit einiger Zeit wuchs sie kaum noch an.
Drei Minuten waren vergangen, seitdem Billy und Duke von hier verschwunden waren, doch Nichts und Niemand hatte seither den Weg hierher gefunden.
Alles war ruhig und still.
Bis…
…da urplötzlich ein Schimmern zu sehen war. In mattem Gelb, ganz leicht nur und doch erkennbar. Es sank vom Himmel herab und je weiter es in die Gasse eindrang, desto deutlicher wurde es, wenngleich es noch immer sehr schwach war.
Es pulsierte, hatte die unregelmäßige Form und Konsistenz einer sich ständig bewegenden Wolke und etwa die Größe eines Kleinwagens.
Ganz langsam sank sie herab und verharrte dann gut einen Meter über dem Boden, während sie weiterhin waberte wie dicker Nebel.
Kein Laut war dabei zu hören, alles blieb weiterhin sehr still.
Einige Sekunden später sank die Wolke noch weiter hinab, bewegte sich dabei jedoch auf Timothys reglosen Körper zu, bis sie nur wenige Zentimeter direkt über ihm wieder verharrte. Augenblicklich begann der Nebel deutlicher, schneller und intensiver zu pulsieren, während er sich merklich zusammenzog, bis er nur noch halbe Größe besaß. Dann wanderte er weiter, bis er direkt hinter Timothys Kopf zum Erliegen kam.
Mit einem Male aber schob sich der vordere Teil des komprimierten Nebels deutlich über und auch unter Timothys Schultern. Dabei wurden seine Schulterpartie und sogar sein Kopf leicht angehoben. Dort, wo der Nebel Dixons Körper direkt berührte, wurde das matte Leuchten deutlich dunkler und intensiver und von einem leisen Knistern begleitet, als würden unzählige statische Entladungen stattfinden.
Plötzlich drehte sich Timothys Oberkörper zur linken Seite und wurde dann tiefer in die Gasse hineingezogen. Das alles wirkte so, als wäre er von einem Unsichtbaren gepackt worden, der ihn weiter in die Dunkelheit zog. Die Blutlache unter seinem Körper wurde in die Länge gezogen und schimmerte metallisch in dem geheimnisvollen Licht.
Direkt hinter dem zweiten großen Müllcontainer wurde Dixons Körper neben die Hauswand gezogen, bevor er sanft wieder zum Erliegen kam. Der pulsierende Nebel löste sich von Timothys Schultern, das Knistern wurde leiser und erstarb. Für einige Augenblicke verharrte die Wolke über Dixons Oberkörper, bevor sie sich noch ein Stück weiter in die Gasse hinein bewegte. Dort schwebte sie über eine alte, zerschlissene Plastikplane. Ein weiteres Knistern ertönte, als sich vier kurze, armdicke Tentakeln über sie legten und sie langsam in Richtung Dixon zogen. Ein leises Schleifen war zu hören, als das Plastik über den Betonboden schabte.
Die Plane schwebte an den Tentakeln gezogen über Timothys Körper und als sie ihn komplett bedeckt hatte, löste sich der Nebel von ihr und sie sank wallend und in unregelmäßigen Falten zu Boden.
Von Dixons Körper war hiernach nichts mehr zu sehen.
Der Nebel schwebte in die Höhe und zog sich in die Mitte der Gasse zurück. Dort verharrte er nochmals für einige Sekunden, wabernd, mit einem matten, kaum sichtbaren Schimmern, bevor ein Summen ertönte und er dann überraschend schnell senkrecht in den Himmel schoss, wo er von den dunklen Wolken dort schnell verschluckt wurde und die Gasse in tiefer Finsternis zurückließ.
*
Als Frank ins Schlafzimmer seiner Schwester kam, lief bereits der Fernseher und Kate und auch Theresa lagen in ihren Schlafanzügen auf dem Bett.
Palmer verzog die Lippen zu einem gequälten Grinsen, doch legte er sich ohne etwas zu sagen mit einem leichten Stöhnen auf die rechte Bettseite des Doppelbetts, sodass seine Nichte jetzt zwischen den beiden lag.
Während er sich das Kopfkissen zurechtrückte, erkannte er, dass die beiden einen alten Jerry-Lewis-Film anschauten, in dem auch Dean Martin mitspielte. Das war okay für ihn. Leichte Kost zum Einschlafen war genau das, was er jetzt brauchte.
Doch kaum hatte er es sich bequem gemacht und begann zu entspannen, krabbelte seine Nichte ohne ein Wort und auch ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen, auf seine rechte Seite. Da dort jedoch eigentlich kaum Platz vorhanden war, musste sie sich beinahe halb auf ihn legen, um nicht über die Kante zu fallen.
Frank erkannte das und rutschte mit einem leisen, aber genervten Stöhnen und verdrehten Augen in die Mitte des Bettes. Daraufhin grinste Theresa unbemerkt, rückte ein wenig nach und kuschelte sich an Frank, während er seinen rechten Arm um sie legte.
Okay, damit kann ich leben, dachte er und begann zu entspannen.
Doch nur wenige Augenblicke später bewegte sich Kate auf der anderen Seite und ehe er sich versah, hatte sich auch seine Schwester an ihn gekuschelt. Obwohl er erneut genervt aufstöhnte, hatte er keine andere Wahl, als auch seinen linken Arm anzuheben und ihn um sie zu legen. Kate sagte kein Wort, doch grinste auch sie breit.
Also gut, dachte er. Von mir aus. Aber sicher nicht für lange.
Dann schauten sie gemeinsam den Film.
Und obwohl er es gar nicht wollte, fielen ihm schon nach knapp einer Viertelstunde die Augen zu. Dass Theresa neben ihm bereits tief und regelmäßig atmete, bekam er gerade so noch mit, doch auch Kate auf der anderen Seite war längst schon eingeschlafen.
Frank wehrte sich nicht gegen seine Müdigkeit und hätte es auch gar nicht geschafft. Er war satt und zufrieden und irgendwie sogar ein bisschen glücklich.
Sein Weg ins Reich der Träume war also nicht aufzuhalten und erfolgte sanft und entspannt.
Arm in Arm mit den beiden Menschen, die er mehr liebte, als irgendjemanden sonst auf dieser Welt, schlief er tief und fest ein.
*
Das Schimmern kehrte zurück!
Wie schon beim ersten Mal senkte es sich langsam und unbemerkt in die Gasse hinab, die genauso still und leer in Dunkelheit lag, wie schon wenige Minuten zuvor.
Die wabernde Wolke steuerte direkt auf die Plastikplane zu, unter der Timothy Dixons regloser Körper lag. Dabei drückte sich ein einzelner tentakelartiger Fortsatz aus dem Nebel, schob sich unter die Plane und innerhalb weniger Augenblicke war die komplette Wolke darunter verschwunden.
Die Plane wurde dadurch leicht angehoben, doch gab sie nicht preis, was unter ihr vor sich ging.
Dafür aber wurde das pulsierende Schimmern deutlich dunkler und intensiver und der Plastikstoff vermochte es nicht gänzlich zu überdecken, sodass es die Gasse schwach erleuchtete. Auch war erneut ein Knistern zu hören, das jedoch schnell immer weiter anschwoll und am Ende deutlich lauter war, als beim ersten Mal. Die wie statische Entladungen wirkenden Geräusche klangen hart und ruppig und waren, wenn auch leise, in der angrenzenden Straße zu hören, doch niemand schenkte ihnen wirkliche Beachtung.
Selbst, als das Knistern permanent anhielt, blieben die Geschehnisse in der Gasse im Verborgenen.
Urplötzlich änderte sich der Geräuschpegel. Das Knistern wurde wieder etwas leiser, dafür trat eine Art Quieken hervor, dass anfangs kaum menschlich klang, aber von großen Schmerzen zeugte. Dabei zuckte die Plastikplane immer wieder auf und ab und hin und her, als würde sich unter ihr etwas winden. Allmählich wurde die Tonlage des Quiekens etwas tiefer, klang jetzt mehr wie ein Stöhnen. Auch die ruckartigen Bewegungen unter der Plane ließen nach.
Schließlich erstarben sie gänzlich, ebenso, wie auch das Stöhnen und das Knistern verstummten und am Ende sogar das Schimmern erlosch.
Die Gasse lag wieder still in der Finsternis.
Und doch war da Bewegung. Geringfügig nur, fast zerbrechlich und kaum zu erkennen. Aber eindeutig bewegte sich die Plastikplane. Dort, wo Timothys Kopf war, immer wieder für wenige Millimeter rhythmisch auf und ab. Direkt über seinem Mund!
Dann ging alles blitzschnell:
Ein Schrei war zu hören. In einer Mischung aus Angst, Schmerz und Verwirrung. Im selben Augenblick zuckte Timothys Oberkörper senkrecht in die Höhe, während seine Hände hektisch dabei waren, die Plane abzustreifen. Schon richtete er sich weiter auf, wuchtete sich schließlich auf die Füße. Dann fiel die Plane von ihm ab. Schweratmend versuchte er auf den Beinen zu bleiben, aber er verlor das Gleichgewicht und stolperte rückwärts gegen die Betonwand. Als er dagegen schlug schrie er nochmals auf, doch gelang es ihm, sich aufrecht zu halten. Im nächsten Moment zuckte sein Oberkörper nach vorn, weil ihn ein heftiger Hustenschauer überfiel. Während er seine Arme auf die Oberschenkel stemmte, erbrach er auch noch einiges an Schleim, bevor er sich mit einem tiefen Atemzug wieder aufrichtete und mehrfach nach Luft rang.
Erst dann beruhigte er sich. Er atmete flacher und regelmäßiger, sein Blick wurde deutlich klarer, sein Körper straffte sich.
Plötzlich aber kräuselte sich seine Stirn, so, als wüsste er nicht, wo er war und was er vor sich sah. Einen Augenblick später versteifte sich sein Oberkörper wieder. Sein Kopf zuckte herab und mit großen, beinahe entsetzten Augen betrachtete er das mittlerweile getrocknete Blut an seinem Shirt. Gleichzeitig riss er seine Arme in die Höhe, zog das Shirt nach oben, legte damit die Stichwunde frei und befühlte sie. Ihr Anblick war furchtbar. Ein dunkles Loch in Form der Klinge, die Haut am Eintrittspunkt etwas aufgerissen. Geronnenes, fast schwarzes Blut. Doch als Timothy mit seiner rechten Hand sanft darüber wischte, rieselten trockene Blutfetzen zu Boden. Mehr noch: Als er wieder und dieses Mal etwas fester darüberstrich, lockerten sich sogar Teile des Blutpfropfens direkt an der Eintrittswunde und legten…Haut frei, die wirkte, als wäre an dieser Stelle niemals irgendetwas mit ihr geschehen. Dass dies kein Trugbild war, zeigte sich wenige Augenblicke später, als Dixon noch einige weitere Male über die Wunde gewischt hatte und am Ende nichts mehr von ihr zurückgeblieben war. Nichts deutete mehr auf die schwere, vermeintlich tödliche Verletzung hin. Die Haut war vollkommen intakt, wenngleich noch etwas schmutzig.
Timothy stöhnte auf und als er seinen Kopf wieder anhob, umspielte ein breites Lächeln seine Lippen. Gleich darauf ertönte ein halb unterdrücktes Jauchzen, das in ein leises, aber fröhliches Lachen mündete.
Timothy machte ein paar Schritte nach vorn und blieb dann etwa in der Mitte der Gasse stehen. Für einige Sekunden blickte er in die Finsternis der einen Seite, dann drehte er sich langsam um und blickte in Richtung Straße. Hiernach hob er seinen Kopf und schaute in den dunklen Nachthimmel. Die ganze Zeit über hatte er ein breites Lächeln auf den Lippen.
Auch als er den Blick wieder senkte, verschwand es nicht.
Dann atmete er tief durch und machte einen resoluten Schritt in Richtung Straße, als er plötzlich wieder abstoppte, nochmals an sich hinabsah und angesichts des vielen Blutes einen besorgten Gesichtsausdruck bekam. Nervös blickte er sich in der Gasse um, doch war schnell klar, dass er nicht fündig werden würde. Für einen Augenblick schien er unschlüssig, bis er schließlich den Reißverschluss seiner Jacke einfach bis unter das Kinn zuzog.
Damit gab er sich zufrieden und wollte schon wieder losgehen, als er erneut abstoppte. Sein Blick war rein zufällig nochmals über den Boden der Gasse geglitten, als seine Augen die Krücke am Boden erkannten. Er machte zwei Schritte darauf zu, hob sie auf und betrachtete sie in einer Mischung aus Neugierde und Irritation. Im nächsten Moment aber zuckten seine Augen erneut zu Boden und urplötzlich erstarrte er abrupt, als er den kleinen, würfelförmigen Gegenstand dort zwischen einigem Unrat erblickte.
Doch es war keine Einbildung und er ging mit schnellen Schritten darauf zu und fischte ihn vom Boden.
Als er die Verpackung für Rachaels Ring in den Händen hielt, huschte ein noch unsicheres Lächeln über seine Lippen, aber als er sie mit zittrigen Händen öffnete und den unbeschädigten Inhalt erkennen konnte, begann er breit zu grinsen. Schließlich lachte er sogar erfreut auf und als er den Ring wie einen großen Schatz innig an seine Brust drückte, glühten seine Wangen vor Glück und seine Lippen bebten.
Bevor ihm jedoch sogar eine Träne entweichen konnte, atmete er tief durch, legte den Ring zurück in seine Verpackung, schloss sie wieder und steckte sie sorgfältig in seine Jacke.
Dann betrachtete er erneut die Krücke. Anfangs war sein Blick ernst, ja beinahe finster, doch schließlich huschte ein Lächeln über seine Lippen, als er den Kopf schüttelte und die Krücke in den nächstbesten Müllcontainer warf.
Erst dann machte er sich auf den Weg aus der Gasse, wobei er weder humpelte, noch Anzeichen von Schmerzen zeigte. Obwohl ihn die, wenn auch nur geringe Helligkeit der Straße und die wenigen Passanten, die ihn überhaupt nicht beachteten, erschreckten, stoppte er nicht ab, sondern beschleunigte seine Schritte sogar langsam und machte sich zügig auf den Heimweg.
Zurück blieb die stille, dunkle Gasse, in der nichts auf das hindeutete, was dort in der letzten Stunde geschehen war…außer einer großen Blutlache.