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»A developed country isn’t a place where the poor have cars. It’s where the rich use public transportation.«

Enrique Penalosa, Bürgermeister von Bogota, Kolumbien

Die Entwicklung und rasante Verbreitung des Autos transformierten die USA ab der Mitte des letzten Jahrhunderts in eine »Auto Nation«. Wer immer kann, wird ein Auto benützen, auch wenn die Straßen total verstopft und der Verkehrsfluss zäh und langsam ist. Der öffentliche Verkehr wird deshalb vor allem von den sozioökonomisch unteren Bevölkerungsschichten benützt, oftmals Minorities, die sich (noch) kein Auto leisten können. Und weil man in der Subway oder dem Bus auch Obdachlose und Randständige antrifft, folgt sehr schnell die Pauschalisierung, dass »Public Transportation« gefährlich sei. Die wohlhabendere (meist weiße) Bevölkerung ist aus dieser diffusen Angst heraus im Auto unterwegs und wehrt sich gleichzeitig dagegen, Steuergelder für Erhaltung oder Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes auszugeben. Ein Teufelskreis und gleichzeitig das grundsätzliche Problem der Public Transportation in den USA: Sie wird im Prinzip als Sozialprogramm und nicht als Infrastrukturinvestition gesehen.

Ausnahme: New York City. Wer je die Stadt besucht hat, kennt die dortige Subway. Ein seinerzeitiges Meisterwerk der Ingenieurskunst (1904 eröffnet), ist sie bis heute eines der weltweit größten Subway-Systeme, sowohl nach Anzahl Haltestellen als auch nach Anzahl Passagieren. Und obwohl chronisch überlastet und technisch veraltet, ist sie immer noch das Haupttransportmittel in der Stadt und ein eindrückliches Beispiel, was man früher einmal bauen konnte. Aber: Auch in New York wäre heute infolge von Regulierungen, Stadtpolitik, Budgetrestriktionen, Einsprachemöglichkeiten und baulichen Unzulänglichkeiten jeder Weiterausbau schwierig, kompliziert und teuer. Wie viel einfacher wäre es doch, wenn man mit der Subway direkt an die beiden Flughäfen (John F. Kennedy Airport und La Guardia Airport) gelangen könnte. Es wird unmöglich bleiben. Wie heutzutage ein modernes Subway-System gebaut wird, sieht und lernt man viel besser in China und anderen asiatischen Ländern, aber bestimmt nicht in den USA.

In einigen großen Städten existiert die eine oder andere Art eines Nahverkehrszuges – eine Mischung aus Subway und S-Bahn, meistens nur mit einem limitierten Streckennetz. Auch wenn man den Zug benützen möchte, muss man an den meisten Orten trotzdem zuerst ins Auto steigen, an eine Haltestelle fahren und dort parken.

Ein Bussystem existiert in vielen Städten, ist aber notorisch unzuverlässig. Busse sind meist alt, Busspuren nur rudimentär vorhanden, weshalb der Bus im gleichen Stau stecken bleibt wie die Autos. Für die meisten »convenience-orientierten« Suburbans sind deshalb Bus und Zug zu kompliziert und in ihren Köpfen ohnehin zu gefährlich. So leben sie es auch ihren Kindern vor, und der Kreis schließt sich.

Amtrak – die quasi-staatliche amerikanische Eisenbahngesellschaft – ist das, was von den zahlreichen und weit verzweigten Eisenbahnen des 19./20. Jahrhunderts heute noch übrig ist. Sie wird vor allem durch Subventionen am Leben erhalten. Auch hier gilt das Rollmaterial als veraltet, die Technologie als überholt, und Pünktlichkeit ist Wunschdenken. Eine der ganz wenigen Amtrak-Verbindungen, die gleichzeitig effizient und profitabel ist, führt von Washington über Philadelphia, New York und dann weiter nach Boston – der sogenannte Acela Train. Als dessen Betrieb während der Corona-Krise mangels Passagieren unterbrochen werden musste, wurde Amtrak mit einem Schlag komplett unprofitabel und beantragte kurzfristig einen 1-Milliarde-Dollar-Notkredit.

Eigentlich würde man denken, dass Hochgeschwindigkeitszüge für Verbindungen zwischen einzelnen Städten in den USA prädestiniert wären, analog zu Europa oder Asien. In 2009 nahm Präsident Obama einen Anlauf. Im Federal Economic Stimulus Bill wurden 8 Milliarden Dollar für Hochgeschwindigkeitszüge reserviert, aber die Realisierung der hochfliegenden Pläne erwies sich einmal mehr als politisch unlösbar und finanziell nicht tragbar.

Vielleicht liegt eine künftige Lösung bei privatisierten Bahnlinien. Vor kurzem wurde in Florida das erste privat finanzierte und betriebene Eisenbahnprojekt in Betrieb genommen: die sogenannte Brightline, die in einer ersten Phase von Miami über Fort Lauderdale nach West Palm Beach führt. Fortress Investment Group, eine Private Equity Firma aus New York, zusammen mit der britischen Virgin Group von Richard Branson, bilden die Trägerschaft, und in den nächsten Jahren ist ein Ausbau bis zum Flughafen Orlando (und allenfalls weiteren Orten) vorgesehen. Die Züge sind neu und modern, ebenso wie die neu erstellte Überbauung in Miami, in welcher sich die Zugstation befindet.

Trotzdem: »Neu« muss nicht heißen »durchdacht«. Diese neue Zugstation befindet sich in einer unattraktiven Gegend in Miami, mit kaum Passanten. Die Anbindung an andere Public-Transportation-Systeme der Stadt ist umständlich. Das Zielpublikum scheint nicht wirklich definiert zu sein. Die Passagierzahlen sind denn auch noch bei weitem nicht hoch genug, um die stündlichen Züge rentabel zu betreiben.

Klar durchdacht scheint hingegen die »Checklist« für die Angestellten. Bei Ankunft und Abfahrt jedes Zuges müssen sie auf dem Perron Spalier stehen und den Passagieren zuwinken. Der amerikanische unreflektierte Optimismus ist dabei greifbar, genauso wie in den von der Brightline verkündeten Prognosen: In ein paar Jahren wird alles profitabel funktionieren.

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