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1. Begriff des völkerrechtlichen Vertrags

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Völkerrechtliche Verträge sind

Vereinbarungen
zwischen Völkerrechtssubjekten, die
vom Völkerrecht bestimmt und
von einem Rechtsbindungswillen getragen sind.

Unerheblich ist dabei die Bezeichnung. Gebräuchlich sind Namen wie „Vertrag“ oder „Abkommen“; „Übereinkommen“, „Konvention“ oder „Pakt“ sind in der Regel Bezeichnungen für multilaterale Vertragswerke; Gründungsverträge Internationaler Organisationen heißen meist „Statut“, „Charta“ oder „Satzung“.

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Vereinbarung: Verträge beruhen auf dem Konsens der Parteien. Wie im Privatrecht auch wird der Konsens durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien hergestellt. Eine Annahmeerklärung unter Modifikation führt auch im Völkerrecht nicht zum Vertragsschluss, sondern stellt ein erneutes Angebot der anderen Seite dar. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Schriftform gebräuchlich; völkerrechtliche Verträge können aber auch mündlich geschlossen werden.

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Zwischen Völkerrechtssubjekten: Da das Völkerrecht nach wie vor primär Zwischenstaatenrecht ist, sind Verträge zwischen Staaten am häufigsten. Allerdings sind auch Verträge zwischen anderen Völkerrechtssubjekten (v. a. Internationalen Organisationen) oder Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten möglich (z. B. Verträge der EU mit dritten Staaten oder Sitzabkommen einer Internationalen Organisation und dem Gaststaat).

Viel diskutiert wurde v. a. in den 1970er Jahren die Rechtsnatur von Verträgen zwischen Staaten und ausländischen Wirtschaftsunternehmen. Solche Verträge wurden, jedenfalls wenn sie eine entsprechende Klausel enthielten, teilweise als internationalisierte Verträge angesehen, die dem Völkerrecht unterstanden und nicht dem Recht des staatlichen Partners. Der private Vertragspartner sollte auf diesem Wege eine Stellung als Quasi-Völkerrechtssubjekt erhalten. Das damit verfolgte Ziel, ausländische Investoren gegenüber dem Zugriff des Gaststaates zu schützen, wird heute überwiegend durch zwischenstaatliche Investitionsschutzabkommen geregelt, die dem Investor auf völkerrechtlicher Ebene Schutzrechte garantieren, ohne dass der Rückgriff auf solche Hilfskonstruktionen nötig wäre (vertiefend Rn. 993, 995–996). Während also dem Schutzbedürfnis privater Investoren heute weitgehend anders Rechnung getragen wird, bleibt die Frage, inwieweit das Völkervertragsrecht auf Verträge mit anderen Rechtspersonen ohne Völkerrechtspersönlichkeit, z. B. mit NGO oder Rebellengruppen in einem bewaffneten Konflikt, zumindest entsprechende Anwendung finden kann.[1]

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Vom Völkerrecht bestimmt: In der Regel treffen Staaten ihre Vereinbarungen als Gleiche nach den Regeln des Völkerrechts. Es steht ihnen jedoch als Ausdruck souveräner Handlungsfreiheit frei, einen Vertrag auch dem nationalen Recht eines Vertragspartners zu unterstellen. Dies geschieht bei politischen Verträgen aus begreiflichen Gründen nicht, wohl aber gelegentlich bei Kaufverträgen (z. B. Kauf eines Grundstücks zur Errichtung der Botschaft). Sofern die Unterstellung unter das Recht eines der Partner nicht ausdrücklich erfolgt oder sich eindeutig aus den Umständen ergibt, dürfte ein Vertrag zwischen Völkerrechtssubjekten stets „vom Völkerrecht bestimmt“ sein.

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Rechtsbindungswille: An dem erforderlichen Willen, sich rechtlich zu binden, fehlt es z. B. bei „Gentlemen's Agreements“ oder politischen Absichtserklärungen, die aber als sog. soft law indirekt Einfluss auf die Rechtsentwicklung gewinnen können. Ein klassisches Beispiel für ein „Gentlemen's Agreement“ ist die KSZE-Schlussakte von Helsinki. Ob ein Rechtsbindungswille vorliegt, ist aus objektivierter Sicht zu bestimmen (also nicht aus der subjektiven Sicht der Parteien); Anhaltspunkte sind Sprache, Form und Umstände.

Die Frage der Rechtsverbindlichkeit wurde u. a. in Bezug auf die Charta von Paris für ein neues Europa aufgeworfen, in der die KSZE-Staaten den 2+4-Vertrag zur deutschen Einheit „mit Genugtuung zur Kenntnis“ nahmen – und damit möglicherweise noch bestehende Reparationsansprüche Griechenlands gegen Deutschland zum Erlöschen brachten.[2] Ebenfalls diskutiert wurde im Zuge der Annexion der Krim 2014 die Frage der Bindungskraft des Budapester Memorandums vom 5.12.1994, in dem die USA, Großbritannien und Russland der Ukraine im Gegenzug zu deren Verzicht auf ehemalige sowjetische Atomwaffen die Unabhängigkeit in den bestehenden Grenzen garantierten.[3]

Qatar/Bahrain I (IGH 1994)[4]

In einem territorialen Rechtsstreit zwischen den Emiraten Qatar und Bahrain hatte Qatar den IGH angerufen. Grundlage für die Anrufung des Gerichtshofs war eine von den Außenministern beider Staaten und dem als Vermittler agierenden saudi-arabischen Außenminister unterzeichnete Gesprächsnotiz. Qatar sah hierin einen Vertrag darüber, den Rechtsstreit dem IGH zu unterbreiten, Bahrain bestritt die Rechtsverbindlichkeit einer Notiz, die bloß protokollierenden Charakter besitze.

Der IGH schloss v. a. aus Inhalt und Systematik auf den Vertragscharakter des Dokuments:

„Thus the 1990 Minutes include a reaffirmation of obligations previously entered into; they entrust King Fahd with the task of attempting to find a solution to the dispute during a period of six months; and, lastly, they address the circumstances under which the Court could be seised after May 1991. Accordingly, and contrary to the contentions of Bahrain, the Minutes are not a simple record of a meeting […]; they do not merely give an account of discussions and summarize points of agreement and disagreement. They enumerate the commitments to which the Parties have consented. They thus create rights and obligations in international law for the Parties. They constitute an international agreement.“

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