Читать книгу Klausurenkurs im Europarecht - Andreas Musil - Страница 132

Abwandlung A. Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch und
letztinstanzliche Gerichtsurteile

Оглавление

101

Damit A die 50 000 € verlangen kann, müsste ihr ein entsprechender Anspruch zustehen. Eine Schadensersatzklage gem. Art. 268 AEUV i.V.m. Art 340 II und III AEUV scheitert bereits daran, dass diese nur für die Amtshaftung der Union gilt, während hier nach dem Anspruch aufgrund des Verhaltens eines mitgliedstaatlichen Gerichts gefragt ist. In Betracht kommt aber ein Staatshaftungsanspruch der A wegen der Verletzung von Unionsrecht durch das Gericht in D. Einen solchen Anspruch hat der Gerichtshof in seinen Entscheidungen Francovich[18] und Brasserie du Pêcheur[19] richterrechtlich entwickelt. Er leitet ihn aus folgenden Prinzipien ab: der praktischen Wirksamkeit des Vertrages (effet utile), dem effektiven Schutz der Rechte Einzelner, der staatlichen Mitwirkungspflicht gem. Art. 4 III EUV und der Parallele zur Haftung der Union aus Art. 340 II AEUV. Der Gerichtshof sieht die Staatshaftung als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts an. Nach anfänglich heftiger Kritik erkennt mittlerweile auch die Literatur die Existenz dieses Anspruchs an[20].

Fraglich ist aber, ob er auch in Fällen von Unionsrechtsverletzungen durch letztinstanzliche nationale Gerichte gilt. Gegen eine solche Haftung wurde von den Mitgliedstaaten vorgebracht, dass sie mit der Funktion der Gerichte unvereinbar sei. Insbesondere stünden ihr die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Rechtskraft, der richterlichen Unabhängigkeit und Autorität sowie das teilweise Fehlen eines für solche Fälle zuständigen Gerichts entgegen[21]. Demgegenüber hat der EuGH im Fall Köbler[22] entschieden, dass der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch auch im Falle richterlich verursachten Unrechts gelten müsse. Er begründet dies zunächst damit, dass der Staat im Völkerrecht und damit erst recht im Unionsrecht als Einheit betrachtet werde, so dass es nicht darauf ankomme, welche der staatlichen Gewalten gehandelt habe[23]. Die von den Mitgliedstaaten angeführten Gefahren für die Funktion der Rspr. bestünden nicht. Im Gegenteil werde der Rechtsschutz der Bürger und die Autorität des Rechtssystems durch die Staatshaftung gestärkt[24].

Die Literatur folgt dem EuGH in seinem Grundansatz, wonach ein Haftungstatbestand auch im Falle judikativen Unrechts gewährt wird[25]. Dem ist mit Blick darauf zuzustimmen, dass es aus Sicht der Union für die Begründung mitgliedstaatlicher Haftung keinen Unterschied machen kann, welches innerstaatliche Organ gehandelt hat. Mithin ist vorliegend ein Staatshaftungsanspruch wegen Unionsrechtsverletzung nicht ausgeschlossen.

Klausurenkurs im Europarecht

Подняться наверх