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1. Allgemeines
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In allen Weltregionen ist in jüngerer Zeit eine Zunahme von Bestrebungen zu verzeichnen, die regionale Integration über bestehende oder neue Regionalorganisationen voranzutreiben. Überlappende Mitgliedschaften sind dabei keineswegs unüblich. Dass der Integrationsgrad höchst unterschiedlich ausfällt und von dem in Europa erreichten noch weit entfernt ist, kann angesichts der z. T. gravierenden Unterschiede zwischen den Partnerstaaten in Hinblick auf Wirtschaft, Gesellschaft und politisches System nicht überraschen.
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In Europa (und weltweit) bildet die EU den am stärksten integrierten Verbund, der die Charakteristika einer zwischenstaatlichen Organisation in fast allen Politikfeldern längst zu Gunsten echt supranationaler Strukturen überwunden hat. Das „Europarecht“ (im engeren Sinne) ist als eine eigenständige Rechtsordnung zu komplex, als dass sich ein Überblick an dieser Stelle lohnen könnte. Dafür sollen Europarat (2.) und OSZE (3.) kurz vorgestellt werden; auf die NATO wird ihrer Zielrichtung wegen im Zusammenhang mit der Friedenssicherung durch Regionalorganisationen einzugehen sein (Rn. 1079–1081). Auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR haben sich die meisten Nachfolgestaaten 1991 in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammengefunden, die eine Kooperation ihrer Mitglieder auf allen Politikfeldern auf Basis von souveräner Gleichheit und Nichteinmischung anstrebt; in den meisten Bereichen überwiegt jedoch ein lose koordinierender Charakter; 1996 haben sich innerhalb der GUS Russland, Weißrussland, Kasachstan und Kirgisistan (1999: Beitritt Tadschikistans) zur Gemeinschaft Integrierter Staaten (GIS) zusammengeschlossen, die eine engere Kooperation nach dem Vorbild der EU anstreben. Um ein Gegengewicht zur ökonomischen Anziehungskraft der EU für Staaten in der Region zu bilden, haben die GIS-Staaten Ende 2000 die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet; am 1. Januar 2015 ist der Vertrag über die Eurasische Wirtschaftsunion in Kraft getreten.
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In Amerika ist v. a. die OAS als zentraler Baustein des Inter-Amerikanischen Systems zu nennen (4.); daneben existieren die primär wirtschaftlich ausgerichteten Organisationen NAFTA und Mercosur (portugiesisch: Mercosul). Ambitionierter in den Zielen, aber noch wenig stabilisiert präsentieren sich seit 1996 die Andengemeinschaft als Nachfolgerin des früheren Andenpakts sowie die 2008 gegründete Unasur. Als Gegenmodell zur OAS mit der starken Rolle der USA wurde 2010 die Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten gegründet.
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In Afrika verfolgt seit 2002 die AU (5.) das Projekt einer supranationalen Organisation für den gesamten Kontinent; der subregionalen Integration in Westafrika dienen in wirtschaftlicher, zunehmend aber auch in menschenrechtlicher und sicherheitspolitischer Hinsicht die ECOWAS, die East African Community (EAC) sowie die South African Development Community (SADC).[151] Afrika und den Nahen Osten verbindet die bereits 1945 gegründete Arabische Liga, die der Koordination der nationalen Politiken v. a. in wirtschaftlichen und sozialen Fragen gewidmet ist, aber auch Ansätze eines Verteidigungsbündnisses enthält. Eine Schwäche der Organisation dürfte darin liegen, dass die Beschlüsse ihrer Organe in der Regel nur diejenigen Staaten binden, die ihnen zugestimmt haben (Art. 7 des Paktes der Arabischen Liga). Über lange Zeit wurde der politische Zusammenhalt in erster Linie nur durch die Opposition zu Israel gestiftet. Mit ihrem (zu Beginn noch zurückhaltenden) Engagement im innersyrischen Konflikt hat die Liga 2012 Neuland betreten.
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In Asien dominieren derzeit noch subregionale Strukturen: Die südostasiatische Region ist seit 1967 in der ASEAN zusammengefasst, die sich jahrzehntelang über ihre Abgrenzung gegenüber der Volksrepublik China definierte; China, Japan und Südkorea zählen aber inzwischen zu ständigen „Dialogpartnern“. Die Organisation verfolgt das Ziel einer regionalen Integration nach dem Vorbild der EU, wobei der Fokus derzeit v. a. auf der Errichtung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums liegt. Im November 2012 wurden mit der Verabschiedung einer eigenen (unverbindlichen) Menschenrechteerklärung erste Schritte in Richtung einer regionalen Institutionalisierung des Menschenrechtsschutzes getan.[152] China ist seit 2001 mit Russland und mehreren zentralasiatischen Staaten in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organization) verbunden, die neben Kooperation in verschiedenen Politikfeldern insbesondere eine starke sicherheitspolitische Komponente besitzt (gemeinsame Anti-Terror-Politik). Die Brücke in den pazifischen Raum schlägt die Asiatisch-pazifische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (APEC), die Pazifikanrainerstaaten in Asien, Amerika und Australien und Ozeanien vor allem im Fernziel einer Freihandelszone miteinander verbindet. Die APEC ist derzeit noch eher ein politisches Forum denn eine fest institutionalisierte Organisation.