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3 Beim Imperator

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Die folgenden Jahre vergingen wie im Flug. Man besaß nun ein gut funktionierendes Kommunikationssystem. Bohrtürme standen, Stollen wurden gegraben. Man konnte den Andrang der Freiwilligen aus aller Herren Länder nur eindämmen, indem man immer wieder bewies, dass die großen Mengen an erhofften Bodenschätzen nun doch nicht vorhanden waren.

Man hatte jedoch Erdöl gefunden, etwas das wiederum für den Imperator nicht von Interesse war. Zu aufwendig, zu kostspielig der Transport. Wie Tomo vorausgesehen hatte, der Imperator vergönnte ihnen, wenn auch ungewollt, eine Verschnaufpause.

„Seit unbesorgt mein schönes Kind, solange der Graf von Herso liefert besteht kein Grund Euch euer hübsches Köpfchen zu zerbrechen.“ Diese und ähnliche Kommunikationen des Imperators häuften sich, wie auch seine Einladungen, die nun bald nicht mehr ignoriert werden konnten, wenn ihre diplomatischen Beziehungen, die ihnen bisher von Nutzen waren, nicht gefährdet werden sollten.

„Warum sollten wir Adonay nicht einen Besuch abstatten…? Masha könnte mich begleiten.“ Hannahs Idee wurde von ihrer Nichte mit Begeisterung aufgenommen, auch Tomo nickte mürrisch doch zustimmend mit dem Kopf. Nur Tarik neckte sie: Adonay…? Du nennst den Imperator Adonay…! ich glaube ich sollte dich besser begleiten.

Tomo, Tarik Neckerei ignorierend meinte nur: „Tarik wird dich als mein offizieller Vertreter begleiten, dazu zwanzig unserer besten Männer und Frauen. Der Imperator legt Wert auf Etikette.“ Tomo war ein Mann weniger Worte und somit war die Abreise beschlossene Sache.

Der Weiße Planet lag wie unter einer durchsichtig glänzenden Eisschicht begraben. Nur die gläsernen Kuppeln, die die Städte wie gigantische Seifenblasen überdeckten reflektierten das weit entfernte, kaum noch sichtbare Sonnenlicht.

Gigantische, zerklüftete, unter dem ewigen Eis begrabene Felsen, an die sie sich noch gut erinnern konnte weiteten sich vor aller Augen, während der vom Imperator entsandte Gleiter in die eisige Atmosphäre eintauchte. Das Raumschiff, das sie den weiten Weg nach Ursena befördert hatte, lag angedockt an einer der vielen Raumstationen die den Planeten in sicherer Entfernung umkreisten.

Von der Kabine aus konnte man die unter den gläsernen Kuppeln gelegene Märchenlandschaft sehen. Kristallene Eisskulpturen, von der Natur in Jahrmillionen als einzigartige Meisterwerke der vergänglichen Materie abgerungen, und als unvergängliches Kunstwerk dem Reigen des Erschaffens beigefügt, durchzogen das Land.

Bizarre Formationen, wie nur die Natur sie dermaßen kompromisslos erschaffen kann, soweit das Auge reichte. Ansonsten kein Anzeichen menschlichen Lebens.

Bei ihrem letzten Besuch hatte sie keine Augen für diese seltsame Schönheit, die sich ihr jetzt in eisigem Glanze darbot, zu sehr lag ihr damals das Schicksal ihrer Heimat und auch das eigene am Herzen.

Die Schleuse der großen Kuppel die sie soeben passiert hatten, und die sie nun in ihr Inneres aufnahm, schloss sich genau so lautlos wie sie sich eben geöffnet hatte. Nur das leise summen der Motoren war zu hören. Die eisige Umklammerung und die nächtliche Schwärze die sie noch vor wenigen Sekunden umgab, wichen einem fast tropischen Paradies.

Nun an Tariks Seite nahm sie die Welt mit anderen Augen wahr. Sie wurde wieder das junge Mädchen das ausgelassen über die grünen Wiesen Sovos rannte, Tarik an ihrer Seite, verliebt und unbeschwert.

Der „Eispalast“ ein matt schimmerndes filigranes Kunstwerk aus Eis, Glas und Kristall öffnete seine Pforten für die Ankömmlinge. Zwanzig Dakuai, Männer und Frauen, auf anraten Tomos die schönsten und klügsten.

Der Eindruck der sich ihnen darbot übertraf bei weitem das erwartete. Ein Defilee der anmutigsten Menschen aller Rassen und Nationen empfing die Reisenden. Diese Idylle konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die anmutig wirkenden Wesen denen sie begegneten, eine eigenartige Leblosigkeit ausstrahlten.

Eine faszinierende neue Welt öffnete sich ihren Augen, während sie in stummem Staunen weitergingen. Kilometerweite bizarre Formationen von Eiskristallen die mit jedem Schritt den sie taten ihr Aussehen änderten, mystische Formen annahmen. Geblendet von dem unbekannten Glanz, verlor sich ihr Blick in der Weite der Halle. Nur das diffuse bläuliche Licht, das die eigenartige Wärme die sie bereits bei ihrer Ankunft bemerkten, ausstrahlte, durchdrang die unwirkliche Szene.

„Seit mit Willkommen.“ Die kraftvolle Stimme des Imperators weckte sie aus ihrer erstaunten Versunkenheit.

Wenigen wurde bislang die Ehre zuteil vom Imperator persönlich empfangen zu werden. Wundersame Vorkommnisse und Legenden rankten sich um seine Persönlichkeit, doch die Wirklichkeit übertraf alle Geschichten und Sagen die sich in all den Jahren um ihn und den Weißen Planeten häuften.

Was dann folgte, nachdem die Gäste sich in ihren Quartieren erfrischt hatten, waren die Rituale aller hohen Häuser, sowie das Ritual der Begrüßung aller verdienten Persönlichkeiten und das abendliche Dinner.

Die Speisen waren köstlich, von erlesener Qualität, die Unterhaltung legere. Der Imperator verstand sich auf charmanten Smalltalk. Nur Masheba, nachdem sie alle Anwesenden eingehend inspiziert hatte, langweilte sich und verließ unbemerkt den großen festlichen Saal.

War alles was sie bisher sah freundlich und hell, befand sie sich plötzlich in einem langen dunklen Korridor.

Ein sonderbar steriler Geruch, den sie bis dahin noch nicht kannte, stieg ihr in die Nase und lies sie für einen kurzen Augenblick innehalten. Doch ihre Neugierde behielt Oberhand und so setzte sie, wenn auch zögernd, ihre Erkundung fort. Nur fand sie zu ihrem bedauern all die vielen Türen auf beiden Seiten des Korridors verschlossen. Einstweilen hatte sie ihr Weg jedoch schon zu tief in diese mysteriöse neue Welt vordringen lassen, um jetzt noch umzukehren und um nicht auch noch den letzten verbliebenen Winkel zu durchforschen.

Doch verschlossene Türen wohin sie auch griff. Der Weg den sie gekommen war lag nun fast völlig im Dunklen, und die große schwere Eisentüre durch die sie vor kurzem hier Einlass fand war nur noch als ferner Schatten auszumachen und bald gar nicht mehr zu sehen.

„Wenn ich das Tarik erzähle…, der wird staunen!“

Stolz über ihre Courage setzte sie ihre Inspektion fort, obwohl ihr die Knie nun doch etwas weich wurden, wie sie ärgerlich feststellen musste.

Hannah meint, dass man das was man einmal begonnen hat auch zu Ende führen soll. Mit diesen Worten sprach sie sich weiter Mut zu. Plötzlich, am anderen Ende des schier nicht enden wollenden Korridors konnte sie ein Licht wahrnehmen, diffus zwar, doch immerhin ein Licht. Ihr kindliches Entdeckerherz hüpfte vor Freude, aber gleichzeitig bekam sie einen fürchterlichen Schrecken.

Herrlich gruselig! wäre ich jetzt in meinem Bett, würde ich mir die Bettdecke über beide Ohren ziehen.

Nun konnte sie auch Stimmen vernehmen. Kinderstimmen…? Rasch drückte sie sich gegen die Türe an der sie eben vorbei laufen wollte. Der etwas vertiefte Rahmen bot einigermaßen Schutz, doch plötzlich kamen ihr Zweifel, nicht doch etwas Verbotenes zu tun.

Es waren tatsächlich Kinderstimmen, nun konnte sie es deutlich hören.

Stimmen und Schritte die sich ihr näherten….! Sie drückte sich noch tiefer in ihr Versteck, dass ihr, soviel war ihr nun klar, reichlich wenig Schutz bot. Man würde sie sehen sobald man sich auf gleicher Höhe befand…, man würde sie unweigerlich entdecken. Plötzlich Stille, die Schritte verebbten und nur noch vereinzeltes Flüstern war zu hören. Dann ein klicken, eine Türe wurden geöffnet. Wie versteinert drückte sie sich noch enger an die Wand. Ihr Herz raste als wäre sie kilometerweit gerannt.

Noch lange nachdem Ruhe eingekehrt war hatte sie nicht den Mut ihren Schlupfwinkel zu verlassen. Doch dann, als sich der ärgste Schrecken gelegt hatte kehrte auch die Neugierde zurück. Vorsichtig spähte sie in die Richtung aus der sie die Stimmen vernommen hatte…, es schien eine Ewigkeit her zu sein.

Nun konnte sie deutlich das Licht sehen das durch die Ritze einer nicht ganz geschlossenen Türe fiel. Ihr erster Instinkt war Flucht, weglaufen, in die sicheren Arme ihrer Tante. Doch nun musste sie doch lachen… weglaufen wie ein kleines Kind. Tarik würde sie auslachen wenn er davon erfahren würde. Nein, diese Peinlichkeit wollte sie sich ersparen. Außerdem…, jetzt, da sie nun mal hier war, wollte sie auch wissen was sich hinter dieser einzigen nicht verschlossenen Türe befand. Leise, auf Zehenspitzen näherte sie sich dem Zimmer, aus dem nun wieder Stimmen zu vernehmen waren.

Was bin ich doch für ein Dummerchen, es werden Schulkinder sein…, und ich bekomme einen Schrecken als ob ich irgendwelchen mysteriösen Machenschaften auf der Spur wäre. Sie war sich nicht ganz sicher ob sie diese letzten Worte nicht doch laut ausgesprochen hatte, denn ein bisschen nervös, das musste sie sich eingestehen, war sie noch immer.

Sie wollte gerade anklopfen, da sie das so gelernt hatte, auch wenn sie es Zuhause meistens vergaß, als sie eine schneidende, verzerrte Stimme vernahm. Sie musste aus einem Lautsprecher kommen so unnatürlich war ihr Klang. Die Kinder verstummten augenblicklich.

Masheba konnte die Worte nicht verstehen, es handelte sich um eine ihr fremden Sprache, doch klang jedes Wort wie ein Kommando, ein Befehl.

Ibidem Adonay! Ibidem Adonay! Ibidem Adonay!“

Mit Ibidem konnte sie nichts anfangen, doch kam sie zu der Schlussfolgerung, dass mit Adonay ganz sicher ihr charmanter Gastgeber, der ihrer Tante schöne Augen machte, gemeint war. Sie musste wieder schmunzeln. Ich mag ja noch fast ein Kind sein, doch so dumm, um das nicht zu merken, bin ich nun auch nicht!

Etwas mutiger geworden drückte sie die Türe einen Spalt weit auf. Was sie nun sah faszinierte und schockierte sie zur gleichen Zeit. Mit seltsam leerem Blick starrten alle in die Richtung aus der die Stimme kam. Das flackern des Lichtes verriet ihr, dass es sich um einen Film, eine Projektion handeln musste, die sie alle wie gebannt verfolgten. Vorsichtig drückte sie die Türe noch etwas weiter auf. Was sie jetzt zu sehen bekam konnte sie genauso wenig verstehen wie die fremdartigen Wörter die sie eben gehört hatte.

Symbole und Bilder. Weiter nichts als Symbole und Bilder auf die die Kinder starrten. Meist martialische, kriegerische Zeichen. Waffen, doch auch Sterne und Halbmonde, Hammer und Kreuze, auch eine Swastika waren zu sehen und darauf konnte sie sich nun wirklich keinen Reim machen.

Die monotone Stimme baute sich weiter auf, schwoll an, wuchs zu einem fanatischen Crescendo. Der starre leblose Ausdruck der Kindergesichter änderte sich nicht. Mit dem anwachsen der Stimme erhellte sich auch der Saal. Erst jetzt konnte sie das ganze Ausmaß erkennen. Das was sie für ein kleines Zimmer hielt, eine kleine Gruppe Kinder, offenbarte sich ihren erstaunten Augen als ein weitflächiger Raum und einer unüberschaubaren Gruppe kindlicher Körper. Es müssen Hunderte, vielleicht sogar Tausende gewesen sein. Grenzenlose aggressiv brodelnde Gewalt schien greifbar und allgegenwärtig.

Ein eigenartiges Gefühl des Grauen bemächtigte sich ihrer, als sie die Kinder nun im hellen Licht etwas genauer betrachten konnte. Eines glich dem anderen, so wie es nur Zwillinge tun. Ein anders Gefühl mischte sich unter ihre Wahrnehmungen. Sie spürte es ganz deutlich, eines der Kinder beobachtete sie, musste es schon die ganze Zeit über getan haben.

Entsetzt, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen, rannte sie so schnell sie konnte dem Ausgang zu.

„Majestät, das Kind, nicht die Frau ist laut unseren Tests das Wesen nachdem Ihr sucht. Sollen wir sie hier behalten?“

„Nein, sie ist noch zu jung, doch entnehmt ihr die nötige DNA, ebenso Hannah und Tarik.“ Masheba die gerade noch rechtzeitig hinter dem Vorhang verschwinden konnte, konnte jedes Wort verstehen. „Zellen entnehmen…?“ Genmanipulation, soviel wusste sie aus dem Biologieunterricht den Hannah ihr nun schon seit Monaten, ohne Tomos Wissen versteht sich, erteilte, wurde von der breiten Bevölkerung nicht gut geheißen.

Was hatte man mit ihnen vor?

Sie musste unbedingt mit Hannah und Tarik sprechen und heute mussten sie ihr glauben.

Gestern hatte Tarik sie regelrecht ausgelacht. Er hielt ihr Erlebnis, ihr unglaubliches Abenteuer, die Kinder, für Fantasie. Doch Hannah, trotz ihrer offensichtlichen Bewunderung für den Imperator, hatte ihr schweigend und nachdenklich zugehört. Die beiden waren gerade dabei heftig zu diskutieren als sie das Zimmer betrat. Das taten sie in letzter Zeit häufig, doch dieses Mal schienen sie sich über das Objekt ihrer angeregten Unterhaltung einig zu sein. Es ging um ihren Gastgeber, den Imperator.

Dass das von ihm Geschaffene seinesgleichen sucht darüber waren sich beide einig, damit hatte man sie bereits bei ihrer Ankunft reichlich gelangweilt.

„Der Imperator ist ein charmanter Mann“ hörte sie ihre Tante sagen. Tariks Antwort wartete sie erst gar nicht ab, zu wichtig schien ihr das was sie zu erzählen hatte.

Hannah hörte ihr zwar zu, doch Tarik - sie konnte es nicht glauben - hatte sie tatsächlich ausgelacht.

Enttäuscht über ihren bescheidenen Erfolg begab sie sich auf ihr Zimmer. Das war gestern. Doch heute - der erste Schreck war verflogen - wurde ihr mit zunehmender Empörung klar, dass Tarik sie wie ein Kind behandelt hatte.

Zornig, nachdem sie schweigend ihr gemeinsames Mittagsmahl zu sich genommen hatten, machte sie sich erneut auf den Weg. Sie würde keinem etwas sagen. Nach ihrer gestrigen Erfahrung würde sie sich nicht wundern, wenn man ihr diese kleinen Touren verbieten würde.

„Ich kann es einfach nicht glauben, man behandelt mich tatsächlich wie ein dummes Kind!“ Trotzig, mit diesen Worten auf den Lippen erreichte sie erneut die schwere Eisentüre.

Diesmal musste sie noch tiefer in den düsteren Korridor vordringen um eine unverschlossene Türe zu finden. Sie konnte nicht mit Genauigkeit sagen ob sie das Zimmer, dass ihr gestern einen so tiefen Einblick in derart Fremdartiges gewährte schon passiert hatte, zu viele Türen hatte sie bereits kontrolliert, und wieder waren sie alle verschlossen.

Schon wollte sie umkehren, zu endlos erschien ihr der unheimliche Korridor. Auch von den Kindern keine Spur. Keine Stimme, kein Anzeichen von Leben. Sollte sie wirklich alles nur geträumt haben?

Umso überraschender ihr letzter Versuch.

Nur noch eine Türe, die letzte dann kehre ich um. Zaghaft drückte sie gegen die Türe, sie war nur angelehnt. Das grelle Licht dass ihr plötzlich entgegenschlug blendete ihre Augen. Erschrocken wich sie zurück. Hatte man sie gesehen…? Doch keine Stimmen, kein Geräusch das auf die Anwesenheit eines menschlichen Wesens hingedeutet hätte zerriss die Stille. Und so öffnete sie von neuem die Türe die sie eben noch geräuschlos geschlossen hatte.

Irgendetwas jedoch schien darauf hinzudeuten, dass bis vor kurzem noch jemand hier gearbeitet hatte, und dass dieser jemand vielleicht bald wieder zurücksein konnte.

Kaum hatte sie diese letzte Möglichkeit in Betracht gezogen als sie Stimmen und Schritte vernahm. Sie konnte gerade noch hinter einem dichten Vorhang verschwinden, als die Männer auch schon den Raum betraten. „Majestät“, damit musste der Imperator gemeint sein! „das Kind, nicht die Frau…!“ Mit dem Kind meinte man da etwa sie…? Erst jetzt kam ihr die Bedeutung dieser Worte zu Bewusstsein.

Interessiert lauscht sie dem Gespräch von dem sie aber nur noch Bruchteile verstehen konnte, da die beiden Männer eiligst wieder das Labor verließen. Die letzten Worte machten für sie noch weniger Sinn als das zuvor gehörte. „Das Kind und der junge Graf…..!“

So schnell sie konnte verließ auch sie ihr sicheres Versteck, und ohne Zeit zu verlieren eilte sie in die Räumlichkeiten ihrer Tante. Jetzt hörte auch Tarik ihr aufmerksam zu. Von kindlicher Fantasie war nun nicht mehr die Rede.

„Man munkelt von den Klon-Kriegern des Imperators, den berüchtigten Sispanen“, meinte er nachdenklich. „Bislang waren das alles nur Gerüchte und Spekulationen, denn gesehen hat sie bisher noch keiner.“

Schon bei ihrer Ankunft waren auch ihm diese sonderbar anmutenden Wesen aufgefallen, doch behielt er seine Bedenken für sich. Unruhe auslösen, für eine Angelegenheit die vielleicht schon bald mit einer rationalen Erklärung aufwartete, entsprach nicht seinem Wesen.

„Die Kinder gestern, müssen also Klone gewesen sein…? Es waren an die Tausende dessen bin ich mir sicher!“ Masheba war außer sich, sie hatte also wirklich etwas Brisantes entdeckt.

„Ich fürchte, dass du recht hast“, stimmte Tarik ihr zu.

Nun wurde auch Hannah, die die ganze Zeit schweigend dabeisaß hellhörig. „Ihr meint also…, Klone?“

„Ich habe schon die ganze Zeit ähnliches vermutet“, gestand Tarik nun“, doch Gestern, da ich vermutete abgehört zu werden, hielt ich es für ratsam den Mund zu halten. Meine Befürchtungen scheinen aber unbegründet gewesen zu sein, denn gleich anschließend habe ich unsere Zimmer, eines nach dem anderen auf den Kopf gestellt.“ Lachend fügte er noch hinzu, „Hannah war natürlich empört, Vertrauensbruch wie sie meinte, denn ein Mann wie Adonay würde nie zu solch primitiven Mitteln greifen.“

Sie wurden abgehört, sogar in diesem Moment, doch davon sollten sie nie etwas erfahren.

Immer noch scherzend meinte er: “ich glaube, unser sonst so vernünftiges Tantchen fällt doch tatsächlich auf ein paar schöne Worte herein.“ Augenzwinkernd, zu Masheba blickend: „vielleicht sollte ich das auch einmal versuchen, wenn wir wieder einmal geteilter Meinung sind.“ Hannah war sich ihrer kleinen Schwäche wohl bewusst und so hatte sie auch gegen diese arglose Neckerei nichts einzuwenden.

In der Zwischenzeit jedoch spielte sich am anderen Ende des düsteren Korridors eine Szene ab, die Hannahs Bild, was den Imperator betraf, heftig ins Wanken gebracht hätte.

„Meine Herren finden Sie eine Lösung. Dieses Problem ist eine akute Gefahr für meine gegenwärtige Existenz und für die Ihre…, mehr muss ich wohl nicht sagen.“

„Exzellenz…“, im unterwürfigen Tonfall des angesprochenen schwang nackte Angst. Er wusste nur zu gut was die Worte des Imperators bedeuteten. Verbannung…, doch außerhalb der schützenden Kuppeln bedeutete das den sicheren und sofortigen Tot. Obwohl, und damit war er nicht der einzige, er den Tod immer öfter herbeisehnte, um nicht dieses trostlose Dasein jahrein jahraus weiter fristen zu müssen.

Das Problem des Imperators war in der Tat gravierend, betraf es doch seinen gegenwärtigen Körper. Einen Körper aus einen der letzten Stammzellen des Originals, der nun bereits seit mehr als tausend Jahren sein Leben beendet hatte.

Die damals entnommene DNA war aufgebraucht, und Gene entnommen aus geklonten Körpern waren zu anfällig und hatten nur eine begrenzte Lebensdauer.

Der Imperator war, was keiner außer seinen intimsten Mitarbeitern wissen konnte, ein Klon. Besser gesagt, er benützte aus der Elite der Menschheit eigens für ihn auserwählte Personen, um in deren geklonten Körpern seinen Lebenszyklus fortzusetzen. Schönheit und Qualität der physischen Struktur waren ausschlaggebend.

Charaktereigenschaften, Können und moralische Werte hingegen können nur durch den innewohnenden Intellekt und Geist wirksam wurden. Jetzt durch den seinen.

Die Persönlichkeit der Person, in dessen geklonten Körper er einen neuen Lebenszyklus antrat, wurde mit dessen Ableben für immer und ewig aus dem Universum getilgt, wenn sie nicht Adonays Erwartung entsprachen.

Was blieb war nun und für alle Zeit sein eigener Wille. Der „Göttliche“ besaß seine eigene persönliche Moral, die mit der Ethik und Integrität der „Sterblichen“ nichts zu tun hatte. Grausame Strafen wurden über die verhängt, die nur das taten was für ihn zum täglichen Leben gehörte. Die sieben Todsünden, alle Laster der Menschheit waren ihm wohlvertraut, doch die Arena seiner eigenen Begierden ging weit über das hinaus.

„Nur wenn ich die Schwächen und Triebe meiner Untertanen kenne kann ich sie kontrollieren. Ich strafe diejenigen die mir gleich sein wollen, belohne die, die sich mir unterwerfen. Man sagt ich sei grausam, doch tue ich es nur zu ihrem eigenen Wohle“, lauteten seine erhabenen Worte, die in Frage zu stellen sich keiner erlaubt hätte.

Sein wahres Alter kannten nur jene Männer die seit Anbeginn des ersten Transfers diese Reise in ebenfalls geklonten Körpern mit ihm begonnen hatten. Ein Jahrtausend währendes Dasein in ständiger Angst hatte sie zu dem gemacht was sie waren - gebeutelte charakterlose Kreaturen, die trotz ihrer Todessehnsucht alles taten um diesem zu entgehen.

Er selbst wechselte mit dem Ableben des Körpers, oder wenn sein Äußeres durch Ausschweifungen zu unansehnlich geworden war, in einen anderen, von gleichen Genen gezüchteten Klon. Seit mehr als einem Jahrtausend schon wurde dazu das Original seines einst schlimmsten Widersachers benutzt.

Einst hatte er ihn besiegt…, doch dann, eine kleine List…, wie einfach das doch gewesen war. „Und jetzt dient sein verkommener Geist in meiner Armee der der Imperialen Gotteskrieger.“ Der „Allmächtige“ war sichtlich zufrieden, als er an seine geheime Streitmacht dachte. Körperlose Seelen, gefangen nun in den Körpern von Klonen. Konditionierte und willenlose Seelen, nur einem unterstellt, ihm, dem Allmächtigen und dem Conte de Sispan.

Die Armee der Klone, die sogenannten Sispanen, konnte beliebig eingesetzt werden, auch Körperlos, wenn die Situation es erforderte. Keinem war bisher die Flucht aus den imperialen Zuchtställen gelungen, der unbewusste Zwang zur Rückkehr zur Basisstation wurde allen mit in die Wiege gelegt.

Und Er, Gottkaiser, Herrscher über den größten Teil der Galaxie, hatte nun bald die Mittel in der Hand das gesamte Universum zu kontrollieren.

Tarik ist ein schöner Mann, sinnierte der weiter, während er majestätisch durch das Labor schritt, in dem, immer wenn seine Herrlichkeit anwesend war, hektisch gearbeitet wurde. Als zukünftiger Wirtskörper wäre er durchaus in Betracht zu ziehen… Ein Gedanke der so schnell er gefasst war auch wieder verworfen wurde. Zu gefährlich, zu freiheitsliebend war sein Geist um ihn in die Armee seiner Klon-Krieger zu verbannen oder ihm zu erlauben als freies körperloses Wesen seine wahre Existenz zu ergründen, dessen wurde sich Adonay im selben Moment als sie sich zu ersten Mal gegenüberstanden bewusst.

Ein Hologramm des jungen Grafen von Herso, Xedek della Barraira, hingegen erweckte sein Interesse, das Psychogram ebenfalls. Verwegen, leichtsinnig und den schönen Dingen des Lebens zugeneigt würde er leicht zu beeinflussen sein. Ein brillanter Kandidat für seine Armeen. Schon bei seinem ersten Besuch, damals noch ein Kind, konnte man die ersten Manipulationen an ihm vornehmen. Geringfügig zwar, doch leitend und bedeutend für seinen Werdegang. Der Graf und Masheba…, so würde er seinen Plan verwirklichen.

Eine neue genetische Elite war es die dem Imperator vorschwebte.

Mit Xedek della Barraira als Wirtskörper und Masheba als Stamm-Mutter einer neuen menschlichen Elite würde er das Universum nach seinem Willen gestalten.

„Gewährt dem jungen Grafen eine Audienz, ich werde ihm seine Bitte erfüllen und ihm Marab erneut als Lehen überlassen.“ Mit diesen Worten entließ er den Sekretär der schleunigst das Weite suchte um seinen Auftrag zu erfüllen. Auch die beiden verantwortlichen Mediziner, denen immer noch die Angst im Nacken saß, wurden entlassen.

Nur für Elocha, Wissenschaftler, Psychologe und rechte Hand des „Allmächtigen“ galt diese Aufforderung nicht. Er kannte jedoch seinen nächsten Auftrag. Den Gästen das nötige Zellmaterial entnehmen, ihre DNA sichern, und dafür zu sorgen dass ihnen ihr Aufenthalt nur noch als ein netter Ausflug in Erinnerung bleiben würde.

All das was das Kind sonst noch entdeckt haben sollte, die skeptischen Gedanken des jungen Mannes, ja sogar die Komplimente die er der jungen Bakkaia zukommen ließ sollten höchstens noch als pure Fantasie, wenn überhaupt, in Erinnerung bleiben.

„Meine Herren, wie weit ist das Experiment?“ Der Imperator schien sehr ungehalten. Elocha der die Verantwortung für dieses Projekt hatte zuckte nervös mit seinen gekrümmten Schultern. Die dicke Brille schränkte sein Sichtfeld erheblich ein und so konnte er nicht klar ausmachen von woher die Stimme kam. Sie kam vom Imperator, und das genügte um ihn einmal mehr klar zu machen, dass nicht nur sein rebellierender Magen längst für eine Erneuerung fällig war.

Irgendwo am Ende der Milchstraße, steht in den alten Chroniken, der dritte von neun Planeten, von denen momentan nur dieser bewohnbar ist, Terrax, erweckte seit geraumer Zeit wieder das Interesse seiner Herrlichkeit. Der Planet Mars war als Versuchsprojekt gescheitert und diente seither nur noch als Kontroll- und Relaisstation. Um den primitiven Bewohnern die eigene Existenz zu verheimlichen, entsandte man nur noch gelegentlich größere Raumschiffe dorthin. Die Kolonialisierung von Terrax, später Erde genannt, wurde seither über den Planeten Mars organisiert, die Kontrolle auch.

Und somit hatte das Projekt Terrax nun Vorrang…, Elocha hielt nicht viel davon.

Das Projekt Mind Control, an dem er ursprünglich gearbeitet hatte, und das lediglich dem Zweck der intellektuellen Förderung dienen sollte, wurde ihm schon vor langem entzogen und seinem Nachfolger Zeboz Labinsky übergeben. Der glückliche, seufzte Elocha, vagabundiert nun irgendwo im Glücksrausch des Vergessens durch die Weiten des Universums.

Dass der „Glückliche“ nun sein Unwesen auf Marab trieb und das Projekt Mind Control auf seine ganz spezielle Art weiter entwickelt hatte konnte Elocha nicht wissen.

„Wegen Dummheit ausgewiesen…? Wie hat er das nur geschafft?“

Die Dummheit von Labinsky war sogar dem Imperator aufgefallen. Elocha gab sein Bestes um in die gleiche erstrebenswerte Lage zu kommen…, vergebens.

Die kleinen Sünden strafte sein Herr sofort, ein kurzes Leben außerhalb der schützenden Kuppeln, „Verbannung“ wie er diesen raschen Tod nannte. Die großen Fehler wie im Falle Labinsky verzieh er. Mit einem Vergessens-Schock wurde er auf die Menschheit losgelassen.

„Für seine Dummheit ist er nicht verantwortlich“, meinte der Allmächtige, doch Ungehorsam und Widersprüche könne er nicht tolerieren.

„Darum können sich nun die jungen Leute kümmern“, meinte der Erhabene als Elocha sich demütig um die Rückkehr in sein altes Amt bewarb. „Das Projekt Terrax hat Vorrang!“ Ein unwilliges Grunzen begleitete Adonays Anweisung.

Auch Elocha schnaubte vor Empörung, doch erst später als er sich wieder alleine wusste. Als wenn es nicht schon schwierig genug wäre tagein tagaus herumkommandiert zu werden, wurde man, kaum dass ein Projekt anfing halbwegs zu laufen versetzt oder zu anderen Sachen, die der Allmächtige nun für wichtiger hielt „zeitweise“ abkommandiert.

Auch Elocha, nicht nur der Imperator erging sich in exzessiven Selbstgesprächen. „Mein eigener Transfer in einen neuen Körper ist längst überfällig. Doch nein, man ist ja immer der letzte… Und jetzt wieder dieser verdammte Planet! Jehovin, sein Vater, hatte schon jede Menge Ärger mit dessen zänkischen Bewohnern, was will dieser Narr nun dort? Experimente, Experimente. Diesen Mann, wie schon seine Ahnen, interessierten nur Experimente.“ Elocha raufe sich die letzten verbliebenen Haare und haderte, wie in letzter Zeit immer öfter, mit seinem Schicksal.

Zu diesem Zeitpunkt schliefen unsere drei Freunde bereits den Schlaf des Vergessens. In wenigen Stunden würden sie wieder Zuhause sein, in vertrauter Umgebung,

Die Neunte Dimension

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