Читать книгу Crazy Country USA - Alfred Mettler - Страница 12

A religious country

Оглавление

»Have you found a church already?« wurden wir ein paar Monate nach unserer Ankunft von unseren Nachbarn gefragt. Zum Glück hatten wir eine passende Antwort parat, unsere netten Nachbarn hätten uns nämlich sehr gerne in ihre »Church« eingeladen.

Religion und Kirche sind im ganzen Land enorm wichtig. Etwa die Hälfte der Bevölkerung gilt als Protestanten. Unter dem Oberbegriff »protestantisch« existieren jedoch verschiedene Gruppierungen: Lutherans, Methodists, Baptists, Presbyterians, Episcopals, um nur die größeren zu nennen. Sie unterscheiden sich in der Auslegung der Bibel und sind je nachdem vergleichbar mit einer protestantischen Kirche in Europa, oder aber würden dort als Freikirchen oder Sekten bezeichnet. Vor allem in den Südstaaten, die als »Bible Belt« bezeichnet werden, haben die Baptisten mit ihrer extremen Haltung die Oberhand.

Eine sehr wichtige Gruppe sind die »Evangelicans«. Ihr Glaube versteht sich als bibeltreu und grenzt sich ab von der liberalen Theologie und vom Säkularismus. Die Auslegung der Bibel ist fundamentalistisch und dementsprechend strikt konservativ. Heute noch lehnen sie die Evolution ab. Unter den Gläubigen sind oftmals fanatische »Pro Life«-Befürworter (Abtreibungsgegner). Persönliche Schicksale wie auch weltpolitische Ereignisse werden als »God’s will« angesehen. Die Predigten der »evangelican pastors« sind bisweilen intensiv, flammend, durchdringend, gar erzürnt. Die bekanntesten unter ihnen haben ihre eigene TV-Show.

Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist katholisch und nur knappe zwei Prozent sind jüdischen Glaubens. Alle anderen Religionen bewegen sich um die oder unter der Ein-Prozent-Marke.

Die meisten Amerikaner gehören irgendeiner Kirche an. Die Kirche ist eine Art Begegnungsort, ein Dorfzentrum, ein Verein, eine Ausbildungsstätte, ein Anbieter von Sportaktivitäten, Vorträgen, kulturellen Anlässen. Große Megakirchen sind eine Art Campus mit einer Fläche von locker fünfzig Fußballfeldern; sie werden während der Sonntagspredigt durchschnittlich von mehreren Tausend Gläubigern besucht. Ist der Gottesdienst zu Ende, strömt eine Autolawine aus den Parkplätzen, und die Polizei (die von der Kirche angestellt wurde) muss die Ausfahrt regeln, damit der Verkehr nicht zusammenbricht.

Diese Kirchen sprechen insbesondere Familien an; man darf sich während der Predigt frei bewegen, dem Pastor kann man auch über einen der riesigen Bildschirme folgen. Die Kinder kann man in eine Spielgruppe bringen und sich dann im großen Foyer einen Kaffee holen, während man nebenbei das Geschehen verfolgt. Oftmals spielen christliche Bands moderne Musik (you are allowed to dance during church!), die Kirche wird zur religiösen Disco. Dabei lernt man Leute kennen, kann sich mit einer Gruppe oder Familie mit ähnlichen Interessen anfreunden, oder auch einfach Networking betreiben.

Aber nicht nur das Soziale oder die Gemeinschaft sind wichtig. Sehr viele Amerikaner sind auch wirklich religiös. Sie glauben an die Bibel und flechten gerne im Gespräch entsprechende Ausschnitte oder Zitate ein. Sie lernen in »Bible studies«-Gruppen und nehmen gerne an Missionsreisen teil. Sie reisen in ferne Länder, aus dem missionarischen Eifer heraus, den Menschen dort helfen zu müssen (die gravierenden Probleme im eigenen Land oder direkt vor der Haustür erscheinen wohl nicht ganz so interessant). Manchmal sammeln sie Geld dafür, und man darf ihren »Mission Trip« nach Polen, Bosnien, Portugal oder Südafrika mit einer Spende unterstützen.

Sie hinterfragen selten und akzeptieren die ihnen linear vorgekaute Auslegung der Bibel fraglos. Gegensätze, die einem als Europäer eher aufstoßen, sind für sie keinesfalls fragwürdig. Wie kann man die Abtreibung als Mord betrachten, während man den Krieg und/oder die Todesstrafe anstandslos bejaht? Es empfiehlt sich, solche Themen gar nicht erst anzuschneiden.

Diese Geisteshaltung zeigt sich auch im Wahlverhalten vieler religiöser Amerikaner. Ist der politische Kandidat/die Kandidatin beispielsweise »Pro Choice« (für das Recht auf Abtreibung), ist diese Person grundsätzlich unwählbar, egal womit sie sich anderweitig profiliert. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes »des Teufels!«. Da sich die republikanischen Kandidaten immer als »Pro Choice«-Gegner verkaufen, werden sie automatisch von sehr vielen religiösen »Christians« unterstützt.

Die Frage »What would Jesus do?« sei ihr Leitfaden fürs Leben, sagen viele. Hmm …, wirklich?

Crazy Country USA

Подняться наверх