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5. Afrikanische Union (AU)
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Die Afrikanische Union (AU) ist eine Internationale Organisation mit Sitz in Addis Abeba. 2002 hat sie die Nachfolge der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) angetreten. Sie hat 55 Mitglieder (einschließlich der West-Sahara, die international nicht als Staat anerkannt wird); nach Wiederzulassung der Zentralafrikanischen Republik im April 2016 sind derzeit die Mitgliedschaftsrechte keines Staates suspendiert (Stand: Juni 2019). Wegen der Mitgliedschaft der West-Sahara blieb Marokko der AU (wie schon zuvor der OAU) lange fern, ist aber im Januar 2017 beigetreten. Die Gründungsakte entwirft die AU als eine starke supranationale Organisation mit hohem Grad an politischer und rechtlicher Integration. Die tatsächliche Entwicklung hinkt derzeit diesem Entwurf allerdings noch recht deutlich hinterher. Bedenkt man, dass selbst in der politisch und kulturell homogeneren EU der heutige Stand der Integration das Ergebnis eines jahrzehntelangen konfliktträchtigen Prozesses war, wird man der AU einige Zeit zugestehen müssen, ihre rechtlichen Formen mit politischem Leben zu füllen.
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Art. 3 der AU-Gründungsakte von 2001 enthält einen ambitionierten Katalog von Zielen, zu denen die politische und sozioökonomische Integration des Kontinents, Förderung von Demokratie und Menschenrechten sowie eine nachhaltige Entwicklung ebenso gehören wie Sicherheit und Verteidigung und das Bestreben, gemeinsamen afrikanischen Positionen auf internationaler Ebene Gehör zu verschaffen. Auch soll die AU die Politiken existierender und künftiger regionaler Wirtschaftsgemeinschaften koordinieren und harmonisieren. Der Prinzipienkatalog in Art. 4 formuliert auf der einen Seite klassische völkerrechtliche Grundsätze wie die souveräne Gleichheit, Respekt vor Staatsgrenzen und politischer Unabhängigkeit, Gewalt- und Interventionsverbot sowie die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung, enthält auf der anderen Seite aber auch Besonderheiten wie die Verurteilung von Akten des Terrorismus (lit. o) und verfassungswidrigen Umstürzen (lit. p). Bemerkenswert ist der Katalog in sicherheitspolitischer Hinsicht: Neben dem Ziel einer gemeinsamen Verteidigungspolitik (lit. d) wird das Recht jedes Mitgliedstaates anerkannt, die AU um Hilfe bei der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit zu bitten (lit. j); vor allem aber erhält die Union das Recht, mit Blick auf „gravierende Umstände“, namentlich Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, in einem Mitgliedstaat auch militärisch zu intervenieren (lit. h). Dieses Interventionsrecht darf allerdings – ebenso wie Art. 8 des Rio-Paktes – nur im Rahmen der UNCh ausgeübt werden (Rn. 1077–1078).
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In ihrer Organstruktur (vgl. Art. 5) orientiert sich die AU am Vorbild der EU: Grundlegende Beschlüsse fasst die Unionsversammlung der Staats- und Regierungschefs, die einmal jährlich tagt (Art. 6 ff). Die Vorbereitung der Beschlüsse sowie die Durchführung liegen beim Exekutivrat (Ministerrat). In wirtschaftlichen und sozialen Fragen sowie bei Umweltschutz und humanitärer Hilfe hat der Exekutivrat eigene Beschlusskompetenzen (Art. 13). „Spezialisierte Technische Komitees“ unterstützen den Rat bei seiner Arbeit inhaltlich (Art. 14 f); seine Sitzungen werden vom Ständigen Ausschuss der Repräsentanten vorbereitet (Art. 21). Die Kommission besteht aus dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter sowie acht für bestimmte Sachgebiete zuständigen Kommissaren. Die Gründungsakte weist ihr nur die Aufgabe eines Sekretariats zu (Art. 20), sie hat aber nach dem Vorbild der EU-Kommission von der Unionsversammlung politische Impulsfunktionen übertragen bekommen. Das Panafrikanische Parlament mit Sitz in Midrand (Südafrika) setzt sich aus Abgeordneten zusammen, die von den nationalen Parlamenten entsandt werden. Es hat lediglich beratende Funktion. Ebenfalls beratend ist der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrat tätig, der sich aus Vertretern der Zivilgesellschaft zusammensetzt (Art. 22). 2008 wurde die Verschmelzung des AU-Gerichtshofs (Art. 18) mit dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschen- und Völkerrechte zum African Court of Justice and Human Rights beschlossen (aber noch nicht vollzogen).[156] Die Finanzinstitutionen der AU umfassen (Art. 19) die Afrikanische Zentralbank, den Afrikanischen Währungsfonds und die Afrikanische Investitionsbank. Von besonderem Interesse ist ein aus 15 Mitgliedern bestehender Friedens- und Sicherheitsrat, der über AU-Missionen zur Friedenssicherung entscheidet.
Vertiefende Literatur zu C.: zu I.
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Ausbildungsfälle zu § 2:
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Kontrollfragen:
▸ | Was versteht man unter einem Völkerrechtssubjekt? Welche Arten von Völkerrechtssubjekten sind heute anerkannt? Rn. 58–68 |
▸ | Ist der einzelne Mensch Subjekt des Völkerrechts? Rn. 66–68 |
▸ | Was ist ein stabilisiertes De-facto-Regime? Welchen völkerrechtlichen Status hat es? Rn. 69 |
▸ | Was sind die Inhalte des Selbstbestimmungsrechts der Völker? Gibt es ein Recht auf Sezession, und wie wirkt es im kolonialen Kontext? Rn. 70–72 |
▸ | Was sind die Elemente eines Staates i. S. d. Völkerrechts? Rn. 73 |
▸ | Was gehört zum Staatsgebiet eines Staates und was nicht? Rn. 74–77 |
▸ | Welche Arten des Gebietserwerbs werden unterschieden und was sind die einzelnen Erwerbstitel? Rn. 78–80 |
▸ | Was ist das Staatsvolk im Sinne des Völkerrechts? Rn. 83, 87 |
▸ | Welche Anforderungen stellt das Völkerrecht an den Erwerb und die Verleihung der Staatsangehörigkeit? Rn. 84 |
▸ | Welche Rolle spielen Effektivität und Legitimität von Regierungen im Völkerrecht? Rn. 89, 100–102 |
▸ | Bleibt auch ein sog. gescheiterter Staat (failed state) Völkerrechtssubjekt? Rn. 88 |
▸ | Geht die Übertragung von Hoheitsrechten mit einem Souveränitätsverlust einher? Rn. 94–95 |
▸ | Welche Wirkung hat die Anerkennung eines Staates? Rn. 97–99 |
▸ | Was unterscheidet den Gebietserwerb von der Staatensukzession? Rn. 104 |
▸ | Welche Formen der Staatennachfolge gibt es? Rn. 104 |
▸ | Inwieweit gehen im Rahmen der Staatennachfolge Pflichten aus völkerrechtlichen Verträgen und aus Völkergewohnheitsrecht über? Rn. 107–112 |
▸ | Grenzen Sie Bundesstaaten, Staatenbund und Internationale Organisationen voneinander ab! Rn. 92, 115 |
▸ | Wann und inwieweit besitzen Internationale Organisationen Völkerrechtspersönlichkeit? Worin liegt dabei die Sonderrolle der Vereinten Nationen? Rn. 116–118, 137 |
▸ | Was besagt der Grundsatz von den sog. implied powers? Rn. 124–125 |
▸ | Haften Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten einer von ihnen gegründeten Internationalen Organisation? Rn. 131 |
▸ | Stellen Sie die jeweiligen Kompetenzen von UN-Generalversammlung und UN-Sicherheitsrat bei der Friedenssicherung dar! Rn. 148–149, 155–156 |
▸ | Unterliegen die Befugnisse des UN-Sicherheitsrates nach Kapitel VII UNCh rechtlichen Grenzen und Kontrollen? Rn. 157 |