Читать книгу 101 Dinge, die man über Dampfloks wissen muss - Andreas Knipping - Страница 15
10 Einfach genial
ОглавлениеFunktionsweise der Dampflok
Was macht man nun mit dem Abdampf, der nach seiner bestimmungsgemäßen Entspannung die Zylinder verlässt, und zwar immer noch ziemlich kraftvoll, weil der Frischdampf auf der anderen Seite des Kolbens ihn austreibt? Man lässt ihn – genau seit Stephensons ROCKET 1829! – nicht einfach ins Freie strömen, sondern schickt ihn durch das Blasrohr – sagen wir einmal: durch eine Düse – in die Rauchkammer, jenen schon erwähnten Vorderraum des Kessels, in dem aus den Rohren das abgekühlte Rauchgas ankommt.
Und wenn der Abdampf nun aus dem Blasrohr senkrecht nach oben durch den Schornstein gejagt wird, reißt er so viel Luft und Rauchgas mit, dass in der Rauchkammer ein Unterdruck entsteht. Der saugt nun wiederum Rauchgas aus der Feuerbüchse an, erneut mit der Folge vermehrten Zuges von Frischluft durch Aschkasten und Rost in die Feuerbüchse, der nach Erfahrung jedes Grill-Hobbykünstlers das Feuer anfacht. Das ist nun schon ein genialer Mechanismus! Wann immer die Maschine beim Anfahren oder auf einer Steigung mehr Dampf verbraucht, facht sie ganz automatisch selbst das Feuer verstärkt an; wenn hingegen beim Abbremsen in den Bahnhof hinein oder bei Bergabfahrt der Regler geschlossen wird, werden das Feuer und damit die Dampfproduktion genauso automatisch gemäßigt.
Forschung steigert Leistung
Leider unterschätzten die Konstrukteure bis ins 20. Jahrhundert hinein die Physik der Dampf-, Rauchgas- und Luftströme. Sie widmeten sich mit größter Akribie der Bemessung von Zylindern und Rädern und vernachlässigten die Größe der Luftklappen im Aschkasten und das Zusammenspiel von Blasrohr und Schornstein. In diesen Bereichen konnten der Franzose André Chapelon in den 1930er-Jahren und der Österreicher Adolph Giesl-Gieslingen noch in den 1950er-Jahren der Dampflokomotive mit mäßigem Investitionsaufwand beachtliche Leistungszuwächse erzielen.
Ein knappes Jahrhundert Blasrohrfortschritt von der bayerischen B IX (links) bis zur Güterzuglok in Ghana, die 1955 mit einem »Giesl-Ejektor« aus Österreich optimiert wird.