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Viele Gesichter A great country

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»Exactly when did you think America was great?«

Eric Holder, Justizminister unter Präsident Obama, 2019 in einem MSNBC-Interview

Make America great again! Donald Trumps Slogan war 2016 omnipräsent – bei seinen Wahlveranstaltungen, auf seinen roten Baseball Caps oder in den sozialen Medien. Nach seiner Wahl zum Präsidenten verlinkte er seine Website »greatagain.gov« direkt zur offiziellen »whitehouse.gov«-Website. Trump hat den Begriff sogar als Dienstleistungsmarke eintragen lassen (he is a business man!), und das, obwohl bereits Reagan bei seiner Präsidentschaftskampagne 1980 den fast gleichen Slogan, nämlich »Let’s make America great again«, benutzte. Trump meinte dazu lakonisch: »He didn’t trademark it« (he wasn’t as smart as I am!).

Keep America Great! ist Trumps 2020-Wahlmotto (der Eintrag als Dienstleistungsmarke wurde ihm diesmal verweigert … hmm … not so great!). Aber: Dass Amerika »the greatest country in the world« ist, hört man nicht nur aus dem Munde von Politikern vor der Wiederwahl. Vielmehr sind sehr viele Amerikaner fest davon überzeugt, dass dies absolut fraglos der Fall ist. Die USA sind das Land des Marketings, und auch das eigene Land wird der Bevölkerung ständig mit dem entsprechenden »Peptalk« verkauft. Vor allem nicht Weitgereiste oder nicht besonders gut Ausgebildete haben kaum eine Ahnung, wie es in der »anderen« Welt aussieht. Sie sehen arme Immigranten, in den letzten Jahren vor allem aus Zentral- und Südamerika, die nach Arbeit suchen und alles tun, um in das »gelobte Land« zu gelangen. Damit bestätigt sich das Bild, dass es in höchstem Maße erstrebenswert ist, in den USA zu leben. »The land of opportunities« muss damit zwangsläufig »great«, oder eben »the greatest« sein.

Dass es Länder gibt, in denen es den Leuten gut oder sogar besser geht, Länder, die wirtschaftlich, sozial oder hinsichtlich des Funktionierens der Administration effizienter aufgestellt sind, solche Aspekte sind vielen Amerikanern unbekannt. Die Lust am Reisen und Entdecken anderer Kulturen ist marginal ausgeprägt, viele besitzen nicht einmal einen Pass. Und wenn die Leute dann doch reisen, ist es »a big deal«. In ihrem Gepäck tragen sie die Idee, dass es in fremden Ländern so sein soll wie bei ihnen zu Hause. Die amerikanischen Errungenschaften bleiben der Maßstab, an welchem gemessen wird. Kleine Autos, kleine Häuser, kleine Hotelzimmer, kleine Supermärkte … ganz »cute«, aber so möchte man nicht leben. Keine Klimaanlage trotz heißem Wetter? … Ist ja unerträglich! Englisch wird nicht von allen gesprochen? … Wie soll man sich denn da verständigen? Das Abstrahieren, was dieses »Andere« wirklich gesamthaft bedeutet, fehlt oft. Damit ist bewiesen, dass man im »greatest country« lebt.

Natürlich gibt es gute Gründe, warum die USA nach wie vor für so viele als Einwanderungsland attraktiv sind. Es gibt unzählige Job-Möglichkeiten, die keine spezifischen Kenntnisse benötigen – nur Arbeitskraft wird verlangt und zudem viel besser entlohnt als im eigenen Land. Auch die vielzitierten unbegrenzten Möglichkeiten ziehen weiterhin Leute mit Ambitionen und Träumen an. Wer Fähigkeiten hat, die sich in eine Business-Vision umsetzen lassen, oder Ideen für ein Start-up, findet auch heute noch einen fruchtbaren Nährboden, diese zu verwirklichen. Seit jeher sind die USA das Land, in dem man mit irgendwelchen verrückten und wilden Einfällen sein Glück versuchen kann.

Mindestens so attraktiv sind Aspekte, die irgendwie die tiefsten menschlichen Bedürfnisse ansprechen: »Convenience« beispielsweise, vielleicht am besten mit »angenehme Bequemlichkeit« zu übersetzen. Was immer das Leben einfacher macht, scheint widerspruchslos attraktiv zu sein: Drive-throughs (bei Fast Food Ketten, Starbucks, Banken, Apotheken), Fertigmahlzeiten (wer hat denn noch Zeit und Lust zum Kochen?), gedankenloser Massenkonsum (keine Ahnung, woher die Sachen kommen, Hauptsache sie sind billig), Hauslieferung von allem, was man kaufen kann (man muss sich nur vom Sofa bis zur Türe schleppen), einfacher Zugang zum Schuldenmachen (die Kreditkarten, die lieben Freunde), Sprachsteuerung aller möglichen Geräte (Siri, call Mom). Nirgendwo sonst kann man Bequemlichkeit so ausleben wie in den USA. Es sind nicht nur die jungen Leute, die von den digitalen Errungenschaften der letzten Jahre Gebrauch machen. Auch ältere Amerikaner haben selten Berührungsängste und spielen mit fast kindlicher Lockerheit mit den neuen »Gadgets«.

Eine zusätzliche Bestätigung für das »great country« liefern die zahlreichen ausländischen Frauen, die wohlhabend genug sind, um extra in die USA zu reisen und dort ihre Kinder zur Welt zu bringen. Wer in den USA geboren wird, erhält automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft, basierend auf dem sogenannten Birthright Citizenship. Die meisten der »Touristenmütter« kommen aus China, wo die US-Staatsbürgerschaft als »attraktivste« angepriesen wird. Wohlhabende Chinesinnen können sich sogar fertige Geburts-Travel-Packages kaufen. Ebenfalls zahlreich vertreten sind angehende Mütter aus Russland, Südkorea oder der Türkei. Erst kürzlich haben die Behörden damit begonnen, juristische Maßnahmen gegen diesen »Citizenship Tourism« einzuleiten.

In der ersten Episode der Fernsehshow »The Newsroom« werden drei Journalisten von einer jungen Studentin gefragt: »What makes America the greatest country in the world?« Die spontanen Antworten sind nicht überraschend: Diversity, Opportunity, Freedom. Nur einer der Journalisten, Will McAvoy, der Protagonist der Show, zögert und will sich nicht äußern. Vom Moderator gedrängt sagt er: »We are not the greatest country in the world …«! Daraufhin Konsternation im Publikum, Stille. Schließlich schleudert McAvoy in die Runde, weshalb die USA es seiner Meinung nach nicht sind: »180 Länder haben dieselben Freiheiten … wir sind an siebter Stelle bezüglich Lesen/Schreiben, 27. in Mathematik, 22. in Naturwissenschaften, 49. bezüglich Lebenserwartung, und 178. hinsichtlich Kindersterblichkeit … Wir sind nur in drei Kategorien Weltspitze: 1) Anzahl Gefängnisinsassen pro Einwohner, 2) Anzahl Erwachsener, die glauben, dass Engel real sind, und 3) Rüstungsausgaben – wir geben dafür mehr aus als die nächsten 26 Länder zusammen … Wenn Sie mich fragen, was uns zum ›greatest country in the world‹ macht, dann weiß ich verdammt nochmal nicht, wovon Sie sprechen.«

Nach einer längeren Pause fährt McAvoy dann fort: »Ja, wir waren es einmal (the greatest country). Wir setzten uns für Gerechtigkeit ein, wir erließen Gesetze auf der Basis von Moral und Vernunft, wir führten Krieg gegen die Armut und nicht gegen arme Leute, wir kümmerten uns um unsere Nachbarn, wir bauten dank technologischem Fortschritt große Dinge, wir förderten die bekanntesten Künstler der Welt und kreierten das beste und größte Wirtschaftssystem.«

Sein Schlusssatz in dieser Szene ist: »Der erste Schritt zur Lösung eines Problems ist, dass man es als solches erkennt … Amerika ist nicht mehr ›the greatest country on earth‹.«

Crazy Country USA

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