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Die RatifizierungsdebatteGewaltenteilungFederalist

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Noch im Herbst 1787 bildeten sich zwei politische Lager, die mit großem publizistischem Aufwand um die Gunst einer überraschten und anfangs weitgehend unentschiedenen Wählerschaft kämpften. Die Befürworter des Verfassungsentwurfs nannten sich FederalistsFederalists und stempelten ihre Widersacher als AntifederalistsAntifederalists ab. Dieses negative Etikett blieb an den Kritikern des Verfassungsentwurfs hängen, obwohl sie beteuerten, den „wahren“ staatenbündisch-republikanischen FöderalismusFöderalismus zu verteidigen. Die Fronten verliefen in den verschiedenen Staaten recht unterschiedlich und waren zudem stets in Bewegung. Die Federalists hatten ihre Hochburgen in den Städten und Küstenregionen, während die Antifederalists die stärkste Unterstützung von Farmern im agrarischen Hinterland erhielten. Im Wesentlichen handelte es sich aber um eine geistig-ideologische Konfrontation: Was die beiden Lager und ihre prominenten Sprecher trennte, waren mentalitätsmäßig bedingte Unterschiede in der Deutung von RepublikanismusRepublikanismus und Föderalismus. Die Antifederalists verstanden sich als Hüter der „Ideen von 1776“ gegen elitäres Gedankengut und staatlichen Zentralismus. Sie warfen dem Konvent vor, er habe seine Befugnisse überschritten und ein „konsolidiertes Reich“, ein American Empire, geschaffen, das über kurz oder lang die Staaten völlig entmachten und aufsaugen werde. Unter Berufung auf MontesquieuMontesquieu, Charles de Secondat, Baron de bestritten sie energisch, dass ein Gebiet von der Größe und Interessenvielfalt der amerikanischen Union von einem Zentrum aus nach republikanischen Grundsätzen regiert werden könne. Die Gefahr, dass dieses System in eine Aristokratie oder Monarchie abgleite, sei umso größer, als die VerfassungVerfassung keine Grundrechtsgarantien enthalte.

Diesem Country-Ideal der überschaubaren, möglichst homogenen Republiken in einem lockeren StaatenbundGewaltenteilungFederalist stellten die FederalistsFederalists ihr neuartiges Modell eines, so MadisonMadison, James, „teils nationalen, teils föderalen“ RegierungssystemsRegierungssystem entgegen. Die theoretische Rechtfertigung der „Verfassungsrevolution“ lieferten Alexander HamiltonHamilton, Alexander, James MadisonMadison, James und John JayJay, John in einer Serie von 85 EssaysFederalist papers, die zuerst unter dem Pseudonym PubliusPublius in New Yorker Zeitungen veröffentlicht wurden und im Frühjahr 1788 als The Federalist in Buchform erschienen. HamiltonHamilton, Alexander und sein New Yorker Parteifreund JayJay, John versuchten, dem Begriff „Empire“ den negativen Klang zu nehmen, indem sie ihren Landsleuten ein Friedens- und Handelsreich vor Augen stellten, das mit den europäischen Mächten konkurrieren konnte, ohne sie fürchten zu müssen. MadisonMadison, James ergänzte diese Argumente durch seine originelle Theorie der „ausgedehnten Republik“: Die große, vorerst noch kaum bestimmbare geographische Ausdehnung und die Interessenvielfalt der Union stünden einer festen politischen Integration nicht nur nicht entgegen, sondern erleichterten sie sogar. Da die Zahl der ParteienParteien und Interessengruppen mit der Größe des Staatsgebiets zunehme, würde es einer Bewegung, die gegen das Gesamtwohl gerichtet sei, unmöglich gelingen können, einen geschlossenen Block zu bilden und die Herrschaft an sich zu reißen. Zu der GewaltenteilungGewaltenteilungFederalist innerhalb der Bundesregierung und zum Wettbewerb zwischen Bund und Einzelstaaten trete also eine gesellschaftliche Balance hinzu, die das System noch komplexer und damit noch stabiler mache.

Allen intellektuellen und propagandistischen Anstrengungen ihrer Befürworter zum Trotz wäre die VerfassungVerfassung dennoch abgelehnt worden, wenn die FederalistsFederalists nicht versprochen hätten, nach ihrem Inkrafttreten Änderungen und Ergänzungen, speziell eine Absicherung der Grundrechte vorzunehmen. Mit dieser Strategie gelang es, in den Ratifizierungskonventen genügend Delegierte auf die eigene Seite zu ziehen und die Zustimmung so wichtiger Staaten wie MassachusettsMassachusetts, VirginiaVirginia und New YorkNew York zu erreichen. Erst New Yorks positives Votum am 26. Juli 1788 machte die Verfassung, die theoretisch nach der Annahme durch den neunten Staat, New HampshireNew Hampshire, am 21. Juni 1788 gültig geworden war, zu einer politischen Realität. Die Ratifizierungsdebatte wurde begleitet von einer Welle von Feierlichkeiten, die ihre Höhepunkte in den großen Bundesparaden (Federal ProcessionsFederal Processions) der Küstenstädte fand. Die starke Beteiligung der Handwerker und Kaufleute an diesen neuartigen Festumzügen unterstrich noch einmal, dass die in Handel und Gewerbe engagierten Bevölkerungskreise die treibende Kraft hinter der konstitutionellen Neuordnung bildeten. Ihre Reaktion war umso enthusiastischer, als sich in den meisten Staaten ein wirtschaftlicherWirtschaft Aufschwung bereits vor der endgültigen Annahme der Verfassung abzeichnete. Die Paraden brachten aber auch das Selbstbewusstsein von Bürgern zum Ausdruck, die ihr Schicksal selbst bestimmten und optimistisch in die Zukunft voranschritten. Das Bemühen um Konsens entsprang der teils intellektuellen, teils gefühlsmäßigen Einsicht, dass es zur Begründung einer Nation verbindender Werte und des Glaubens an eine Mission bedurfte, die von Generation zu Generation weitervermittelt wird. Als identitätsstiftende Symbole eigneten sich besonders gut die Gründungsdokumente UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung und Verfassung, die an hervorgehobener Stelle in den Zügen mitgeführt wurden. Das Bekenntnis zu den Prinzipien der Revolution nahm hier einen quasi-religiösen Charakter an, so dass man die Prozessionen als erste Erscheinungsformen der amerikanischen civil religioncivil religion bezeichnen kann, einer konfessionsübergreifenden bürgerlichen ReligionReligion im Dienste der nationalen Einheit. Gefeiert wurde auch George WashingtonWashington, George, dessen Abbildung als Steuermann des neuen Staatsschiffes einer öffentlichen Akklamation zum Präsidenten gleichkam.

In der Tat votierten bei den ersten Bundeswahlen im Winter 1788/89 sämtliche 69 Wahlmänner für WashingtonWashington, George, während sich John AdamsAdams, John mit einem wesentlich bescheideneren Ergebnis und dem undankbaren Amt des Vizepräsidenten zufriedengeben musste. Im Wahlkampf für das RepräsentantenhausRegierungssystemRepräsentantenhaus spielten die versprochenen Verfassungsänderungen eine wichtige Rolle: Um erfolgreich zu sein, hielten es viele FederalistsFederalists für geboten, ihre Amendment-Zusage zu erneuern. Nach dem Zusammentritt des Kongresses und der feierlichen Amtseinführung WashingtonsWashington, George am 30. April 1789 in New York CityNew York City formulierten die Abgeordneten und Senatoren einen GrundrechtekatalogGewaltenteilungUnion, der viele der von den Ratifizierungskonventen vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigte. Seine zehn Artikel wurden im Dezember 1791 als Amendments an die VerfassungVerfassung angehängt.

Gemessen an der fast gleichzeitig – unter Mitwirkung JeffersonsJefferson, Thomas – in ParisParis ausgearbeiteten französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wirkte die amerikanische Bill of RightsBill of Rights, wie die ersten zehn Amendments bald genannt wurden, eher bescheiden. Ihr Vorzug bestand aber darin, dass alle ihre Bestimmungen, an erster Stelle die Presse-, Meinungsund Gewissensfreiheit, als Teil des geltenden Rechts vor Gericht einklagbar waren. Allerdings verpflichteten die Garantien nur den Kongress, nicht auch die Einzelstaaten, wie es MadisonMadison, James beabsichtigt hatte. Da die Bill of Rights den Wünschen der gemäßigten AntifederalistsAntifederalists entsprach, trug sie dazu bei, die große Mehrheit der Opposition politisch einzubinden. Die Ratifizierung der VerfassungVerfassung und der Bill of Rights in öffentlicher Debatte sanktionierte darüber hinaus das Werk des PhiladelphiaPhiladelphia-Konvents und verlieh der neuen Ordnung unangreifbare Legitimität. Diese Ordnung färbte nun sogar auf die Staatenverfassungen ab, die – beginnend 1790 in PennsylvaniaPennsylvania – an das Modell der United States Constitution angepasst wurden. Überall setzten sich das legislative Zweikammer-Modell und der Grundsatz der GewaltenteilungGewaltenteilungFederalist durch. Erstaunlich rasch identifizierten sich die Amerikaner mit der Bundesverfassung und bekannten sich zu ihren fundamentalen Prinzipien. Das schloss aber keineswegs aus, dass sie auf dem Boden der Verfassung heftig darüber stritten, wie diese Werte und Prinzipien am besten zu verwirklichen seien. In dieser Hinsicht wirkte die Verfassungsdebatte wie ein Katalysator, der die Entstehung von bundesweiten Parteien und den Aufschwung des Zeitungswesens beschleunigte. Um 1800 erschienen in den USA über 200 Zeitungen – mehr als selbst in EnglandGroßbritannien –, die sich fast alle vehement am politischen Tageskampf beteiligten. Konstitutionell und politisch bedeutete das eine wichtige Stufe im Übergang von der partikularen zur nationalen Form der Willensbildung und Entscheidungsfindung.

Wenn sich ein großer Teil des mentalen Wandels auch bereits vor der UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung vollzogen hatte, wie John AdamsAdams, John später behauptete, so war die Transformation des gesellschaftlichen Bewusstseins doch noch längst nicht abgeschlossen. In diesem Sinne hatte Benjamin RushRush, Benjamin Recht, der 1787 feststellte, der Krieg sei wohl vorüber, nicht aber die amerikanische Revolution: „Ganz im Gegenteil, nur der erste Akt des großen Dramas ist beendet.“ Die VerfassungVerfassung institutionalisierte gewissermaßen die Revolution, indem sie für einen offenen politischen Prozess sorgte, durch den das amerikanische politische System und die amerikanische Gesellschaft kontinuierlich weiterentwickelt werden konnten. Zugleich schrieb sie jedoch – zumindest für die absehbare Zukunft – die SklavereiSklaverei (s.a. Afroamerikaner) fest, um den Bestand der Union nicht zu gefährden. Die Frage, ob es bereits eine „amerikanische Nation“ gab und wer ihr als Staatsbürger angehörte, war auch nach Inkrafttreten der Verfassung noch offen.

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