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10 Masheba auf Herso

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„Der Graf von Herso hat um deine Hand angehalten!“ Tomo besaß die Fähigkeit die jeweils Beteiligten, ohne einleitende Erklärung mit den unerwartetsten Neuigkeiten zu konfrontieren. „Die Hochzeit ist beschlossene Sache. Eine Delegation ist bereits unterwegs.“

Nicht nur Masheba war sprachlos, auch Hannah fehlten die Worte. Beschlossene Sache…? Doch dann blickte sie auf ihre Nichte die sich in der Tat zu einer attraktiven jungen Frau entwickelt hatte. Auch Tomo war diese Tatsache nicht verborgen geblieben. Und seit dem, nun schon Jahre zurückliegenden Besuch des Grafen, rechnete er mit dieser Wendung.

Zufrieden rieb er sich die Hände. Ein Plan der seit jenem Zusammentreffen reifte nahm nun konkrete Formen an. Aus dem damals lästigen Besucher würde nun ein profitabler Schwiegersohn werden…, und mehr.

„Es sollte auch in deinem Interesse sein, denn der nächste Anwärter wird möglicherweise kein charmanter, gut aussehender Mann wie unser Graf sein.“ Trotz seiner Fähigkeit jedermann vor den Kopf zu stoßen, beinhalteten seine Worte, das konnte man nicht leugnen, sehr viel Wahrheit.

Mashebas Herz begann unruhig zu pochen, sie hatte sein Gesicht noch gut in Erinnerung, doch auch den Schmerz der damit verbunden war… sie dachte an Pasha. Tarik erfüllte sie mit Freude, doch der Gedanke an den Grafen versetzte ihren Körper in unbekannte Aufruhr.

„Hannah…, was soll ich tun?“

Teils erhofft sie ihre Zustimmung, Teils fürchtete sie sie aber auch. Fort von Zuhause, ihre geliebte Heimat verlassen! Eine andere Reise kam ihr in den Sinn, die Reise nach Ursena, und diese weckte in ihr unangenehme Gefühle die sie sich immer noch nicht erklären konnte.

„Dein Vater hat Recht“, die Worte ihrer Tante rissen sie aus ihren Gedanken „als Tochter des Bakkai ist es deine Pflicht eine Verbindung einzugehen die dem Wohle deines Landes dient.“ Masheba konnte nur nachdenklich mit dem Kopf nicken. Aus diplomatischen Gründen. Warum hatte sie nicht selbst daran gedacht.

Sie liebte ihren Vater mit all ihrer kindlichen Hingabe, doch sah sie sehr wohl dass ihre Tante mit ihm nie glücklich gewesen war. „Aus diplomatischen Gründen…“ Immer und immer wieder wiederholte sie diese Worte. Nun würde auch sie aus diplomatischen Gründen dasselbe Los ereilen!

„Die Hochzeit muss verschoben werden…“, entschlossen trat Hannah vor ihren Mann, „es ist an der Zeit das Kind in die Mysterien unseres Volkes einzuweihen.“

„Zeitverschwendung. Das kann sie später immer noch nachhohlen. Sie hat die Kleinen Weihen erhalten und das muss im Moment genügen. Unsere außenpolitischen Belange haben Vorrang, oder meinst du, dass ein Mann wie der Graf auf unser Mädchen angewiesen ist?“ Tomos Stimme bebte vor Zorn.

In den letzten Jahren war ihr Gatte fast sanftmütig geworden, Hannah konnte sich diesen Stimmungswandel nicht erklären. Nachdenklich begab sie sich auf ihr Zimmer.

Das Mädchen hat trotzdem das Recht ihre, und auch die Vergangenheit ihres Volkes kennenzulernen…, und auch die Xedeks. Eigentlich wollte ich es ihr noch eine Weile ersparen, war ihre Überlegung, doch jetzt erlaubte diese prekäre Angelegenheit keinen Aufschub mehr. Der Physikunterricht würde heute ausfallen, sie würde die Zeit nutzen der Kontrolle ihres Mannes zu entgehen um das Kind, so gut es ging, auch über ihren zukünftigen Ehemann aufzuklären.

Sie kannte den jungen Grafen und auch seinen Ruf als Frauenheld. Seine Eskapaden machten ihn zu einem nie versiegen wollenden Gesprächsthema bei den jungen Mädchen der Stadt und auch bei den Studentinnen. Sie war sich sicher, dass seit damals, seit ihrer gemeinsamen Zeit auf der Universität von Sovo, sich nichts daran geändert hat.

Wenn Masheba wusste was sie erwartete, würde ihr das größeren Kummer ersparen, denn auch sie würde seinem Charme erliegen, das war ihr jetzt schon klar.

Der Unterricht begann Pünktlich wie immer, doch fehlten dieses Mal die unzähligen Bücher die sonst auf sie warteten. Auch Hannah, wie vor kurzem ihr Mann, hielt sich nicht mit langer Vorrede auf.

„Wenn du die Zukunft verstehen willst musst du die Vergangenheit kennen.“

Hannah hatte diesen Satz kaum zu Ende gesprochen als Tomo wutentbrannt die Türe aufriss. Hannah verstummte, sie war sich nicht sicher ob er ihre letzten Worte verstanden hatte.

„Ist es nicht genug dass ich dir erlaube diesen Humbug zu lehren, musst du das Kind jetzt auch noch aufhetzen.“ Er war immer noch der Meinung, junge Mädchen sollten Kochen lernen und für das leibliche Wohl ihrer Männer sorgen. Mit diesbezüglich liberalen Ansichten der Dakuai konnte er nichts anfangen. Die letzten Jahre an Hannahs Seite hatten ihn zwar gelehrt toleranter zu sein, doch nun kehrte sein altes Ego mit voller Wucht zurück. Masheba war entsetzt, so hatte sie ihren Vater noch nie erlebt. Mürrisch und wortkarg ja, doch nie dermaßen aggressive.

Schützend stellte sich Hannah vor das Mädchen

Tomo wollte sie sagen, das Kind ist bereit für die Großen Weihen, ohne diese könnte sie fern der Heimat in Gefahr schweben. Doch sie kannte seine Antwort: Humbug, Aberglaube. Du wirst diese Märchen doch nicht etwa selber glauben.

Hannah wusste es besser… Vielleicht gibt es wirklich keine Götter - ein Gedanke auch für sie nicht neu - doch es gibt etwas, dass die Zeit überdauert. Es gibt mehr als das was der menschliche Verstand sehen und erkennen kann.

Seit geraumer Zeit schon machte sie sich Vorwürfe, ihre Nichte nicht rechtzeitig zu Chetosan, den alten Weisen von Ars, geschickt zu haben. Zu Chetosan dem Verwalter des geistigen Vermächtnisses ihres Volkes, der einst auch sie unterrichtet hatte. Nur er, wie all die anderen weisen Frauen und Männer vor ihm, und jene die die Großen Weihen empfangen hatten wussten um das Geheimnis.

Die ultimativen Mysterien, verborgen in den Weihen, dass nur sie, die Wächter der Neunten Dimension bewahren und jenen die dafür bereit waren zugänglich machen konnten. Die Legenden und die Weihen sprachen deutliche Worte. Mehr noch…, die Prophezeiung schien sich zu bewahrheiten…, und sie hatte es nicht erkannt.

In den Wirren der letzten Jahre, in denen die gegenwärtigen Probleme Vorrang hatten, musste man Prioritäten setzen. Die eigenen Probleme ließen ihr kaum Zeit sich mit ihrer Nichte zu beschäftigen.

Die Weihen die längst überfällig waren wurden verschoben und dann hatte sie, wie sie nun zu ihrem Entsetzen feststellen musste, einfach darauf vergessen. Und jetzt…, jetzt ist es zu spät.

Nicht nur ihre, auch die Vermutung Chetosans schien das zu bestätigen was ihr die Großen Weihen einst preisgegeben hatten. Wenn ihre Vermutung zutraf könnte Masheba… Erst jetzt wurde sie sich der Tragweite ihres Versäumnisses bewusst. Mögen die Götter mit uns sein, wenn sie eines der gesuchten Kinder ist.

Hannah die sich deswegen bittere Vorwürfe machte beschloss nun den alten Weisen um Rat zu fragen. Man konnte das Kind unmöglich so gehen lassen…

Unsanft riss Tomo sie in die Gegenwart zurück.

„Schluss mit den Vorträgen, sie wird diesen Mann heiraten und damit basta. Und jetzt möchte ich die Damen bitten ihren Verpflichtungen nachzugehen.“

Hannah wusste, dass sie in mehr als nur ein Wespennest getreten war. Umso wichtiger schien es ihr nun die volle Wahrheit ans Licht zu bringen.

Die ihr bekannten Tatsachen, was Tomo betraf, so schmerzlich sie auch für ihre Nichte sein mochten, rechtfertigten keinen solchen Gefühlsausbruch.

Außerdem, gegen eine Vermählung hatten beide doch gar nichts einzuwenden…! Keine von beiden…, was also sollte diese Unlogik? Sollten Tarik und der Professor letztendlich, was diesen Mann betrifft, doch Recht haben…? Sollten ihre Vermutungen richtig sein…?

Selbst wenn! Tomos Vergangenheit interessierte sie zu diesem Zeitpunkt herzlich wenig, nicht darüber hatte sie vor zu sprechen. Die Zukunft ihrer Nichte war es die ihr am Herzen lag, doch dazu musst sie ihre Vergangenheit und die ihres Volkes kennen.“

Die Delegation war längst gelandet. Tomos Garde stand Spalier um den hohen Besuch würdevoll zu empfangen. Tomo in ihrer Mitte, die Braut an seiner Seite. Von Hannah keine Spur. Ihr Vater hatte ihr nicht erlaubt sie nach Herso zu begleiten, doch konnte er ihr unmöglich verboten haben sich von ihr zu verabschieden, überlegte das Mädchen. Ohne lange zu überlegen gab sie ihrem Pferd die Sporen und machte kehrt.

Das nächste an das sie sich erinnern konnte war Nakita, die ihr liebevoll das feuchte Haar und den kalten Schweiß aus der Stirne wischte. Dann erst kehrte die schreckliche Erinnerung langsam zurück.

Sie stürmte die Treppe hoch, überzeugt ihre Tante in Tränen aufgelöst vorzufinden. Ihr Vater der ihr gefolgt war, und der sie immer wieder lauthals zum stehen bleiben aufgefordert hatte, nur wenige Schritte hinter ihr. Sie hatte sich ihrem Schicksal und ihren Verpflichtungen ergeben. Sie würde diesen Mann heiraten. Doch ihren Willen und ihre Entscheidungsfreiheit aufgeben, was ihr eigenes kleines Leben betraf… NEIN.

Keiner, auch nicht ihr Vater konnte sie davon abhalten sich von Hannah zu verabschieden.

Sie erinnerte sich wieder an die kalte leblose Hand ihrer Tante, und wie sie zusammengesunken an ihrem Schreibtisch saß, den Stift noch krampfhaft umklammert…, dann empfing sie eine gnädige Ohnmacht. Herzversagen lautete die Todesursache, sie wurde nie in Frage gestellt.

Die nächsten Monate blieben noch für lange Zeit eine schmerzliche Lücke in ihrem Gedächtnis. Ihr Aufenthalt in einer neuen ungewohnten und kalten Umgebung trug nicht dazu bei ihren Zustand zu verbessern.

Und so kam was kommen musste, die Trennung. Nach nicht mal sechs Monaten Ehe schickte ihr Mann sie als „nicht anpassungsfähig“ Nachhause zurück. Dieser Mann, genauso wie ihr Vater, waren nicht die Menschen die sich um das zarte verletzte Seelchen eines jungen Mädchens kümmerten.

Die Neunte Dimension

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