Читать книгу Blut fließt auf der Wall Street - Annette Meyers - Страница 20
ОглавлениеUnser Beratungshonorar beträgt fünfzehnhundert pro Tag, zuzüglich Unkosten«, erklärte Smith. »Wie stellen Sie sich die Bezahlung vor, wenn Sie kein Vermögen besitzen?«
Penny Ann und Barbara schauten auf Rona.
Rona sagte: »Jerry und die Gruppe. Wir steuern etwas dazu bei. Wir übernehmen die Verantwortung. Aber es ist zu hoch.«
Wetzon probierte es nochmal. »Es ist wirklich ein Fall für die Polizei, meinen Sie nicht auch? Ein vermißtes Kind …«
Diesmal war es Smith, die Wetzon trat. »Wetzon will damit sagen, daß unsere Sachkenntnis auf dem finanziellen Gebiet liegt. Aber selbstverständlich haben wir unsere Quellen bei der Polizei…« Smith legte eine Pause ein, um ihre Andeutung wirken zu lassen.
»O ja, nicht wahr?« murmelte Wetzon.
»Tabby Ann arbeitete den ganzen Sommer bei Brian als Praktikantin. Sie sah manches und hörte manches.«
»Wovon redest du, Penny Ann?« wollte Rona wissen.
Penny Ann brach laut heulend in Tränen aus. Die elegante Kundschaft in Mark’s Bar horchte auf.
»Hören Sie bitte auf«, befahl Smith. Sie drohte Penny Ann mit dem Finger. »Ich kann mich sonst hier nie mehr blicken lassen.«
Penny Ann sah verblüfft auf, doch sie hörte auf zu weinen, setzte die Brille ab, trocknete sie, tupfte die Augen ab, setzte die Brille wieder auf.
»Wir möchten zwei Tage im voraus, bevor wir anfangen.«
»Dies hier ist etwas anderes als ein Beratungsprojekt für eine große Maklerfirma, Smith.« Rona gab Barbara einen Wink, die ein Scheckformular aus ihrer Tasche zog. »Ich schlage eine kurze, schnelle Nachforschung mit einem kurzen, präzisen Bericht vor. Fünfhundert.«
»Sieben fünfzig.« Smith lächelte. »Weil Sie es sind und wir uns kennen.«
Rona warf einen zynischen Blick auf Smith, dann nickte sie Barbara zu.
»Stellen Sie ihn auf Smith und Wetzon aus«, sagte Smith.
»Damit wir uns richtig verstehen«, sagte Wetzon. »Sie möchten, daß wir Tabby Ann in dieser Stadt von hundert Millionen Menschen finden?«
»Und meine Papiere.« Penny Ann kaute an den Fingernägeln, die schon ganz abgebissen waren. »Dr. Jerry meinte, es wäre für Leute wie Sie leichter, Informationen zu bekommen, als für die Polizei.«
Ja, Leute wie wir, dachte Wetzon, sind sehr gut im Beschaffen von Informationen. »Hören Sie, Penny Ann, wir werden Ihr Geld nicht nehmen, wenn wir Ihnen nicht helfen können.« Smith’ Finger kniffen sie in den Oberschenkel, und Wetzon gab auf.
»Setzen wir eine Woche dafür an, einverstanden? Und wir werden sehen, was wir herauskriegen.«
Smith strahlte und nahm den Scheck von Barbara entgegen. »Ich setze eine kleine schriftliche Vereinbarung auf. Wer bekommt sie?«
»Ich.« Penny Ann gab ihnen eine Adresse in Redding, Connecticut, die Smith mit Wetzons Federhalter auf eine Cocktailserviette schrieb. »Da sind wir praktisch Nachbarn«, sagte Smith. »Ich wohne in Westport.«
»Haben Sie unsere Karte?« Wetzon reichte Penny Ann eine Geschäftskarte und gab auch Barbara eine, die an ihrer Handtasche herumfummelte. Kurzes Konzentrationsvermögen.
»Ich muß gehen.« Barbara stand abrupt auf, wobei sie an den Tisch stieß. Die Gläser wackelten, und Flüssigkeit schwappte über. »Penny Ann?«
»Einen Moment noch. Wie sieht Ihre Tochter aus? Haben Sie ein Foto?« Wetzon nahm Smith den Federhalter wieder weg und klappte ihr Notizbuch auf, das sie zu einer leeren Seite durchblätterte.
»Sie ist hübsch«, antwortete Penny Ann. Sie kramte in ihrer Handtasche.
»Sie ist dick«, bemerkte Barbara.
»Babyspeck.« Das Foto, das Penny Ann Wetzon reichte, zeigte eine junge Frau mit einem weichen Strohhut, die auf einem Badetuch saß. Sie trug einen sehr knappen Bikini, aus dem das Fleisch bedenklich überschwappte.
»Hu.« Smith hustete, als sie das Foto von Wetzon nahm und von sich weg hielt, als wäre es vergiftet.
Wetzon stupste Smith mit dem Knie. »Was trug sie, als Sie sie zum letztenmal sahen?«
»Ich weiß nicht.«
»Sie wissen es nicht?« Smith dehnte die Worte ungläubig.
»Hm …« Penny Ann war aufgeregt. »Ihre Reeboks sind nicht da, aber ihre Kleider … Ich weiß nicht… Ich könnte sie nicht beschreiben … sie sind so verrückt.«
»Okay«, sagte Wetzon. »Weiße Reeboks?«
»Rote.«
Smith und Wetzon sahen sich an. Rote Reeboks.
»Wie sieht es mit dem Tonfall aus?« fragte Wetzon.
»Tonfall?«
»Los, Penny Ann«, sagte Rona ungeduldig. »Du weißt, daß sie eine gute Schauspielerin ist. Warum fragen Sie?«
»Was ist mit Spanisch?« fragte Smith.
»Hm, ihr Kindermädchen war Spanierin. Sie kann ein bißchen sprechen.«
»Und eine ganze Menge imitieren«, sagte Rona. Sie stand auf und stellte sich neben Barbara, die aussah, als wollte sie jeden Moment losstürmen. Rona gab Penny Ann ein Zeichen. Sie schüttelten reihum Hände. »Sie halten uns auf dem laufenden.«
»Das Tagebuch«, sagte Wetzon. »Ich meine, wir sollten es haben.«
»Guter Gedanke.« Diesmal tätschelte Smith Wetzon auf den Schenkel.
»Mann, ich weiß nicht«, brachte Penny Ann in Leichenzugtempo heraus. »Ich muß mit Dr. Jerry reden. Meinst du nicht, ich sollte es mit ihm besprechen, Barbie? Er wird wissen, was richtig ist.«
Smith verdrehte die Augen. »Sie haben es natürlich gelesen.«
»Na ja … hm … ich habe es überflogen.« Sie starrte Smith an und versuchte herauszubekommen, ob das eine Kritik sein sollte, dann sagte sie abwehrend: »Ich bin ihre Mutter.«
»Ich hole das Auto und fahre vorn vor«, sagte Barbie.
»Gehen wir, Penny Ann.« Rona gab ihr einen Stoß. »Wir sehen zu, daß Sie das Tagebuch bekommen.«
»Bitte Eilzustellung ans Büro«, sagte Smith, ohne aufzublicken.
»Fangen Sie bei Maglia an«, sagte Rona. »Sie verstehen, warum wir es nicht können?«
»Nicht ganz, Rona. Wenn sie meine Tochter wäre, würde ich mit jedem reden, den sie kennt.«
»Ich hätte die Polizei alarmiert«, fügte Wetzon hinzu.
»Sie begreifen nicht, wie ekelhaft alles geworden ist. Tony hat getobt, als ich bei Bliss Norderman ging. Er versuchte, meinen Ruf kaputtzumachen. Bei Rosenkind sind sie wirklich nett zu mir gewesen. Brian hat Penny Anns Leben ruiniert, nicht nur weil er sie um ihr Geld brachte, sondern wegen Tabby Ann. Das Schiedsverfahren war scheußlich für sie.«
»Wie schrecklich traurig«, erwiderte Smith dramatisch. »Wir werden unser Bestes tun, um zu helfen. Nicht wahr, Wetzon?«
»Wir versuchen bestimmt …«
»Vertrauen Sie uns«, unterbrach Smith, womit sie das Gespräch beendete.
»Sie halten mich auf dem laufenden.« Es traf auf taube Ohren. Rona holte Penny Ann am Eingang zur Bar ein.
Als Rona und Penny Ann außer Sicht waren, schüttelten Smith und Wetzon sich die Hände.
»So leicht werden wir unser Geld kein zweites Mal verdienen«, freute sich Smith.
»Wir sind solche Kanonen, hoffentlich haben wir recht.«
»Wer könnte es sonst gewesen sein? Das war kein Dienstmädchen in Brians Wohnung, dessen kannst du sicher sein. Ich wußte, daß der Akzent nicht echt war.«
»Du ärgerst dich nur, weil sie nicht für dich arbeiten wollte.«
»Sehr komisch.« Smith wedelte mit den Fingern nach einem vorbeieilenden Kellner. »Zahlen bitte.«
»Ist es möglich, daß sie bei Brian wohnte, Smith? Er wußte, wie alt sie ist. Natürlich braucht es nicht sexuell gewesen zu sein …«
Smith hob die linke Braue bis zum Haaransatz. »Um Gottes willen.« Sie zog dem Kellner die Rechnung aus der Hand und warf sie Wetzon hin. »Ich hoffe, du führst Buch über deine Unkosten.«
»Die ich für uns beide übernehme.« Wetzon gab dem Kellner die Rechnung zusammen mit der American Express-Karte zurück. Sie sah auf die Uhr. »Gott, es ist nach fünf. Ich muß ins Village runter und mich zum Abendessen umziehen.«
»Ich fahre dich«, sagte Smith, als sie auf die 77. Street traten. »Vielleicht bist du dann so dankbar, daß du mir erzählst, mit wem du zu Abend ißt.«
»Eigentlich sollten wir etwas anderes tun, nämlich Brians Wohnung untersuchen.«
»Hm«, sagte Smith, während sie eine Kurve auf die 10. Street nahm, indem sie ein Taxi schnitt. Bremsen kreischten, und der Taxifahrer, ein drahtiger Pakistani, sprang aus seinem Wagen und schrie unverständliche Beschimpfungen, wobei er die ganze Zeit mit den Armen fuchtelte, während Smith ihm durch das offene Schiebedach ihres schwarzen Jaguars den Vogel zeigte.
»Es wäre mit lieb, du würdest das nicht tun«, sagte Wetzon müde, als sie vor Carlos’ Haus hielten. »Irgendwann wird einer eine Waffe ziehen und dich erschießen. Und mich.«
Smith grinste sie an. »Dieses Land ist insgesamt zu offen für die dritte Welt. Sie sollten hingehen, wo sie hergekommen sind.«
»Das mußte jetzt natürlich kommen, du intolerante Person.«
»Warum soll ich dich enttäuschen, Süße?« Sie zog Barbara Gordons Scheck aus der Tasche. »Sieh dir das an. Barbara Orlofsky Gordon.«
»Und?«
»Wenn sie eine von der Spirituosendynastie Orlofsky ist, dann ist sie eine Erbin.«
»Das heißt?«
»Da ist noch eine Menge mehr, wo das hier herkommt.« Smith lachte vergnügt vor sich hin.
Wetzon musterte Smith argwöhnisch. »Und du bist mir insgesamt zu gut gelaunt. Was hast du vor?«
»Hmm, tja, ich dachte, ich könnte einen schnellen Rundgang durch Brians Wohnung machen und sehen, ob ich unser entlaufenes Kätzchen finden kann.«