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KAPITEL 8 Das Rätsel auf der Isle of Wight

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Im Jahr 1904 fing auf der Isle of Wight das große Bienensterben an.

Von dieser ruhigen Insel aus, 37 Kilometer lang, 20 Kilometer breit und vor Englands Südküste gelegen, schaut man über den Ärmelkanal zu den fernen Ufern Frankreichs. In den vorangegangenen zehn Jahren beschäftigten sich zwei angesehene Persönlichkeiten auf beiden Seiten des Kanals mit einer neu entdeckten Art von Elektrizität. Einer von ihnen war ein Arzt und Physiker, der andere ein Erfinder und Unternehmer. Die Arbeit beider sollte sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Zukunft unserer Welt haben.

Am westlichsten Ende der Isle of Wight, in der Nähe von The Needles („Die Nadeln“), einer der Küste vorgelagerten Kreideformation, errichtete 1897 ein attraktiver junger Mann namens Guglielmo Marconi seine eigene „Nadel“, einen Turm, der so hoch wie ein zwölfstöckiges Gebäude war. Darauf setzte er die Antenne für den ersten dauerhaft platzierten Radiosender der Welt. Marconi entließ mit den Drähten eine Elektrizität, die mit fast einer Million Zyklen pro Sekunde nahe dem Megahertz-Bereich vibrierte, und ließ sie durch die Luft strahlen. Er machte sich keinerlei Gedanken darüber, ob dies überhaupt sicher sei.

Einige Jahre zuvor, und zwar 1890, hatte ein bekannter Arzt, der Direktor des Labors für Biologische Physik am Collège de France in Paris, bereits Untersuchungen zu der wichtigen Frage begonnen, die Marconi in dieser Form nicht stellte: Wie wirkt sich Elektrizität im Hochfrequenzbereich konkret auf lebende Organismen aus? Jacques-Arsène d’Arsonval war sowohl im Bereich der Physik als auch der Medizin hoch angesehen, und noch heute erinnert man sich seiner aufgrund der vielen Beiträge, die er auf beiden Gebieten geleistet hat. Er entwickelte hochempfindliche Geräte zur Messung von Magnetfeldern sowie der Wärmeerzeugung und Atmung bei Tieren. Er trug zu Verbesserungen des Mikrofons und Telefons bei. Außerdem entwickelte er eine neue medizinische Therapie, die d’Arsonvalisation oder Hochfrequenztherapie, die noch heute in den Ländern des ehemaligen Ostblocks praktiziert wird. Im Westen avancierte sie zur Diathermie, bei der Radiowellen therapeutisch zur Erzeugung von Wärme im Körper eingesetzt werden. Aber die reine d’Arsonvalisation ist eine medizinische Anwendung mit schwachen Radiowellen ohne die Erzeugung von Wärme, um so die in den frühen 1890er-Jahren von d’Arsonval entdeckten Effekte zu erhalten.


Jacques-Arsène d’Arsonval (1851–1940)

Er war der Erste, der beobachtete, dass die damals praktizierte Elektrotherapie keine einheitlichen Ergebnisse erbrachte. Daraufhin fragte er sich, ob dies darauf zurückzuführen sei, dass die Art und Weise, wie die Elektrizität angewendet wurde, nicht präzise genug war. Er entwarf daher eine Induktionsmaschine, die in der Lage war, vollkommen glatte Sinuswellen „ohne Spitzen oder Haken“1 zu erzeugen, die einem Patienten nicht schaden würden. Als er diese Stromstärke an menschlichen Probanden testete, stellte er – ganz wie er vorausgesagt hatte – fest, dass bei einer Dosis im therapeutischen Maßstab kein Schmerz verursacht wurde, sondern vielmehr starke physiologische Auswirkungen auftraten.

„Wir haben gesehen, dass bei sehr stetigen Sinuswellen Nerven und Muskeln nicht stimuliert werden“, schrieb er. „Der Durchfluss des Stroms ist dennoch für eine tiefgreifende Veränderung des Stoffwechsels verantwortlich, wie der Verbrauch einer größeren Menge an Sauerstoff und die Produktion von erheblich mehr Kohlendioxid zeigt. Wenn sich die Gestalt der Welle jedoch ändert, erzeugt jede elektrische Welle eine Muskelkontraktion.“2 D’Arsonval hatte bereits vor 125 Jahren den Grund entdeckt, warum die heutigen digitalen Technologien, deren Wellen nichts als „Spitzen und Haken“ haben, so viele Krankheiten verursachen.

Als Nächstes experimentierte D’Arsonval mit hochfrequenten Wechselströmen. Mit einer Modifikation des Funkgeräts, das Heinrich Hertz einige Jahre zuvor entwickelt hatte, setzte er Menschen und Tiere Strömen von 500.000 bis 1.000.000 Zyklen pro Sekunde aus. Die Anwendung erfolgte entweder durch direkten Kontakt oder indirekt durch Induktion aus der Ferne. Damit ähnelten sie den Frequenzen, die Marconi bald von der Isle of Wight aussenden würde. Bei keinem der Probanden stieg die Körpertemperatur an, bei allen sank jedoch der Blutdruck erheblich, ohne dass – zumindest bei menschlichen Probanden – dies von ihnen bewusst wahrgenommen wurde. D’Arsonval maß die gleichen Veränderungen des Sauerstoffverbrauchs und der Kohlendioxidproduktion wie bei niederfrequentem Strom. Diese Tatsachen bewiesen, schrieb er, „dass die höheren Frequenzströme tief in den Organismus eindringen“.3

Diese frühen Ergebnisse hätten jeden, der mit Radiowellen experimentierte, zum Nachdenken bringen müssen, bevor die ganze Welt ihnen ausgesetzt wurde – zumindest hätten sie zur Vorsicht gemahnen müssen. Marconi war jedoch mit d’Arsonvals Arbeit nicht vertraut. Der Erfinder war größtenteils Autodidakt und ahnte nichts von den möglichen Gefahren des Radios und hatte keine Angst davor. Daher hatte er beim Einschalten seiner neuen Sendeanlage auf der Insel nicht die geringste Sorge, dass er sich selbst oder anderen Schaden zufügen könnte.

Wenn Radiowellen gefährlich sind, hätte vor allem Marconi darunter leiden müssen. Mal sehen, ob das zutraf.

Bereits 1896, nach anderthalb Jahren des Experimentierens mit Funkgeräten auf dem Dachboden seines Vaters, begann der zuvor gesunde 22-jährige junge Mann an hohem Fieber zu leiden. Er führte es auf Stress zurück und litt für den Rest seines Lebens an diesen wiederkehrenden Fieberanfällen. Um 1900 spekulierten seine Ärzte, dass er als Kind vielleicht unwissentlich rheumatisches Fieber gehabt hätte. Bis 1904 waren seine Schüttelfrost- und Fieberanfälle so stark geworden, dass man glaubte, es handele sich um einen Malaria-Rückfall. Zu dieser Zeit beschäftigte er sich mit dem Aufbau einer permanenten Hochleistungsfunkverbindung über den Atlantik zwischen Cornwall (England) und der Kap-Breton-Insel (Nova Scotia in Kanada). Weil er glaubte, dass größere Entfernungen längere Wellen erforderten, errichtete er auf beiden Seiten des Ozeans riesige Drahtnetz-Antennen über große Flächen hinweg, die an mehreren fast 100 Meter hohen Türmen angebracht waren.

Am 16. März 1905 heiratete Marconi Beatrice O’Brien. Im Mai, nach ihren Flitterwochen, zog sie zu ihm in das Funkstationshaus in Port Morien am Kap-Breton, umgeben von 28 riesigen Funktürmen in drei konzentrischen Kreisen. Über dem Haus breiteten sich von einem Mittelpfosten ausgehend 200 Antennendrähte wie die Speichen eines großen Regenschirms mit einem Umfang von fast zwei Kilometern aus. Kurz nach ihrem Einzug setzte bei Beatrice ein Ohrenklingeln ein.

Nach drei Monaten an diesem Ort erkrankte sie schwer an Gelbsucht. Als Marconi sie nach England zurückbrachte, lebten sie unter der anderen Monsterantenne in der Poldhu Bay in Cornwall. Sie war während dieser ganzen Zeit schwanger, und obwohl sie vor der Geburt nach London zog, war ihr Kind den größten Teil seines neunmonatigen fetalen Lebens mit starken Radiowellen bombardiert worden. Es lebte nur wenige Wochen und starb an „unbekannten Ursachen“.


Von: W. J. Baker, A History of the Marconi Company, St. Martin‘s Press, N. Y., 1971

Etwa zur gleichen Zeit erlitt Marconi selbst einen vollständigen Zusammenbruch und war von Februar bis Mai 1906 fast andauernd fiebrig und hatte Fantasien. Zwischen 1918 und 1921 litt Marconi während der Entwicklung von Kurzwellengeräten immer wieder an Depressionen und Selbstmordgedanken.

Während der Flitterwochen mit seiner zweiten Frau Maria Cristina im Jahr 1927 kollabierte er mit Schmerzen in der Brust. Diagnostiziert wurde eine schwere Herzerkrankung. Zwischen 1934 und 1937, während seiner Mithilfe bei der Entwicklung der Mikrowellentechnologie, hatte er nicht weniger als neun Herzinfarkte, von denen der letzte im Alter von 63 Jahren tödlich war.

Leute aus seinem Umfeld versuchten ihn manchmal zu warnen. Bereits nach seiner ersten öffentlichen Vorführung auf der Salisbury Plain im Jahr 1896 bekam er Briefe von Zuschauern, in denen sie verschiedene Nervenempfindungen beschrieben, die sie erlebt hatten. Als seine Tochter Degna diese später anlässlich der Recherchen für eine Biografie über ihren Vater las, war sie insbesondere von einem Brief einer Frau berührt, „die schrieb, dass seine Wellen ihre Füße gekitzelt haben“. Degna berichtete, dass ihr Vater häufig solche Briefe erhielt. 1899 baute Marconi die erste französische Station in der Küstenstadt Wimereux. Dort wurde er von einem Nachbarn überrascht, der ihn „mit einem Revolver“ bedrohte. Der Mann behauptete, dass die Funkwellen bei ihm starke innere Schmerzen verursachten – doch Marconi tat solche Geschichten als Hirngespinste ab.

Ein möglicherweise noch ominöseres Vorzeichen war es, dass Königin Victoria von England, die in Osborne House (ihrem Anwesen am nördlichen Ende der Isle of Wight) residierte, eine Gehirnblutung erlitt und am Abend des 22. Januar 1901 starb. Zur selben Zeit setzte Marconi ungefähr 20 Kilometer entfernt einen neuen, leistungsstärkeren Sender in Betrieb. Er hoffte, am nächsten Tag mit dem 300 Kilometer entfernten Poldhu kommunizieren zu können. Das war zwar doppelt so weit wie jede vorherige Funkübertragung – aber es gelang ihm. Am 23. Januar schickte er ein Telegramm an seinen Cousin Henry Jameson Davis und sagte: „Voller Erfolg. Bitte sage nichts darüber. Gezeichnet William.“

Und dann waren da noch die Bienen.

1901 gab es bereits zwei Marconi-Stationen auf der Isle of Wight – Marconis ursprüngliche Station, die nach Niton am südlichen Ende der Insel neben den Leuchtturm von St. Catherine verlegt worden war, und die von der Küstenwache betriebene Culver-Signalstation am östliche Ende, bei Culver Down. Bis 1904 kamen noch zwei weitere dazu. Laut einem Artikel, der in jenem Jahr von Eugene P. Lyle in der Zeitschrift World’s Work veröffentlicht wurde, waren nunmehr vier Marconi-Stationen auf der kleinen Insel in Betrieb. Sie kommunizierten mit einer stetig wachsenden Anzahl von Marine- und Handelsschiffen vieler Nationen, die durch den Kanal dampften und mit ähnlichen Geräten ausgestattet waren. Zur damaligen Zeit war es die weltweit größte Konzentration von Funksignalen.

1906 erwarb die Lloyd’s Signal Station, eine halbe Meile östlich des Leuchtturms von St. Catherine’s gelegen, ebenfalls eine drahtlose Anlage. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Situation mit den Bienen so ernst, dass die Landwirtschafts- und Fischereibehörden den Biologen Augustus Imms vom Christ’s College in Cambridge zur Aufklärung des Falles hinzuzogen. 90 Prozent der Honigbienen waren ohne ersichtlichen Grund von der gesamten Insel verschwunden. Die Bienenstöcke waren alle voll mit Honig. Aber die Bienen konnten nicht einmal mehr fliegen. „Man sieht oft, wie sie an Grashalmen oder den Stützen des Bienenstocks hochkrabbeln. Dort bleiben sie dann, bis sie vor lauter Schwäche wieder auf die Erde fallen und bald darauf sterben“, schrieb er. Schwärme gesunder Bienen wurden vom Festland importiert, aber es war nutzlos: Innerhalb einer Woche starben die frischen Bienen zu Tausenden.

In den kommenden Jahren verbreitete sich die „Isle of Wight“-Krankheit wie eine Seuche in ganz Großbritannien und im Rest der Welt. Teile Australiens, Kanadas, der Vereinigten Staaten und Südafrikas meldeten große Bienenverluste.4 In Italien, Brasilien, Frankreich, der Schweiz und Deutschland wurde auch von der Krankheit berichtet. Obwohl jahrelang die eine oder andere parasitäre Milbenart beschuldigt wurde, widerlegte der britische Bienenpathologe Leslie Bailey diese Theorien in den 1950er-Jahren und betrachtete die Krankheit selbst als eine Art Mythos. Offensichtlich seien die Bienen gestorben, sagte er, aber ganz bestimmt nicht an einer Ansteckung.

Im Laufe der Zeit starben immer weniger Bienen an der „Isle of Wight“-Krankheit, da sich die Insekten an die Veränderungen in ihrer Umgebung – was immer auch der Grund dafür gewesen sein mag – anzupassen schienen. Orte, die zuerst davon betroffen waren, erholten sich auch zuerst.

Dann, im Jahr 1917, als die Bienen sogar auf der Isle of Wight ihre frühere Vitalität wiederzugewinnen schienen, ereignete sich etwas, das die elektrische Umgebung der übrigen Welt veränderte: Die Regierung der Vereinigten Staaten entschloss sich plötzlich, Millionen von Dollar für ein Intensiv-Programm zu mobilisieren, um Armee, Marine und Luftwaffe mit den modernsten Kommunikationsmöglichkeiten auszustatten. Der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg am 6. April 1917 führte zu einer Ausbreitung des Rundfunks, die so plötzlich und schnell erfolgte wie die Ausbreitung der Elektrizität im Jahr 1889.

Wieder waren es die Bienen, die die ersten Warnsignale aussandten.

„Charles Schilke aus Morganville in Monmouth County an der Ostküste der Vereinigten Staaten, ein Imker mit umfangreicher Erfahrung im Betrieb von etwa 300 Kolonien, berichtete von einem großen Bienenverlust aus den Bienenstöcken in einem seiner Höfe in der Nähe von Bradevelt“, hieß es in einem Bericht, der im August 1918 veröffentlicht wurde.5 „Tausende von toten und sterbender Bienen lagen bzw. krabbelten in der Nähe des Bienenstocks herum und sammelten sich in Gruppen auf Holzstücken, Steinen und Vertiefungen im Boden. Bei den hiervon betroffenen Bienen schien es sich fast ausschließlich um junge erwachsene Arbeitsbienen zu handeln, ungefähr in dem Alter, in dem sie normalerweise die erste Feldarbeit verrichten würden. Es wurden jedoch auch alle Altersgruppen der älteren Bienen gefunden. Zu diesem Zeitpunkt wurde noch nichts Abnormales im Bienenstock festgestellt.“

Dieser Ausbruch beschränkte sich auf Morganville, Freehold, Milhurst und Gebiete im Umfeld von New Jersey, nur wenige Kilometer seewärts von einem der mächtigsten Radiosender der Welt entfernt, nämlich demjenigen in New Brunswick. Die Regierung hatte ihn kurz zuvor übernommen, um ihn für Kriegszwecke einzusetzen. Im Februar dieses Jahres wurde ein Alexanderson Wechselstromgenerator mit einer Leistung von 50.000 Watt installiert, um eine weniger effiziente Funkvorrichtung von 350.000 Watt zu ergänzen. Beide versorgten eine mehrere Hundert Meter lange Antenne mit Strom. Sie bestand aus 32 parallelen Drähten, die zwischen zwölf 120 Meter hohen Stahltürmen gespannt waren und militärische Kommunikation über den Ozean an das Kommando in Europa sendeten.

Das Radio kam nun im Ersten Weltkrieg voll zum Einsatz. Für die Fernkommunikation gab es keine Satelliten und keine Kurzwellengeräte. Die Vakuumröhren waren noch nicht perfektioniert und Transistoren erschienen erst Jahrzehnte später auf der Bildfläche. Es war die Ära immenser Radiowellen, ineffizienter Antennen, die so hoch wie kleine Berge waren, und Funkenstreckensender, die Strahlungen wie Schrot über das gesamte Funkspektrum streuten und alle anderen Signale störten. Die Ozeane wurden mit roher Gewalt überquert, 300.000 Watt Strom wurden an diese berghohen Antennen geliefert, um eine Strahlungsleistung von vielleicht 30.000 Watt zu erreichen. Der Rest wurde als Wärme abgegeben. Ein Morsecode konnte gesendet werden, aber keine Sprache. Der Empfang war sporadisch und unzuverlässig.

Nur wenige der Großmächte hatten die Gelegenheit gehabt, eine Kommunikation mit ihren Kolonien in Übersee aufzubauen, bevor der Krieg 1914 dazwischenkam. Das Vereinigte Königreich hatte zu Hause zwei extrem leistungsstarke Sender, aber keine Funkverbindungen zu einer der Kolonien. Die erste derartige Verbindung befand sich noch im Bau in der Nähe von Kairo. Frankreich hatte eine leistungsstarke Station am Eiffelturm und eine andere in Lyon, aber keine Verbindung zu einer seiner Überseekolonien. Belgien hatte eine leistungsstarke Station im Kongo, sprengte aber nach Kriegsausbruch seine Heimatstation in Brüssel. Italien hatte eine leistungsstarke Station in Eritrea und Portugal hatte eine in Mosambik und eine in Angola. Norwegen hatte einen ultrastarken Sender und Japan und Russland hatten auch jeweils einen. Nur Deutschland hatte beim Aufbau der Funkverbindungen mit den Kolonien, einer Art kaiserlichen Funkkette, große Fortschritte gemacht. Aber innerhalb weniger Monate nach der Kriegserklärung wurden alle Überseestationen – in Togo, Daressalam, Yap, Samoa, Nauru, Neupommern, Kamerun, Kiautschou und Deutsch-Ostafrika – zerstört.6

Kurz gesagt, das Funkwesen steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen und war noch am Krabbeln. Die Versuche des Neulings, aufrecht zu gehen, wurden durch den Ausbruch des Krieges in Europa behindert. In den Jahren 1915 und 1916 machte das Vereinigte Königreich Fortschritte bei der Installation von 13 Langstreckenstationen in verschiedenen Teilen der Welt, um mit seiner Marine in Kontakt zu bleiben.

Als die Vereinigten Staaten 1917 in den Krieg eintraten, veränderte sich die Lage sehr schnell. Die Marine der Vereinigten Staaten hatte bereits einen riesigen Sender in Arlington, Virginia, und einen zweiten im Darién in der Panamakanalzone. Im Mai 1917 begann ein dritter in San Diego zu senden, ein vierter in Pearl Harbor am 1. Oktober desselben Jahres und ein fünfter in Cavite auf den Philippinen am 19. Dezember. Die Marine übernahm auch private und ausländische Stationen in Lents, Oregon; im Süden San Franciscos, Kalifornien; Bolinas, Kalifornien; Kahuku, Hawaii; Heeia Point, Hawaii; Sayville, Long Island; Tuckerton, New Jersey und New Brunswick, New Jersey. Bis Ende 1917 sendeten 13 amerikanische Stationen Nachrichten über zwei Ozeane.

50 weitere Radiosender mit mittlerer und hoher Leistung waren rings um die Vereinigten Staaten und ihre Herrschaftsgebiete verteilt, um mit Schiffen zu kommunizieren. Die Marine stellte über 10.000 Sender mit niedriger, mittlerer und hoher Leistung her und rüstete ihre Schiffe damit aus. Anfang 1918 schlossen mehr als 400 Studierende pro Woche ihre Funkkurse bei der Marine ab. Innerhalb nur eines Jahres, zwischen dem 6. April 1917 und Anfang 1918, baute und betrieb die Marine das größte Funknetz der Welt.

Amerikas Sender waren weitaus effizienter als die meisten der zuvor gebauten. Als 1913 in Arlington ein 30-Kilowatt-Poulson-Lichtbogensender installiert wurde, stellte sich heraus, dass er dem dortigen 100-Kilowatt-Funkenapparat so weit überlegen war, dass die Marine den Lichtbogen als bevorzugte Ausrüstung einführte und Sets mit immer höheren Leistungskapazitäten bestellte. Der im Darién installierte Lichtbogensender hatte eine Leistung von 100 Kilowatt, der in San Diego 200 Kilowatt, und die in Pearl Harbor und Cavite jeweils 350 Kilowatt. Im Jahr 1917 wurden 30-Kilowatt-Lichtbogensender auf Marineschiffen installiert, die die Sender auf den meisten Schiffen anderer Nationen in den Schatten stellten.

Trotzdem war der Lichtbogensender im Grunde nur eine Funkenstrecke, über die Strom kontinuierlich – anstatt schubweise – floss. Er verunreinigte die Luftwege immer noch mit unerwünschten Oberschwingungen, übertrug Sprache schlecht und war nicht zuverlässig genug für eine kontinuierliche Kommunikation bei Tag und Nacht. Also probierte die Marine ihren ersten Hochgeschwindigkeitsgenerator aus, den sie in New Brunswick übernommen hatte. Wechselstromgeneratoren hatten überhaupt keine Funkenstrecken. Wie feine Musikinstrumente erzeugten sie reine, kontinuierliche Wellen, die scharf gestimmt und für kristallklare Sprach- oder telegrafische Kommunikation moduliert werden konnten. Ihr Erfinder, Ernst Alexanderson, entwarf auch eine dazu passende Antenne, die die Strahlungseffizienz um das Siebenfache erhöhte. Bei einem Vergleichstest mit dem zeitgesteuerten 350-Kilowatt-Funken an derselben Station hatte der 50-Kilowatt-Generator eine größere Reichweite.7 Ab Februar 1918 setzte die Marine deshalb auf den Wechselstromgenerator, um eine kontinuierliche Kommunikation mit Italien und Frankreich zu gewährleisten.

Im Juli 1918 wurde dem System, das die Marine in Sayville übernommen hatte, ein weiterer 200-Kilowatt-Lichtbogensender hinzugefügt. Im September 1918 ging ein 500-Kilowatt-Lichtbogensender auf einer neuen Marinestation in Annapolis, Maryland, auf Sendung. In der Zwischenzeit hatte die Marine für New Brunswick einen zweiten, stärkeren Wechselstromgenerator mit einer Leistung von 200 Kilowatt bestellt. Er wurde im Juni installiert und ging auch im September ununterbrochen auf Sendung. New Brunswick wurde sofort zum leistungsstärksten Sender der Welt und übertraf damit Deutschlands Vorzeigesender in Nauen. Er war der erste, der sowohl Sprach- als auch Telegrafienachrichten klar, kontinuierlich und zuverlässig über den Atlantik sandte. Man konnte sein Signal auf einem großen Teil der Erde hören.

Die Krankheit, die als Spanische Grippe bezeichnet wurde, wurde in diesen Monaten geboren. Sie stammte nicht aus Spanien. Aber sie tötete zig Millionen Menschen auf der ganzen Welt und wurde im September 1918 auf einen Schlag noch tödlicher. Einigen Schätzungen zufolge hat die Pandemie mehr als eine halbe Milliarde Menschen oder ein Drittel der Weltbevölkerung getroffen. Selbst der Schwarze Tod des 14. Jahrhunderts hat nicht so viele Menschen in so kurzer Zeit getötet. Kein Wunder, dass jeder Angst vor ihrer Rückkehr hat.

Vor einigen Jahren gruben Forscher in Alaska vier Leichen aus, die seit 1918 gefroren im Permafrost lagen. Sie waren in der Lage, RNS aus einem Influenzavirus im Lungengewebe einer der Leichen zu identifizieren. Dies war der Monsterkeim, der angeblich so viele Menschen in der Blütezeit ihres Lebens gefällt hat; die Mikrobe, die einem Schweinevirus ähnelt, gegen deren Rückkehr wir ewige Wachsamkeit walten lassen müssen, damit sie die Welt nicht wieder dezimiert.

Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass die Krankheit von 1918 tatsächlich ansteckend war.

Die Spanische Grippe hatte ihren Ursprung offenbar Anfang 1918 in den Vereinigten Staaten, schien sich auf Marineschiffen auf der ganzen Welt auszubreiten und trat zuerst an Bord dieser Schiffe sowie in Seehäfen und Marinestützpunkten auf. Der größte frühe Ausbruch, bei dem etwa 400 Menschen hart getroffen wurden, ereignete sich im Februar in der Funkschule der Marine in Cambridge, Massachusetts.8 Im März breitete sich die Influenza in den Heerlagern aus, in denen die Nachrichtentruppe in der Verwendung von Funkgeräten geschult wurde: 1.127 Soldaten erkrankten an der Influenza im Camp Funston in Kansas und 2.900 in den Lagern von Oglethorpe in Georgia. Ende März und April breitete sich die Krankheit auf die Zivilbevölkerung und die ganze Welt aus.

Zunächst war die Epidemie milde, schlug dann aber explosionsartig und tödlich im September überall gleichzeitig auf der Welt zu. Todeswellen überschwemmten immer wieder mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Menschheit diesseits und jenseits der Ozeane, bis die Kraft drei Jahre später nachließ.

Die Opfer waren oft monatelang wiederholt krank. Unter anderem waren es die Blutungen, die die Ärzte am meisten verwirrten. Zehn bis 15 Prozent der Grippepatienten, die in einer Privatpraxis versorgt wurden,9 und bis zu 40 Prozent der Grippepatienten in der Marine10 litten an Nasenbluten. Nach ärztlichen Beschreibungen „sprudelte“ das Blut manchmal regelrecht aus der Nase.11 Bei anderen Blutungen waren Zahnfleisch, Ohren, Haut, Magen, Darm, Gebärmutter oder Nieren betroffen. Der häufigste und schnellste Weg zum Tod war eine Blutung in der Lunge: Grippeopfer mit dieser Diagnose ertranken in ihrem eigenen Blut. Autopsien ergaben, dass bei bis zu einem Drittel der tödlichen Fälle auch Blutungen im Gehirn vorgelegen hatten.12 Gelegentlich schien sich ein Patient zwar von den Atemwegsbeschwerden erholt zu haben, starb dann aber letztendlich an einer Gehirnblutung.

„Die Regelmäßigkeit, mit der diese verschiedenen Blutungen auftraten, deutete auf die Möglichkeit einer Veränderung des Blutes hin“, so die Ärzte Arthur Erskine und B. L. Knight von Cedar Rapids in Iowa gegen Ende des Jahres 1918. Deshalb testeten sie das Blut vieler Patienten mit Influenza und Lungenentzündung. „Bei allen getesteten Patienten“, schrieben sie, „war ausnahmslos die Gerinnbarkeit des Blutes verringert, während sich die Zeit, die zur Gerinnung erforderlich war, verlängerte. Diese variierte von zweieinhalb bis acht Minuten länger als normal. Dabei war es belanglos, ob das Blut bereits am zweiten Tag der Infektion oder erst 20 Tage nach Genesung von einer Lungenentzündung getestet wurde, die Ergebnisse waren immer die gleichen … Mehrere örtliche Ärzte testeten auch das Blut ihrer Patienten, und obwohl unsere Aufzeichnungen zu diesem Zeitpunkt aus erklärlichen Gründen unvollständig sind, haben wir noch keinen Bericht über einen Fall erhalten, bei dem die Zeit für den Gerinnungsprozess nicht verlängert war.“

Das ist mit einem Virus, der die Atemwege befällt, nicht vereinbar – aber mit dem, was über Elektrizität bekannt ist, seit Gerhard 1779 das erste Experiment mit menschlichem Blut durchführte. Es stimmt mit dem überein, was über die Auswirkungen von Radiowellen auf die Blutgerinnung bekannt ist.13 Erskine und Knight retteten ihre Patienten nicht durch die Bekämpfung einer Infektion, sondern durch die Verabreichung von hochdosiertem Calciumlactat, um die Blutgerinnung zu fördern.

Es gibt noch eine andere verblüffende Tatsache, die keinen Sinn ergibt, wenn diese Pandemie ansteckend war, die aber Sinn macht, wenn sie durch Radiowellen verursacht wurde: Anstatt nämlich alte und gebrechliche Menschen zu töten, wie das bei den meisten Krankheiten der Fall ist, starben hier hauptsächlich gesunde, kräftige junge Menschen zwischen 18 und 40 Jahren. Genau das spielte sich auch in der vorherigen Pandemie im Jahr 1889 ab – wenn auch weniger vehement. Wie wir in Kapitel 5 gesehen haben, entspricht dies der vorherrschenden Altersspanne bei Neurasthenie, der chronischen Form der elektrischen Erkrankung. Zwei Drittel aller Influenza-Todesfälle lagen in dieser Altersgruppe.14 Ältere Patienten waren selten.15 Ein Arzt in der Schweiz schrieb, dass er „weder einen schweren Fall bei Säuglingen noch bei Personen über 50 gesehen hatte“, aber dass „eine rüstige Person, die erste Symptome um 16 Uhr zeigte, vor 10 Uhr am nächsten Morgen starb“.16 Ein Reporter in Paris ging so weit zu sagen, dass „nur Personen zwischen 15 und 40 Jahren betroffen sind“.17

Bei schlechter körperlicher Verfassung war die Prognose besser. Wenn eine Person unterernährt, körperlich behindert, anämisch oder tuberkulös war, war es viel weniger wahrscheinlich, dass sie an der Grippe erkrankte, und selbst wenn sie erkrankte, war es viel unwahrscheinlicher, dass sie daran starb.18 Dies war eine so häufige Beobachtung, dass Dr. D. B. Armstrong einen provokanten Artikel im Boston Medical and Surgical Journal darüber schrieb, mit dem Titel „Influenza: Ist es ein Hindernis, gesund zu sein?“ Die Ärzte diskutierten ernsthaft darüber, ob sie ihre Patienten tatsächlich zum Tode verurteilen würden, wenn sie ihnen rieten, sich fit zu halten!

Es wurde berichtet, dass die Grippe bei schwangeren Frauen noch öfter tödlich verlief.

Eine weitere Besonderheit, der die Ärzte ratlos gegenüberstanden, war, dass in den meisten Fällen, nachdem sich die Temperatur bei den Patienten wieder normalisiert hatte, ihre Pulsfrequenz unter 60 fiel und einige Tage bei diesem Wert blieb. In schwereren Fällen fiel die Pulsfrequenz sogar auf 36 bis 48, ein Hinweis auf einen Herzblock.19 Auch dies ist im Fall eines Atemwegsvirus unerklärlich, wird aber Sinn machen, sobald wir mehr über die Radiowellenkrankheit erfahren haben.

Zwei bis drei Monate nach Genesung von der Grippe verloren Patienten regelmäßig einen Teil ihrer Haare. Laut Samuel Ayres, Dermatologe am Massachusetts General Hospital in Boston, war dies fast täglich der Fall, wobei die meisten dieser Patienten junge Frauen waren. Auch diese Nachwirkung ist bei Atemwegsviren nicht zu erwarten; aber es wurde schon häufig über Haarausfall aufgrund der Exposition gegenüber Radiowellen berichtet.20

Eine weitere unerklärliche Beobachtung war, dass Patienten im Jahr 1918 selten über Halsschmerzen, laufende Nasen oder andere anfängliche Atemwegsbeschwerden klagten.21 Neurologische Symptome dagegen waren, genau wie bei der Pandemie von 1889, selbst in milden Fällen weit verbreitet. Sie reichten von Schlaflosigkeit, Stupor, abgestumpfter oder ungewöhnlich erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit, Kribbeln, Juckreiz und Schwerhörigkeit bis hin zu Schwäche oder teilweiser Lähmung des Gaumens, der Augenlider, der Augen und verschiedener anderer Muskeln.22 Der berühmte Karl Menninger berichtete über 100 Fälle von einer durch Influenza ausgelösten Psychose, darunter 35 Fälle von Schizophrenie, die er während eines Zeitraums von drei Monaten beobachtete.23

Obwohl allgemein angenommen wurde, dass diese Krankheit ansteckend sei, blieben Masken, Quarantänen und Isolation erfolglos.24 Selbst in einem weit abgelegenen Land wie Island breitete sich die Grippe allgemein aus, trotz einer Quarantäne der Opfer.25

Die Krankheit schien sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten. „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie schneller reisen würde als Menschen es konnten, aber es sah so aus, als sei das der Fall“, schrieb Dr. George A. Soper, Major in der Armee der Vereinigten Staaten.26

Am aufschlussreichsten waren jedoch die verschiedenen wagemutigen Versuche, die Infektiosität dieser Krankheit mithilfe von Freiwilligen zu beweisen. Alle Versuche, die im November und Dezember 1918 sowie im Februar und März 1919 dahingehend unternommen wurden, schlugen fehl. Ein medizinisches Team in Boston, das für den öffentlichen Gesundheitsdienst der Vereinigten Staaten arbeitete, versuchte 100 gesunde Freiwillige im Alter zwischen 18 und 25 Jahren zu infizieren. Ihre Bemühungen waren beeindruckend und bilden eine unterhaltsame Lektüre:

„Wir haben das Material und die Schleimsekrete von Mund, Nase, Rachen und Bronchien aus Krankheitsfällen gesammelt und unsere Freiwilligen damit infiziert. Wir haben dieses Material immer auf die gleiche Weise erhalten. Der Patient, der mit Fieber im Bett lag, hatte eine große, flache Schale vor sich. Dann spülten wir ein Nasenloch mit ca. 5 ml einer sterilen Salzlösung aus, die in die Schale abtropfen konnte; und dieses Nasenloch wird dann kräftig in die Schale ausgeblasen. Dies wird am anderen Nasenloch wiederholt. Dann gurgelte der Patient mit dieser Lösung. Als Nächstes erhalten wir durch Husten etwas Bronchialschleim und nehmen einen Abstrich der Schleimhäute in beiden Nasenöffnungen und auch von der Schleimhautoberfläche des Rachens. Jeder der Freiwilligen erhielt 6 ml einer Mischung der beschriebenen Sekrete. Sie wurde jedem Nasenloch, dem Hals und dem Auge zugeführt; und wenn Sie bedenken, dass insgesamt 6 ml verwendet wurden, werden Sie verstehen, dass ein Teil davon verschluckt wurde. Keiner von ihnen wurde krank.“

In einem weiteren Experiment mit neuen Freiwilligen und Spendern wurde die Salzlösung eliminiert, und stattdessen wurde das Material mit Wattestäbchen direkt von Nase zu Nase und von Hals zu Hals übertragen, wobei die Spender am ersten, zweiten oder dritten Tag der Erkrankung hinzugezogen wurden. „Keiner dieser Freiwilligen, die mit dem Material von Erkrankten auf diese Weise infiziert wurden, wurde in irgendeiner Weise krank … Alle Freiwilligen erhielten mindestens zwei und einige von ihnen drei ‚Dosen‘, wie sie es ausdrückten.“

In einem weiteren Experiment wurden 20 ml Blut von jeweils fünf kranken Spendern gemischt und jedem Freiwilligen injiziert. „Keiner von ihnen wurde in irgendeiner Art und Weise krank.“

„Dann haben wir viel Schleimmaterial aus den oberen Atemwegen gesammelt und durch Mandler-Filter laufen lassen. Dieses Filtrat wurde zehn Freiwilligen injiziert, von denen jeder 3,5 ml subkutan erhielt, und wiederum wurde keiner von ihnen in irgendeiner Art und Weise krank.“

Dann wurde ein weiterer Versuch unternommen, die Krankheit „auf natürliche Weise“ mit neuen Freiwilligen und Spendern zu übertragen: „Der Freiwillige wurde zum Bett des Patienten geführt; er wurde vorgestellt. Er setzte sich neben das Bett des Patienten. Sie gaben sich die Hand, und auf Anweisung näherte er sich ihm so nah wie möglich, und sie unterhielten sich fünf Minuten lang. Am Ende der fünf Minuten atmete der Patient so schwer er konnte aus, während der Freiwillige direkt gegenüber (gemäß Anweisungen war der Abstand zwischen den beiden etwa 5 cm) der Ausatmung des Patienten ausgesetzt war und diese gleichzeitig einatmete … Nachdem sie dies fünfmal durchgeführt hatten, hustete der Patient dem Freiwilligen fünfmal direkt ins Gesicht … [Dann] ging er zum nächsten von uns ausgewählten Patienten und wiederholte diesen Vorgang, bis der Freiwillige diese Art des Kontakts mit zehn verschiedenen Influenza-Patienten in verschiedenen Stadien der Krankheit gehabt hatte. Meistens ging es dabei jedoch um frische Fälle, die nicht älter als drei Tage waren … Keiner von ihnen wurde in irgendeiner Weise krank.“

„Wir sind auf den Ausbruch mit der Vorstellung herangegangen, dass wir die Ursache der Krankheit kannten, und waren uns ziemlich sicher, dass wir wussten, wie sie von Person zu Person übertragen wurde. Ich glaube“, schloss Dr. Milton Rosenau, „dass wir wahrscheinlich nur gelernt haben, dass wir nicht sicher sind, was wir über diese Krankheit wissen.“27

Frühere Versuche, eine Ansteckung bei Pferden nachzuweisen, waren mit demselben durchschlagenden Misserfolg verbunden. In allen Stadien der Krankheit wurden gesunde Pferde in engem Kontakt mit kranken gehalten. Die Futtersäcke wurden bei Pferden mit Nasenausfluss und hoher Temperatur nicht entfernt. Diese Futtersäcke wurden dann zum Füttern anderer Pferde verwendet, die jedoch hartnäckig gesund blieben. Infolge dieser und anderer Versuche schrieb Oberstleutnant Herbert Watkins-Pitchford vom Veterinärkorps der britischen Armee im Juli 1917, er könne keine Beweise dafür finden, dass die Influenza jemals direkt von einem Pferd auf ein anderes übertragen wurde.

Die beiden anderen Influenzapandemien des 20. Jahrhunderts in den Jahren 1957 und 1968 waren ebenfalls mit Meilensteinen der Elektrotechnik verbunden, die wiederum aus den Vereinigten Staaten eingeführt wurden.

Das Radar, das erstmals während des Zweiten Weltkriegs ausgiebig verwendet wurde, wurde Mitte der Fünfzigerjahre von den Vereinigten Staaten in spektakulärem Umfang eingesetzt, um sich mit einer dreifachen Schutzschicht zu umgeben, die jeden nuklearen Angriff aufspüren sollte. Die erste und kleinste Barriere waren die 39 Stationen der Pinetree-Linie, die von Küste zu Küste im Süden Kanadas und von Nova Scotia nach Norden bis zur Baffininsel Wache hielten. Diese Linie, die 1954 fertiggestellt wurde, war sozusagen die Wurzel eines riesigen Überwachungsbaums, der zwischen 1956 und 1958 immer größer wurde, dessen Zweige sich über Kanada in mittleren und hohen Breitengraden ausbreiteten, Triebe bis nach Alaska aussandte und sich über den Atlantik und den Pazifischen Ozean ausbreitete, um die Vereinigten Staaten im Osten, Westen und Norden zu bewachen. Nach Fertigstellung waren Hunderte von Radarkuppeln, die gigantischen Golfbällen glichen, wie Abfall über der kanadischen Landschaft verstreut, von Ozean zu Ozean und von der amerikanischen Grenze zur Arktis.

Die Linie durch Kanadas Mitte, die sich von Hopedale, Labrador, bis Dawson Creek, British Columbia, über 4.300 Kilometer erstreckte, bestand aus 98 leistungsstarken Doppler-Radargeräten, die 48 Kilometer voneinander entfernt und ungefähr 480 Kilometer nördlich der Pinetree-Linie lagen. Der Bau der ersten Station begann am 1. Oktober 1956; das fertiggestellte System wurde am 1. Januar 1958 offiziell eröffnet.

Die 58 Stationen der Fernwarn- oder DEW-Linie hielten ungefähr entlang des 69. Breitengrades Wache im Frost, 320 Kilometer nördlich des Polarkreises, in einer Kette, die sich von der Baffininsel bis zu den Nordwest-Territorien und über Alaska hinweg erstreckte. Jeder Hauptstandort, von denen es 33 gab, hatte zwei gepulste Sender. Einer davon strahlte immer einen Pencil Beam, quasi einen „Bleistiftstrahl“, für die Präzisionsverfolgung über große Entfernungen und der zweite einen breiteren Strahl für die allgemeine Überwachung aus. Jeder Strahl hatte eine Spitzenleistung von 500 Kilowatt, sodass jeder Standort eine maximale Spitzenleistung von einer Million Watt hatte. Die Frequenz lag zwischen 1.220 und 1.350 MHz. Die anderen 25 „Lückenfüller“-Stationen hatten Dauerstrich-Doppler mit einer Leistung von 1 Kilowatt, die mit 500 MHz betrieben wurden. Der Bau begann 1955 und das fertiggestellte System wurde am 31. Juli 1957 offiziell eröffnet.

Die DEW-Linie erstreckte sich in Linien aus Marineschiffen – vier im Atlantik und fünf im Pazifik – den Atlantik und den Pazifik hinunter, ergänzt durch Lockheed-Flugzeugflotten, die in zwölf- bis vierzehnstündigen Schichten bei 900 bis 1.800 Meter Höhe Patrouille flogen. Die Heimathäfen der radartragenden Schiffe und Flugzeuge der Atlantikbarriere befanden sich in Maryland und Neufundland. Von dort wurde das Meer bis zu den Azoren überwacht. Der Atlantikbetrieb begann testweise am 1. Juli 1956 und wurde ein Jahr später voll eingesetzt. Der Pazifik-Wall, der in Hawaii und Midway stationiert war, scannte den Ozean vor dem Westen Nordamerikas und patrouillierte ungefähr von Midway nach Kodiak Island. Die ersten beiden Schiffe wurden Pearl Harbor 1956 zugewiesen und der Wall war am 1. Juli 1958 voll einsatzbereit.

Zusätzlich wurden drei „Texas-Türme“, die mit Fernradargeräten ausgestattet waren, etwa 160 Kilometer vor der Atlantikküste aufgestellt und im Meeresboden verankert. Der erste, 175 Kilometer östlich von Cape Cod, wurde im Dezember 1955 in Betrieb genommen, während der letzte, 135 Kilometer südöstlich des New Yorker Hafens, im Frühsommer 1957 aktiviert wurde.

Schließlich musste jeder der 195 ursprünglichen Radarstandorte, die den kanadischen Himmel überlagerten, in der Lage sein, Überwachungsdaten von größtenteils sehr entfernten Orten zu senden. So wurde jeder Standort mit Hochleistungsfunksender ausgestattet, die typischerweise im Mikrowellenspektrum zwischen 600 und 1.000 MHz und mit Sendeleistungen von bis zu 40 Kilowatt betrieben wurden. Sie verwendeten eine Technologie namens „troposphärische Streuung“. Riesige Antennen in Form gewölbter Werbetafeln richteten ihre Signale über den fernen Horizont, um sie von Partikeln in der unteren Atmosphäre 9,5 Kilometer über der Erde abprallen zu lassen und so einen Empfänger zu erreichen, der Hunderte von Kilometern entfernt war.

Gleichzeitig wurde in ganz Alaska ein weiteres vollständiges Netzwerk solcher Antennen installiert, das sogenannte White Alice Communications System. Die ersten wurden am 12. November 1956 in Betrieb genommen und das gesamte System wurde am 26. März 1958 offiziell eröffnet.

Die „Asiatische“ Grippepandemie begann Ende Februar 1957 und dauerte über ein Jahr. Die meisten Todesfälle gab es im Herbst und Winter 1957–1958.

Ein Jahrzehnt später brachten die Vereinigten Staaten eine weltweit erste Konstellation von Militärsatelliten in einer Höhe von etwa 33.300 Kilometer in die Erdumlaufbahn, mitten im Herzen des äußeren Van-Allen-Strahlungsgürtels. Die 28 Satelliten, die als erstes Verteidigungs-Kommunikations-Satellitenprogramm oder Initial Defense Communication Satellite Program (IDCSP) bezeichnet werden, wurden nach dem Start der letzten acht Satelliten am 13. Juni 1968 in Betrieb genommen. Die „Hongkong“-Grippepandemie begann im Juli 1968 und dauerte bis März 1970.

Obwohl es bereits einige Satelliten im Weltraum gab, wurden sie alle in den Sechzigerjahren einzeln gestartet. Zu Beginn des Jahres 1968 waren insgesamt nur 13 Satelliten über der Erde in Umlauf. Das IDCSP erhöhte diese Anzahl schlagartig nicht nur auf das Dreifache, sondern platzierte sie auch noch inmitten der anfälligsten Schicht der Erdmagnetosphäre.

In jedem Fall der vorgenannten Pandemien – 1889, 1918, 1957 und 1968 – wurde die elektrische Hülle der Erde, die im nächsten Kapitel beschrieben wird und mit der wir durch unsichtbare Fäden verbunden sind, plötzlich und zutiefst gestört. Diejenigen, für die diese Bindung am stärksten war, deren Wurzeln am lebendigsten waren und deren Lebensrhythmus am engsten mit den gewohnten Pulsationen unseres Planeten in Einklang stand – mit anderen Worten, kräftige, gesunde junge Erwachsene und schwangere Frauen – waren auch die, die am meisten gelitten haben und unter denen die meisten Todesfälle vorkamen. Wie bei einem Orchester, dessen Dirigent plötzlich wahnsinnig geworden ist, konnten seine Organe – die Instrumente, die ihm Leben verleihen – nicht länger weiterspielen.

Die Welt unter Strom

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