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2. Europarat
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Der Europarat ist eine 1949 gegründete Internationale Organisation mit Sitz in Straßburg. Er hat derzeit 47 Mitglieder (Stand: Juni 2019) und umfasst somit nahezu alle europäischen Staaten (wichtige Ausnahme: Weißrussland). Die Aufgaben legt Art. 1 der Satzung fest. Die Mitglieder des Europarates bekennen sich gemäß Art. 3 der Satzung zu Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten und verpflichten sich zu aktiver Mitarbeit bei der Verfolgung der in Art. 1 genannten Ziele. Aus der Präambel und zahlreichen weiteren Bestimmungen und Dokumenten ergibt sich zudem ein klares Bekenntnis zur Demokratie.
Zur Mitgliedschaft kann jeder europäische Staat eingeladen werden, der „für fähig und gewillt befunden wird, die Bestimmungen des Artikels 3 zu erfüllen“ (Art. 4). Zum Beleg dessen sind die Kandidaten verpflichtet, „die Europäische Menschenrechtskonvention zu unterzeichnen und binnen kurzer Frist die Gesamtheit ihrer Kontrollbestimmungen anzuerkennen“.[153] Bei schweren Verstößen gegen Art. 3 kann gemäß Art. 8 das Recht auf Vertretung in den Organen des Europarates vorläufig entzogen und das Mitglied zum Austritt aufgefordert werden.[154] Kommt das Mitglied der Aufforderung nicht nach, ist ein Ausschluss möglich. Daneben hat sich in der Praxis ein Monitoring-System entwickelt, das Sanktionen unterhalb der Schwelle des Art. 8 ermöglicht.
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Organe des Europarates sind das Ministerkomitee und die Beratende Versammlung. Ihnen steht das Sekretariat des Europarates zur Seite (Art. 10). Das Ministerkomitee setzt sich aus den Außenministern der Mitgliedstaaten bzw. einem Beauftragten (in der Regel im Ministerrang) zusammen; jeder Staat hat im Ministerrat eine Stimme (Art. 14). Das Ministerkomitee trifft verbindliche Beschlüsse in Bezug auf die Organisation (Art. 16), hinsichtlich der politischen Aufgaben des Europarates billigt es Übereinkommen und kann Empfehlungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten richten (Art. 15). Die Beratende Versammlung (auch „Parlamentarische Versammlung“ genannt) besteht aus Abgeordneten, die von den Parlamenten der Mitgliedstaaten aus ihrer Mitte gewählt oder bestimmt werden (Art. 25). Die Zahl der Sitze ist nach der Bevölkerungszahl abgestuft (zwischen 2 und 18 Sitzen). Die Versammlung kann sich mit allen Fragen befassen, die in den Aufgabenbereich des Europarates fallen und Stellungnahmen sowie Empfehlungen gegenüber dem Ministerkomitee abgeben (Art. 23). Ministerrat wie Beratende Versammlung können Komitees und Ausschüsse einsetzen (Art. 17, 24). Das Sekretariat besteht aus dem Generalsekretär und seinem Stellvertreter (die auf Empfehlung des Ministerkomitees von der Beratenden Versammlung ernannt werden: Art. 36 lit. b) sowie dem Verwaltungspersonal. Es ist im Unterschied zur UNO weitgehend auf administrative Aufgaben beschränkt.
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Der Europarat ist in seiner Tätigkeit auf Konsultationen und Empfehlungen beschränkt; Hoheitsbefugnisse gegenüber den Mitgliedstaaten besitzt er nicht. Dennoch kommt den Empfehlungen des Ministerrates, die auf eine Harmonisierung von Standards v. a. in menschenrechtlichen und sozialen Bereichen zielen, eine persuasive authority zu. Verdienste hat sich der Europarat auch beim Menschenrechts-Monitoring erworben, z. B. durch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Committee for the Prevention of Torture, CPT). Praktisch relevant ist auch die Tätigkeit der 1990 vom Ministerkomitee eingerichteten sog. Venedig-Kommission (Europäische Kommission für Demokratie durch Recht), die Staaten in Mittel- und Osteuropa im Prozess der Verfassungsgebung und -änderung berät.[155]
Von besonderer Bedeutung ist die Funktion des Europarates als „Geburtshelfer“ von Verträgen v. a. im menschenrechtlichen Bereich. Außer der EMRK (mit ihren bis dato 16 Zusatzprotokollen) sind unter der Ägide des Europarates u. a. die folgenden Abkommen entstanden: Europäisches Übereinkommen über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten (1957), Europäische Sozialcharta (1961; revidiert 1996), Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (1987), Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (1992), Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (1995), Europäisches Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten (1996), Europäisches Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (1997), Übereinkommen über Computerkriminalität (2001), Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (2005), Konvention des Europarates gegen Menschenhandel (2005); daneben zahlreiche Abkommen, die den Themen Wirtschaft und Bildung sowie Fragen innereuropäischer Migration gewidmet sind.
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Praktische Wirksamkeit erlangt die Menschenrechtspolitik des Europarates v. a. durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Rn. 635–639). Dieser ist zwar kein Organ des Europarates, aber mit diesem über die EMRK konstitutionell verbunden; über die Durchführung seiner Urteile in den Mitgliedstaaten wacht das Ministerkomitee (Art. 46 Abs. 2 EMRK). Da jeder Bewohner eines Konventionsstaates den EGMR anrufen kann und die Urteile des Gerichtshofs rechtsverbindlich sind, liegt hier ein wichtiger Hebel zur rechtsstaatlichen Domestizierung der Mitgliedstaaten des Europarates.