Читать книгу SF Space Action Weltraum Abenteuer Paket Weihnachten 2018 - Antje Ippensen - Страница 36
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Weit brauchten sie nicht zu gehen. Wo sie sich vorher aufgehalten hatten, war eine Art Fußgängerzone. In regelmäßigen Abständen befanden sich Einstiegsschächte für unterirdische Beförderungsmittel.
Die erste Unterebene beherbergte Laufbänder.
Die Zeitreisenden wussten es, weil sie diesen Weg gekommen waren.
Die Gleitbänder wurden von Geschäften und Wohnungen gesäumt. Hauptgeschäfts- und Wohnviertel jedoch befanden sich neuerdings wieder oberirdisch. In diesem Teil der Stadt fehlten noch die gigantischen Wohnblocks. Die Städte waren immer noch in der Aufbauphase. Vermutlich dauerte es noch Jahre, bis alle Spuren der vierjährigen Hitzekatastrophe getilgt waren und die Erde überall wieder bewohnbar war.
Die drei Zeitspringer betraten keinen der Einstiegsschächte. Sie kamen zur Randzone des Viertels. Hier waren inmitten eines großzügig angelegten Parkgeländes eine Unzahl von Gyrogleitern abgestellt Auf einen steuerten sie zu.
Morris machte eine einladende Geste. Sein Grinsen gefiel den Gefährten nicht.
„Willkommen an Bord meines Gleiters! Er ist Privateigentum. Seit das alte Konzept des Staatseigentums neu überdacht wurde, gibt es den Privatbesitz wieder in verstärktem Maße. Wir haben uns aus der Sackgasse herausbewegt und neue Wege des Zusammenlebens erschlossen.“
Ben fragte sich, was die Erklärung sollte. Der Mann betrachtete sie dabei aufmerksam.
Als wäre er überzeugt davon, zu Leuten zu sprechen, die auf dieser Welt im Grunde genommen fremd waren!
Bens Herz schlug ein paar Takte schneller. Er blickte seine Gefährten an.
Waren sie von einer bestimmten Gruppe von Leuten in ihrer Eigenschaft als Zeitreisende erkannt?
Diese Überlegung erfüllte Ben mit Unruhe. Die Andeutungen von Morris wiesen darauf hin, dass man sich über ihre Rolle nicht ganz im Klaren war. Wahrscheinlich machten sie einen Fehler, wenn sie sich diesem Morris so ohne Weiteres anschlossen, doch durften sie keine Spur unbeachtet lassen.
Morris berührte den Gleiter mit der flachen Hand. Die Automatik erkannte ihn als rechtmäßigen Besitzer an und öffnete die Seitentür.
Zwei Stufen führten in das Innere des Gyrogleiters. Er war geräumig und luxuriös ausgestattet. Mit einem armen Mann hatten sie es gewiss nicht zu tun.
Oder war es der Reichtum der Leute, die hinter Morris standen?
Ben spürte Wut in sich aufsteigen. Die Ungewissheit machte ihn krank. Er sah sich herumgeschoben und dirigiert.
Bevor er seiner Wut Ausdruck verleihen konnte, bremste ihn Frank mit einem Rippenstoß. Der Freund wusste sehr wohl, was in Ben vorging.
„Die sind im Moment am längeren Hebel!“, raunte er. „Warten wir die Entwicklung ab. Eine Wahl haben wir nicht.“
Wortlos stieg Ben ein.
Morris machte keine Anstalten, sich hinter das Steuer zu setzen. Er nahm ihnen gegenüber Platz und betrachtete sie wohlwollend.
Der Eingang schloss sich. Sofort fühlten sich die drei Zeitreisenden wie in einer Gefängniszelle.
Morris drehte sich zum Instrumentenbord um und sagte einen Buchstaben-Zahlenkode. Aus einem versteckten Lautsprecher tönte die monotone Wiederholung. Morris antwortete: „Start!“
Die Gyrokreisel liefen an. Eine sorgfältige Schallisolierung ließ nur ein fernes Summen in die Innenkabine dringen.
Morris öffnete eine Seitenklappe. Eine Anordnung von Flaschen und Gläsern kam zum Vorschein. Alle bestanden aus Spezialplastik. Die Oberfläche des Materials war superglatt. Es brauchte nicht mit Wasser gespült zu werden. Eine flüssige, für den menschlichen Organismus ungefährliche Substanz wurde verwendet. Der Reinigungsvorgang erfolgte nach Steuerung des Bordcomputers. Schmutzteile wurden aus der wiederverwendbaren Flüssigkeit herausgefiltert.
Diese Tatsachen hatte Ben Crocker mit seiner unbezähmbaren Neugierde bei einem früheren Besuch in der Zukunft herausbekommen. Neben diesem Verfahren hatten selbstverständlich ungezählte andere ihren Platz. Ebenso wie auf der Erde des zwanzigsten Jahrhunderts eine übertechnisierte Welt im Jetztzeitalter neben Lebensgewohnheiten der Altsteinzeit existieren konnte. Im siebenundzwanzigsten Jahrhundert waren die Unterschiede zwar nicht ganz so krass, aber dennoch vorhanden. Verschiedene Wissenschaftler und Ingenieure hatten unterschiedliche Lösungen für vorhandene Probleme entwickelt.
Ein Umstand, der nicht zuletzt auch auf das Verkehrswesen zutraf!
Der Gyrogleiter erhob sich. Wenige Zentimeter Abstand zwischen Straßenbelag und Gleiterboden genügten. Das Fahrzeug beschleunigte mit sanften Werten. Es geschah so umsichtig, dass nicht einmal die Flüssigkeit in den Flaschen schwappte.
„Was darf ich Ihnen anbieten?“, fragte Morris freundlich.
Der Reihe nach winkten sie ab.
Morris zuckte gleichmütig die Achseln, öffnete eine Flasche und ließ gluckernd ein Glas volllaufen. Er schnupperte daran und verzog anerkennend das Gesicht.
Seine Zufriedenheit wuchs nach einem Probeschluck.
Bequem lehnte er sich zurück. Zwischen den Fingern drehte er das nur noch halbvolle Glas. Das Barfach stand noch offen. Wahrscheinlich wurde der Inhalt mit relativ energiearmen Kraftfeldern an seinem Platz fixiert.
Frank warf einen Blick durch die nur von innen durchsichtigen Seitenscheiben.
Der Park mit den großzügigen Gleiterabstellplätzen dehnte sich kilometerweit dahin. Ihr Gyrogleiter steuerte zwischen einer langen Reihe hindurch und bog schließlich auf eine Nebenstraße. Es gab regen Gegenverkehr. Bald gelangten sie zur Hauptpiste. Der Gyrogleiter beschleunigte auf das vorgeschriebene Limit.
„Ich kann mir denken, dass Sie eine Menge Fragen auf der Zunge haben. Keine Bange, die Antworten warten bereits auf Sie. Wir wollen nur wissen, mit wem wir es zu tun haben“, sagte Morris.
Hallstrom lächelte unverbindlich. „Was glauben Sie denn?“
„Nun, wie schon erwähnt, sind Sie alle drei unregistriert!“
„Wären wir das tatsächlich, hätten wir den überall vorhandenen Kontrollen längst auffallen müssen, nicht wahr?“
„Es sind automatische Kontrollen. Es gelingt Ihnen, sie zu täuschen. Lassen Sie mich einen altmodischen Ausdruck gebrauchen: Wir sind eine Gruppe, die gewissermaßen die Flöhe husten hört. Da liegt der wesentliche Unterschied. Wir wurden aufmerksam auf Sie.“
„Und das haben Sie nicht an die staatlichen Organe weitergemeldet?“
Morris schnitt eine saure Grimasse.
„Warum sollten wir? Solange wir nicht der Ansicht sind, es mit Kriminellen zu tun zu haben, besteht keinerlei Veranlassung.“
„Passen Sie auf!“, meldete sich Ben zu Wort. „Ich finde das Geplauder langweilig. Diese Fahrt hier machen wir freiwillig mit, weil es Ihnen gelang, unsere Neugierde zu wecken. Glauben Sie aber nicht, dass unsere Geduld grenzenlos ist.“
„Zügeln Sie Ihre Neugierde bitte, bis wir angelangt sind!“, entgegnete Morris frostig.
Frank schaute noch immer aus dem Fenster. Das breite Band der Hauptverkehrsverbindung führte in ein Viertel mit flachen, aber riesigen Wohnblöcken.
Vor einem der Gebäude stoppte der Gyrogleiter.
Das Haus war brandneu. Das Plastikmaterial roch noch.
Sie verließen den Gyrogleiter. Morris tätschelte die Außenhaut. Das genügte. Der Eingang schloss sich, der Gleiter zischte ab.
Eine Breite von zwanzig Metern und eine Höhe von fünf Metern hatte das Eingangsportal. Ein Luftvorhang, der die Haare der Eintretenden wirbeln ließ, sorgte dafür, dass die vollklimatisierte Atmosphäre im Innern nicht gestört wurde.
Die vier Männer traten auf ein Gleiterband und wechselten bald auf schnellere über. Der Gang im Innern des Gebäudes glich eher einem großzügigen Straßentunnel.
Dann wies sie Morris an, wieder die Bänder zu verlassen. Im schmalen Fußgängerstreifen vor Wohneinheiten und Geschäften gab es auch Eingänge zu Beförderungskabinen. Eine betraten die vier. Morris berührte einen Kontakt. Durch das Rohrsystem wurden sie in Rekordzeit an einen anderen Punkt des gigantischen Gebäudes transportiert.
Von hier aus waren es nur noch fünfzig Meter bis zur Wohneinheit von Morris.
Frank schaute auf seinen reparierten Radartimer am Handgelenk. Die gesamte Reise hatte keine zwanzig Minuten gedauert. Dabei hatten sie eine vergleichsweise große Entfernung zurückgelegt. Das mehrmalige Umsteigen war nur scheinbar umständlich. In Wirklichkeit ging ein Beförderungssystem nahtlos in das andere über.
Sie betraten die Wohnung. Absichtlich hielt sich Ben im Hintergrund.
Auch als Morris ihm lächelnd zuwinkte, doch vor ihm einzutreten, blieb Ben beharrlich.
Morris zuckte mit den Schultern und trat vor ihm ein.
Misstrauisch folgte Ben.
Sein Misstrauen war durchaus angebracht.
Zunächst sah die Wohnung ganz normal aus. Sie war nagelneu und genormt wie alles in diesem Riesengebäude. Nur Details, individuelle Veränderungen sorgten für Unterschiede.
Dann sah Ben, dass seine Gefährten zusammenzuckten, als habe sie ein Peitschenhieb getroffen.
Auch Morris wurde davon nicht verschont.
Ben wollte sich zurückwerfen, um der Gefahr zu entgehen. Eine unwiderstehliche Gewalt riss ihn nach vorn. Er bekam noch mit, wie sich die Wohnungstür schloss. Dann bestand der Raum nur noch aus grellen Farben und explodierenden Sonnen.