Читать книгу Crazy Country USA - Alfred Mettler - Страница 15

»Es ist Zeit, dass wir uns für unsere ländliche Bevölkerung engagieren, indem wir das Breitband-Internet ausbauen, die Farmer unterstützen, erschwingliche Wohnmöglichkeiten schaffen und die ländliche Armut bekämpfen. Damit stellen wir sicher, dass niemand benachteiligt bleibt.«

Amy Klobuchar, Präsidentschaftskandidatin 2020

Rural America, der ländliche Teil der USA, unterscheidet sich auf den ersten Blick gar nicht so sehr von ländlichen Gebieten anderer Nationen. Weit weg von den Städten, Land und Natur bis zum Horizont, viel Landwirtschaft, tendenziell konservative Einwohner, einfach lebende Bevölkerung. Wer je mit dem Motorrad, Auto oder Wohnmobil auf den Highways durch die USA gereist ist, wird die vielerorts traumhafte Landschaft und unendliche Weite nie vergessen.

Was man aber garantiert auch nicht vergisst ist die Szenerie, die sich bietet, wenn man den Highway einmal verlässt. Sei es, um das Fahrzeug zu tanken, etwas zu essen oder sich einfach nur die Füße zu vertreten. Ziemlich schnell bekommt man einen Eindruck des anderen »Rural America«: Eine trostlose Ansammlung von wenigen Häusern, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Ausrangierte Autos, Maschinen und andere Geräte stehen irgendwo herum und rosten vor sich hin. Ehemalige Fabrikgebäude sind verfallen, einstige Läden und Grocery Stores mit Brettern vernagelt. Man beginnt zu erfassen, dass das Stadt-Land-Gefälle in den USA um Dimensionen stärker ausgeprägt ist als in Europa. Während man in der Schweiz auch in einem abgelegenen Bergdorf eine funktionierende Infrastruktur antrifft, ist dies in den ländlichen Gegenden der USA schon lange nicht mehr der Fall.

Statistisch gesehen übertraf 1920 die städtische Bevölkerung erstmals diejenige auf dem Land, und seither hat das Wachstum fast ausschließlich in den Urban Areas stattgefunden, die sich wirtschaftlich und kulturell zu eigentlichen Powerhouses entwickelten. Die Landbevölkerung dagegen, überwiegend weiß und älter, stagniert seit langem und ist in den letzten Jahrzehnten in praktisch jeder Hinsicht abgehängt und zurückgelassen worden.

Industrieunternehmen haben die Zelte abgebrochen und die Produktion nach Asien verlegt. Läden und Restaurants sind verschwunden. Der nächste Walmart ist locker eine Autostunde weit weg, was zu immer mehr sogenannten »Food Deserts« führt. Die Mobiltelefon-Infrastruktur ist lückenhaft, das Internet oft gar nicht vorhanden. Schulen sind marginal ausgerüstet und vermitteln kaum die elementarsten Grundlagen. Arbeitslosigkeit, Teenager-Schwangerschaften, aufgelöste Familienstrukturen, sozialer Niedergang, Drogen, Opioid-Krise und Kriminalität sind allgegenwärtig.

Während die statistische Armutsrate in den urban und rural areas in etwa dieselbe ist, nämlich um die 15 %, gibt es in den Städten weit mehr Institutionen, die sich der »urban poor« annehmen, als auf dem Land, wo sie sich selbst überlassen werden. Von der Industrie verlassen, der Wirtschaft ignoriert und den Politikern vergessen, ist der American Dream in Rural America nicht einmal mehr eine Illusion. Drittwelt-Verhältnisse im reichen, kapitalistischen Amerika!

Oftmals ist für junge Männer und Frauen die Armee die einzige Möglichkeit, dem aussichtslosen »Rural Life« zumindest für einige Zeit zu entfliehen und so etwas wie Struktur ins eigene Leben zu bringen. Kehren sie dann nach absolvierter Militärzeit und Einsätzen in Kriegsgebieten zurück – womöglich physisch versehrt und/oder psychisch angeschlagen –, sind ihre Lebensperspektiven düsterer denn je.

Kein Wunder haben sich in den ländlichen Gegenden über Jahrzehnte hinweg immer mehr Frustrationen und Ressentiments aufgestaut. Noch weniger erstaunlich, dass man deshalb nur allzu gerne der Propagandamaschinerie eines Präsidentschaftskandidaten erlag, der endlich die täglich empfundenen Probleme thematisierte und vollmundig Lösungen versprach. Seine Versprechungen wurden nie hinterfragt. Und dass ein Immobilienhai aus New York keine Ahnung haben kann, wie das Leben dieser Leute wirklich aussieht, auch nicht.

Trump gewann denn auch in sehr vielen ländlichen Wahlbezirken haushoch.