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3. Der geistige Inhalt

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Der dem Werk eigene geistige Inhalt ist es, der das Wesen der geistigen Schöpfung ausmacht. Bei den Werken der Literatur und Wissenschaft kommt er im geistigen Gedankeninhalt, bei den Werken der Kunst in deren ästhetischem Gehalt zum Ausdruck. Dieser geistig-ästhetische Inhalt tritt durch schöpferische geistige Leistung zu Tage.

Bei den Sprachwerken der Literatur und Wissenschaft kann die schöpferische Leistung einerseits in der Gedankenformung und -führung liegen, andererseits aber auch in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes.

Bei den Werken der bildenden und angewandten Kunst geht es um den ästhetischen Gehalt, der den durch das Auge vermittelten ästhetischen Farb-/Formsinn anzuregen bestimmt und geeignet ist, bei Werken der Musik insbesondere um den an das Gehör gerichteten ästhetischen Ausdruck der Tonfolge.

Auf den schöpferischen Gehalt des Inhalts der Darstellung hingegen kommt es nicht an. Der Gegenstand muss auch nicht „neu und eigenartig“ sein. Entscheidend ist allein das Vorliegen einer geistigen Leistung, die auf eigenpersönlicher Schöpfung beruht.

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Die bloße Nachbildung fremder Vorbilder ist keine geistige Leistung auf Grund eigenpersönlicher Schöpfungskraft.

Beispiel:

Eine kunstgewerbliche Werkstatt (W) schnitzt und vertreibt „Museumsskulpturen“. Dies sind Reproduktionen mittelalterlicher Skulpturen, die von Museen hierzu zur Verfügung gestellt worden sind. Von diesen Erzeugnissen des W. hat der Kunstbildhauer (K) Nachbildungen in Holz geschnitzt, insbesondere die „Apfel-Madonna“.

An den Skulpturen des 15. Jahrhunderts besteht kein Urheberrecht; sie sind gemeinfrei. K. durfte diese nachschnitzen.

Entscheidend ist demnach, ob W. durch seine Nachbildung ein eigenes Urheberrecht an den Reproduktionen erlangt hat. Dies ist zu verneinen. Derjenige, der eine Skulptur nachschnitzt, schafft nicht aus eigener Vorstellung ein Werk, sondern wiederholt, was der Schöpfer des Originalwerkes auf Grund seiner schöpferischen Tätigkeit bereits geschaffen hat. Darin liegt aber keine persönliche geistige Schöpfung (BGHZ 44, 289, 293 – Apfel-Madonna).

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Noch einige Ausführungen zum Thema angewandte Kunst. Dies deshalb, weil hier zum Teil massive wirtschaftliche Interessen zutage treten, so dass es nicht verwunderlich ist, dass bezüglich dieser Werkart viele Rechtstreitigkeiten geführt werden.

Es geht hier um Gebrauchs- und Bedarfsgegenstände mit „künstlerischer Formgebung“ (Mode- und Schmuckschöpfungen, Möbel, Geschirr, z.B. ein Weißbierglas mit gläsernem Fußball …), um Figuren (Playmobil-Figuren, Alf), um Gebrauchsgrafik (Werbegrafik, Signets, Logos), auch um Kunstgewerbe (der Terminus selbst zeigt das Problem: Kunst oder Gewerbe?).

In allen diesen Fällen geht es insbesondere um das Problem der Kleinen Münze des Urheberrechtes (Rn. 27), also um die Bewertung, ob die betreffende Formgestaltung noch oberhalb der Untergrenze des Urheberrechtsschutzes liegt. Zu diesem Problemkreis hat der BGH jüngst in einem viel beachteten Urteil seine traditionelle Rechtsprechung aufgegeben. Er hat die Messlatte der zu fordernden Gestaltungshöhe für die angewandte Kunst und für die zweckfreie bildende Kunst (Gemälde, Skulpturen) auf die gleiche Höhe gelegt, d.h.: An die Werke der angewandten Kunst dürfen grundsätzlich keine anderen – keine höheren – Anforderungen gestellt werden als an die Werke der zweckfreien bildenden Kunst (BGH v. 13.11. 2013, Az. I ZR 143/12 – Geburtstagszug). Das bedeutet: Für beide Kunstarten reicht in gleicher Weise eine Gestaltungshöhe aus, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauung einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer künstlerischen Leistung zu sprechen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass bei der Beurteilung der Gestaltungshöhe die ästhetische Wirkung der Gestaltung nur insoweit einen Urheberrechtsschutz begründen kann, als diese nicht dem Gebrauchszweck dient, sondern allein auf künstlerischer Leistung beruht (BGH v. 12.5.2011, I ZR 53/10 – Seilzirkus). – Im Einzelnen vgl. Rn. 40 ff.

Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

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