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Die USA am Ende der Revolutionsepoche

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Nach einem halben Jahrhundert voller Kämpfe und Kriege, raschen sozialen Wandels und tiefgreifender konstitutioneller Neuordnungen ging die Revolutionsepoche in Amerika und Europa zu Ende. Im Schatten des Wiener KongressesWiener Kongress vollzogen die Vereinigten Staaten – immer noch als eine Art „Juniorpartner“ – den Eintritt in den Welthandel und in die Politik der großen Mächte. Auf ihrer Seite des Atlantiks setzten die Prinzipien der VolkssouveränitätVolkssouveränität, des FöderalismusFöderalismus und der unantastbaren Grundrechte der staatlichen Macht Grenzen und sicherten die Freiheit des Individuums einschließlich seines Strebens nach Glück, Erfolg und Gewinn. Trotz der großen regionalen Unterschiede und politischen Differenzen war es gelungen, mit Hilfe wirksamer Symbole – die Gründungsdokumente, das Sternenbanner, die (noch inoffizielle) Hymne – zumindest in Ansätzen eine nationale Identität zu konstruieren. Bei bestimmten regelmäßigen Anlässen – dem Unabhängigkeitstag am 4. Juli, WashingtonsWashington, George Geburtstag, der Inauguration eines Präsidenten – verband die civil religioncivil religion alle diese Elemente mit ihren ebenso schlichten wie populären Ritualen. Darüber hinaus hatten sich die Amerikaner in der Gestalt des Uncle SamUncle Sam, bei der ein Armeelieferant aus dem Krieg von 1812 Pate stand, eine volkstümliche Figur geschaffen, auf die sie ihre tatsächlichen und vermeintlichen „nationalen Charaktereigenschaften“ projizieren konnten. Vor allem war aber die Geschichte selbst, das gemeinsame Erlebnis von Revolution, UnabhängigkeitskriegUnabhängigkeitskrieg und Verfassungsgebung, zu einem einigenden Band geworden.

Jedoch waren auch in Amerika längst nicht alle Verheißungen von Revolution und Unabhängigkeit in Erfüllung gegangen. Die Vorstellung einiger intellektueller Nationalisten, die Vereinigten Staaten könnten sich wirtschaftlichWirtschaft und kulturell ganz von Europa „abnabeln“, erwies sich rasch als illusorisch. Die USA waren nach wie vor ein peripherer Teil des atlantischen Handelssystems, dessen Zentrum in LondonLondon lag, und die amerikanische Elite übernahm weiterhin künstlerische Stile und geistige Strömungen wie KlassizismusKlassizismus und RomantikRomantik aus Europa. Gemessen an dem Ausbruch kultureller Kreativität im Europa des frühen 19. Jahrhunderts, verbunden mit Namen wie GoetheGoethe, Johann Wolfgang von, ShelleyShelley, Percy Bysshe, BeethovenBeethoven, Ludwig van, TurnerTurner, J.M. William und GoyaGoya, Francisco de, sanken die Vereinigten Staaten eher noch weiter in die Mittelmäßigkeit ab. Der frühe Reformeifer, der eine allgemeine Anhebung des Niveaus im BildungsBildungswesen- und GesundheitswesenGesundheitswesen erstrebt hatte, machte allzu schnell kleinlichen Sparsamkeitserwägungen Platz oder fiel dem Staatenpartikularismus zum Opfer. Die FrauenFrauen waren wegen ihrer erzieherischen Funktion als „republican mothers“ zwar ideologisch aufgewertet worden, aber an ihrer untergeordneten rechtlichen Stellung hatte sich kaum etwas geändert, und politisch blieben sie trotz der Mahnungen von Abigail AdamsAdams, Abigail und der Popularität von Mercy Otis WarrenWarren, Mercy Otis weiterhin unmündig. Anstatt das Geschlechterverhältnis nach naturrechtlichen Prinzipien neu zu ordnen, hielten Politiker und Juristen an common lawCommon Law-Grundsätzen fest, denen zufolge verheiratete Frauen weder autonome Rechtssubjekte noch mündige Staatsbürgerinnen waren. Im Verhältnis zu den indianischen Ureinwohnern geriet die ursprünglich für möglich erachtete Integration durch Assimilierung und Christianisierung allmählich aus dem Blick; vielmehr zeichnete sich als „Lösung“ des IndianerproblemsNative AmericansUmsiedlung nach 1820 spätestens nach dem Krieg von 1812/14 eine brutale Verdrängungspolitik ab.

Den sichtbarsten Widerspruch zu den „Ideen von 1776“ bildete aber das Fortbestehen der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) über das 1808 vom Kongress verhängte Verbot des Sklavenhandels hinaus. Südstaaten-Pflanzer hatten die 20-Jahres-Frist seit Annahme der VerfassungVerfassung genutzt, um 250.000 neue AfrikanerAfroamerikanerBevölkerungsentwicklung zu importieren, etwa ebenso viele wie während der gesamten Kolonialzeit. Schon die Beratungen des Verfassungskonvents von PhiladelphiaPhiladelphia und die Ratifizierungsdebatten in den Staaten hatten erkennen lassen, dass der Antisklaverei-Impuls der ersten Revolutionsphase an Kraft verlor. Als Sklavereigegner den neuen Kongress 1790 mit Petitionen bestürmten, stellte sich die Mehrheit unter Führung von James MadisonMadison, James auf den Standpunkt, dass die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) – anders als der Sklavenhandel – allein Angelegenheit der Einzelstaaten sei. Ab den 1790er Jahren verschlechterte sich die Lage der AfroamerikanerAfroamerikanerRevolution vor allem aus zwei Gründen weiter: Zum einen führte der blutige Sklavenaufstand in der französischen KolonieFrankreichKolonien Santo Domingo (HaitiHaiti) den amerikanischen Pflanzern die Gefahren des SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner)-Systems vor Augen und veranlasste sie zu schärferen Kontrollmaßnahmen. Diese Schutzvorkehrungen wurden weiter perfektioniert, als sich in den Südstaaten selbst Anzeichen von Sklavenunruhen – etwa die von Gabriel ProsserProsser, Gabriel organisierte Verschwörung in VirginiaVirginia im Jahr 1800 – bemerkbar machten. Noch wichtiger war aber ein zweiter Faktor: die steigende Nachfrage nach BaumwolleBaumwolle in Europa, die vor allem die IndustrialisierungIndustrialisierung Englands erzeugte. Bis zur Jahrhundertwende hatten die meisten Sklaven noch auf Tabak-, Zuckerrohr- oder Reisplantagen gearbeitet. Danach ließen technische Innovationen wie Eli WhitneysWhitney, Eli Entkernungsmaschine sowie die Erschließung fruchtbaren Landes im SüdwestenSüdwesten den Baumwollanbau immer lukrativer und die Sklaven als Arbeitskräfte und „Kapital“ entsprechend wertvoller werden. Auch nach 1808 gelangten weiterhin Sklaven in die USA, weil die Bundesregierung über keine geeigneten Mittel verfügte, das Einfuhrverbot durchzusetzen, und weil die weiße Bevölkerung im SüdenSüden mit den Schmugglern sympathisierte. Außerdem setzte nun ein schwunghafter interner Handel zwischen den Staaten an der Atlantikküste und dem MississippitalMississippi (Fluss) ein, der es den Pflanzern in RichmondRichmond, Virginia, CharlestonCharleston, South Carolina und SavannahSavannah, Georgia ermöglichte, ihre Sklaven profitabel abzusetzen. Legale und illegale Einfuhren aus AfrikaAfrika und der KaribikKaribik, vor allem aber die natürliche Vermehrung ließen die Zahl der Sklaven im amerikanischen Süden zwischen 1790 und 1820 von 700.000 auf über 1,5 Millionen (= 40 Prozent der BevölkerungBevölkerungsentwicklung) ansteigen. Das entlarvte die Erwartung vieler Revolutionäre, zu denen auch JeffersonJefferson, Thomas und MadisonMadison, James gehörten, die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) werde sich nach der Einfuhrsperre von 1808 „auf natürlichem Wege“ erledigen, als Wunschdenken. Die Freilassungen, die während der Revolution im Norden und im Oberen Süden erfolgt waren, fielen dagegen zahlenmäßig kaum ins Gewicht. 1810 waren ca. 190.000 AfroamerikanerAfroamerikanerRevolution rechtlich frei (= 13,5 Prozent der gesamten schwarzen Bevölkerung der USA), und knapp 110.000 von ihnen lebten in den Südstaaten. Danach ging der prozentuale Anteil der freien Schwarzen jedoch kontinuierlich zurück, weil die Südstaatenparlamente (mit Ausnahme von DelawareDelaware und MarylandMaryland) die EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation immer mehr erschwerten oder ganz verboten. Pläne, durch den Verkauf von Land im WestenWesten Finanzmittel zu beschaffen, mit denen die Sklavenbesitzer entschädigt werden könnten, ließen sich nicht realisieren. Auch die Bemühungen um eine RücksiedlungAfroamerikaner„Rekolonisierung“ von Schwarzen nach AfrikaAfrika, die seit dem Frieden von 1814 zunahmen und 1816 zur Gründung der American Colonization SocietyAmerican Colonization Society führten, konnten an Wachstum und Ausbreitung der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) nichts ändern.

UnabhängigkeitskriegUnabhängigkeitskrieg und Revolution hatten dazu beigetragen, die demographischen und ideologischen Unterschiede zu verschärfen, die hinsichtlich der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) von jeher zwischen Norden und SüdenSüden bestanden. Der Gründergeneration war es nicht gelungen, den von vielen schmerzlich verspürten Widerspruch zwischen Recht und Moral auf der einen und wirtschaftlichen Interessen und rassischen Vorurteilen auf der anderen Seite zu lösen. Privat standen politische Führer wie WashingtonWashington, George, JeffersonJefferson, Thomas und MadisonMadison, James dem System der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) durchaus kritisch gegenüber, aber sie fanden nicht den Mut, an die Spitze einer Bewegung zur Überwindung dieses gesellschaftlichen Übels zu treten. Da es ihnen nie ganz gelang, sich von der Annahme einer „natürlichen Minderwertigkeit“Rassismus der Schwarzen frei zu machen, sahen sie auch keine echte Möglichkeit für ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben von weißen und schwarzen Bürgern in der neuen Republik. Nach 1820 blieb den Gegnern der SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) wenig mehr übrig, als das weitere Vordringen dieser „eigentümlichen Institution“ (peculiar institutionpeculiar institution) in die Westgebiete zu verhindern. Die Probleme, die sich aus dem Zusammenhang von territorialer Expansion und SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) für den Bestand der Union ergaben, traten nun immer deutlicher zu Tage.

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