Читать книгу Geschichte der USA - Anke Ortlepp - Страница 28
Die Schwäche des KonföderationskongressesKonföderationskongress
ОглавлениеDer „vagabundierende“ KonföderationskongressKonföderationskongress symbolisierte in den 1780er Jahren den Zustand einer unvollkommenen Union, der die lenkende Hand und ein lebendiges Kraftzentrum fehlte. Nachdem die Delegierten 1783 aus Furcht vor Soldaten, die ihre Soldzahlungen einforderten, PhiladelphiaPhiladelphia verlassen hatten, konnten sie sich auf keinen festen Sitz mehr einigen, sondern tagten an wechselnden Orten. Die Wahlbestimmungen für Kongressdelegierte verhinderten eine personelle Kontinuität und bewirkten, dass viele der fähigsten Politiker Mitte der 1780er Jahre ausscheiden mussten. Unter diesen Umständen verlor die Öffentlichkeit, die sich ohnehin stärker auf das Geschehen in den jeweiligen Staaten konzentrierte, mehr und mehr das Interesse am Kongress. Dennoch war die Bilanz des KonföderationskongressesKonföderationskongress nicht völlig negativ. Einen außenpolitischen Erfolg bedeutete der Abschluss des HandelsvertragsAußenpolitikHandelsvertrag mit Preußen (1785) mit PreußenPreußen 1785. Seine größte Leistung vollbrachte der KongressKonföderationskongress kurz vor der Auflösung 1787 mit der Verabschiedung der von JeffersonJefferson, Thomas konzipierten Northwest OrdinanceNorthwest Ordinance (1787). Sie legte Richtlinien für die weitere territoriale AusdehnungTerritoriale Expansion der Vereinigten Staaten fest, indem sie die Gründung von mehreren neuen Staaten im Gebiet zwischen OhioOhio und den Großen Seen (Northwest Territory) vorsah. Diese Staaten sollten in die Union aufgenommen werden, sobald sie eine Einwohnerzahl von 60.000 erreicht und sich eine republikanische VerfassungVerfassung gegeben hatten. Damit war sichergestellt, dass der WestenWestenErschließung nicht permanent als Kolonialgebiet verwaltet, sondern nach und nach gleichberechtigt in die Union integriert werden würde. Überdies schloss die Northwest OrdinanceNorthwest Ordinance (1787) jegliche Form von SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) im Ohio-Territorium aus. Ursprünglich hatte JeffersonJefferson, Thomas dieses Verbot auf den gesamten Westen bis hinunter zum Golf von MexikoGolf v.Mexiko ausdehnen wollen, doch sein Vorschlag war am Widerstand der Südstaaten-Delegierten gescheitert.
Besonders nachteilig machte sich die Schwäche des KongressesKonföderationskongress im Bereich der AußenwirtschaftWirtschaft, des zwischenstaatlichen Handels und der FinanzenFinanzwesenRevolutionsepoche bemerkbar. Die Londoner Regierung behinderte auch nach dem Friedensschluss die amerikanischen Exporte in die KaribikKaribik und nach EnglandGroßbritannien, während englische Kaufleute rasch ihre Vorkriegsrolle als Hauptlieferanten von Fertigwaren und Kreditgeber zurückeroberten. Nur sie waren nämlich im Stande, den enormen Konsum- und Investitionsbedarf der Amerikaner zu befriedigen, der sich in acht Kriegsjahren angestaut hatte. Daraus folgten aber hohe Handelsdefizite, ein Abfluss des Hartgeldes nach EnglandGroßbritannien und eine steigende Verschuldung amerikanischer Pflanzer und Farmer, die sich Geld liehen oder auf Kredit kauften. Dieser „Konsumrausch“ ging schon 1784 in eine DeflationskriseFinanzwesenRevolutionsepoche mit sinkenden Preisen, Geldverknappung und ArbeitslosigkeitArbeiterArbeitslosigkeit über. Der Kongress musste hilflos zuschauen, da er keine Vergeltungsmaßnahmen gegen die britischenGroßbritannien Handelsbeschränkungen ergreifen durfte und folglich weder in der Lage war, die Importe zu drosseln noch die Exporte zu steigern. Weil ihm zudem die Befugnis fehlte, den Handel zwischen den Staaten zu regulieren, konnte er nicht einmal verhindern, dass sich die Engländer Vorteile verschafften, indem sie einen Staat gegen den anderen ausspielten. Auf diese Weise drohte die Gefahr, dass interne Handels- und Zollschranken die Union unterminieren würden.
Noch verhängnisvoller wirkte sich die fehlende Zoll- und SteuergewaltFinanzwesenRevolutionsepoche des KongressesKonföderationskongress aus, die ihn ganz vom finanziellen Wohlwollen der Staatenparlamente abhängig machte. In dem Maße, wie sich die WirtschaftskriseWirtschaft verschärfte, nahm nämlich die Bereitschaft der Staaten ab, die Forderungen des KongressesKonföderationskongress zu erfüllen, und einige Parlamente stellten ihre Zahlungen ganz ein. Ohne ein sicheres Einkommen war es dem Kongress aber unmöglich, die noch lange nicht bewältigten finanziellen Folgelasten des Krieges zu tragen. Sie resultierten daraus, dass man Steuererhöhungen zur Kriegsfinanzierung so weit wie möglich vermieden und sich stattdessen mit Papiergeldemissionen und Anleihen beholfen hatte. Der größte Teil des Papiergeldes, das der Kongress – parallel zu den einzelnen Staaten – gedruckt hatte, war um diese Zeit bereits aus dem Umlauf gezogen worden. Anders sah es dagegen mit SchuldverschreibungenFinanzwesenRevolutionsepoche und Anleihescheinen aus, für die Zinsen gezahlt werden mussten. Eine hohe Priorität besaßen natürlich auch die Auslandsanleihen, die man in FrankreichFrankreichUnabhängigkeitskrieg und den NiederlandenNiederlande aufgenommen hatte. Die Kreditwürdigkeit des Kongresses im Innern wie nach außen hing davon ab, dass er zumindest seinen Zinsverpflichtungen gegenüber den Gläubigern nachkam. Auf Grund der finanziellen Schwierigkeiten und der schlechten Zahlungsmoral der Einzelstaaten war dies jedoch ab 1785 nicht mehr gewährleistet. Deshalb verfiel der Wert der kontinentalen Schuldverschreibungen, und auch das Vertrauen der europäischen Gläubiger, das für weitere Kredite unabdingbar war, drohte vollends verloren zu gehen. Ende 1786 stand fest, dass der Staatsbankrott nur noch durch grundlegende Änderungen auf dem FinanzsektorFinanzwesen vermieden werden konnte.
Die Kritik am handlungsunfähigen KongressKonföderationskongress verband sich mit wachsender Unzufriedenheit über die Politik der Einzelstaaten, die selbst nach Meinung etlicher radikaler Revolutionsführer „die Demokratie zu weit trieben“. Dieser Vorwurf zielte vor allem auf die Staatenlegislativen, die ihr Übergewicht in den neuen Verfassungssystemen zu einer veritablen ParlamentssouveränitätParlamentssouveränität ausbauten. Andererseits trat die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit immer deutlicher zu Tage. Das Prinzip der jährlichen Wahlen bewirkte häufig wechselnde Mehrheiten, die eine stetige Regierungs- und Verwaltungsarbeit nahezu unmöglich machten. Unter diesen Umständen nimmt es fast wunder, dass doch eine Reihe konstruktiver Leistungen erzielt wurde. Das betraf z.B. die bereits erwähnten Maßnahmen gegen die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) in den nördlichen Staaten, aber auch die von JeffersonJefferson, Thomas formulierte Bill for Establishing Religious Freedom, die das virginische Parlament 1786 annahm. Durch die rechtliche Gleichstellung aller christlichen Glaubensgemeinschaften und das Verbot, sie mit staatlichen Mitteln zu alimentieren, verwirklichte dieses Gesetz erstmals die strikte Trennung von Kirche und Staat.
Generell wurde die politische Auseinandersetzung in den Parlamenten immer härter, und die Mehrheiten nahmen wenig Rücksicht auf die Rechte der Minderheiten oder die Bestimmungen der Verfassungen. Am heftigsten wurde über die Methode gestritten, mit der die WirtschaftskriseWirtschaft bekämpft werden sollte. Einige Parlamente beschlossen wieder PapiergeldemissionenFinanzwesenRevolutionsepoche, um den Mangel an Hartgeld auszugleichen und den Druck der öffentlichen und privaten Schulden zu lindern. Dabei nahmen sie einen inflationären Wertverlust des Papiergeldes in Kauf, der die Gläubiger schädigte und vehemente Beschwerden über die Verletzung des Rechts auf Eigentum auslöste. Andere Parlamente, in denen die Gläubiger mehr Einfluss hatten, setzten eine harte Sparpolitik durch, mit der die Lasten der Krise auf die kleinen SteuerzahlerFinanzwesenRevolutionsepoche abgewälzt wurden. Ein solcher Kurs barg aber die Gefahr sozialer Unruhen, die dann auch nicht lange auf sich warten ließen. Die gefährlichste Situation entstand im westlichen MassachusettsMassachusetts, wo sich die Farmer, deren Besitz von Zwangsversteigerung bedroht war, weil sie ihre Steuern nicht zahlen konnten, im Herbst 1786 zusammenschlossen, die Kreisgerichte lahmlegten und ein staatliches Waffenlager zu erobern versuchten. Diese Protestbewegung, die nach einem ihrer Anführer, dem ehemaligen Hauptmann der KontinentalarmeeKontinentalarmee Daniel ShaysShays, Daniel, Shays’ RebellionShays’ Rebellion genannt wurde, konnte im folgenden Frühjahr durch den Einsatz von Milizen aus der Küstenregion niedergeschlagen werden. In der gespannten Atmosphäre betrachteten aber viele der führenden Politiker, die bislang noch auf Appelle an die Bürgertugend gesetzt hatten, die agrarischen Unruhen in Massachusetts und in einigen anderen Staaten als Anzeichen einer beginnenden Auflösung des gesellschaftlichen Gefüges der Union. Selbst George WashingtonWashington, George, der übertriebenen Berichten aus dem Aufstandsgebiet bereitwillig Glauben schenkte, zweifelte nun daran, ob die Amerikaner wirklich reif seien, sich selbst zu regieren.
Unterdessen waren auch die Bemühungen, die finanzielleFinanzwesenRevolutionsepoche Lage des Kongresses durch eine Änderung der KonföderationsverfassungKonföderation zu verbessern, an dem Zwang zur Einstimmigkeit gescheitert. Als letzten Rettungsanker griff man nun die Idee eines allgemeinen Reformkonvents auf, die eine Gruppe von Politikern um den New Yorker Anwalt Alexander HamiltonHamilton, Alexander und den virginischen Pflanzer James MadisonMadison, James – beides enge Vertraute George WashingtonsWashington, George – schon seit Beginn der 1780er Jahre verfolgt hatte. Diese nationalistsNationalists, wie sie von den radikalen Republikanern abschätzig genannt wurden, diagnostizierten einen inneren Zusammenhang zwischen den Unzulänglichkeiten der KonföderationsverfassungKonföderation und der Instabilität der Einzelstaaten. Aus den Erfahrungen, die sie seit dem Krieg auf beiden Ebenen gesammelt hatten, schlossen sie, dass weder Bürgertugend noch ReligionReligion die negativen menschlichen Eigenschaften, vor allem Ehrgeiz und Habgier, wirksam kontrollieren konnten; virtuevirtue und religion mussten, wie MadisonMadison, James sich ausdrückte, ergänzt werden durch institutionelle Heilmittel gegen die Gebrechen, die der republikanischen Staatsform naturnotwendig innewohnten.
Im Unterschied zu den meisten ihrer Landsleute, deren erste Loyalität dem eigenen Staat oder der Region gehörte, verfügten HamiltonHamilton, Alexander und MadisonMadison, James wie auch WashingtonWashington, George über eine „kontinentale Vision“, mit der sie die ungeheuren Entwicklungsmöglichkeiten der Vereinigten Staaten vorausahnten. HamiltonHamilton, Alexander hatte hauptsächlich die wirtschaftlichenWirtschaft und militärischen Vorteile einer starken ZentralregierungRegierungssystemZentralregierung im Auge. Seine Ziele waren der einheitliche amerikanische Binnenmarkt, eine stabile WährungFinanzwesenRevolutionsepoche und eine Militärmacht, mit der jeder potenzielle Gegner in Schach gehalten werden konnte. Das setzte voraus, dass der Kongress finanziell von den Staaten unabhängigFinanzwesenRevolutionsepoche wurde und eine wirkliche nationale Führungsrolle erhielt. MadisonMadison, James, der viel historische und staatsrechtliche Literatur heranzog, sorgte sich mehr um die innere Stabilität der Union. Abweichend von MontesquieuMontesquieu, Charles de Secondat, Baron de behauptete er schon im Frühjahr 1787, eine lockere KonföderationKonföderation republikanischer Staaten, wie sie die Articles of ConfederationArticles of Confederation geschaffen hatten, könne den sozialen Frieden und die politische Freiheit nicht dauerhaft gewährleisten. Dies sei nur möglich durch die enge Einbindung der Staaten in eine föderativ-nationale Ordnung neuen Stils, die auch Raum lasse für die Ausdehnung nach WestenWestenErschließung. Mit Hilfe einer starken ZentralregierungRegierungssystemZentralregierung könne die Führungselite die nötige Kontrolle über die Staatenparlamente ausüben, ohne dass dadurch der RepublikanismusRepublikanismus und das Prinzip der VolkssouveränitätVolkssouveränität gefährdet würden.
MadisonsMadison, James und HamiltonsHamilton, Alexander Gedanken standen lange Zeit zu sehr im Widerspruch zur vorherrschenden Meinung, als dass sie Aussicht auf Realisierung gehabt hätten. Noch im September 1786 hielten es nur fünf Staaten für opportun, sich an einer von HamiltonHamilton, Alexander initiierten Konferenz in der Hauptstadt von MarylandMaryland, AnnapolisAnnapolis, Maryland, zu beteiligen. Die Versammlung begnügte sich deshalb mit einer Einladung an alle Staatenparlamente, im Mai 1787 Delegierte zu einem Konvent nach PhiladelphiaPhiladelphia zu entsenden. Um die Jahreswende 1786/87 schufen dann die Sorge vor dem finanziellenFinanzwesenRevolutionsepoche Zusammenbruch der Union und das Erschrecken vor Shays’ RebellionShays’ Rebellion die stimmungsmäßigen Voraussetzungen für tiefgreifende Reformen. Als der Philadelphia-Konvent seine Arbeit aufnahm, waren alle Staaten außer Rhode IslandRhode Island vertreten, dessen radikale Parlamentsmehrheit die Verfassungsmäßigkeit des Unterfangens anzweifelte.