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Als die City and South London Electric Railway im Jahr 1890 ihren Betrieb aufnahm, hatten empfindliche Instrumente am sieben Kilometer entfernten Royal Observatory in Greenwich Störungen empfangen.2 Die Physiker dort waren sich nicht bewusst, dass elektromagnetische Wellen von dieser und jeder anderen elektrischen Eisenbahn ebenfalls in das Weltall strahlten und die Magnetosphäre der Erde veränderten. Eine Tatsache, die erst Jahrzehnte später entdeckt werden sollte. Um zu verstehen, was das für Leben und Natur bedeutet, widmen wir uns hier zunächst noch einmal dem Blitz.

Das Gebäude, in dem wir leben, d. h. die Biosphäre, dieser ungefähr 88 Kilometer hohe Raum, der mit Luft gefüllt ist und die Erde umgibt, ist ein Hohlraumresonator. Jedes Mal, wenn ein Blitz einschlägt, tönt der Hohlraum wie ein Gong. Das statische elektrische Feld, in dem wir uns bewegen und in dem die Vögel fliegen, wird vom Blitz mit 130 Volt pro Meter aufrechterhalten. Darüber hinaus löst er ein Echo in der Biosphäre bei bestimmten niederfrequenten Resonanzen („very low frequencies“, VLF) – 8 Schläge pro Sekunde (oder Hz), 14, 20, 26, 32 und so weiter – aus. Diese Resonanzen sind nach Winfried Schumann benannt, dem deutschen Physiker, der ihre Existenz voraussagte und mit seinem Assistenten Herbert König 1953 deren ständige Präsenz in der Atmosphäre bewies.

Nun ist es auch so, dass sich unser Gehirn in einem Zustand wacher Entspannung auf diese ganz bestimmten Frequenzen einstellt. Das dominante Muster eines menschlichen Elektroenzephalogramms von vor der Geburt bis zum Erwachsenenalter – der bekannte Alpha-Rhythmus im Bereich von 8 bis 13 Hz oder 7 bis 13 Hz bei einem Neugeborenen – ist auf die ersten beiden Schumann-Resonanzen beschränkt. Ein alter Teil des Gehirns, das sogenannte limbische System, das an der Verarbeitung von Emotionen und am Langzeitgedächtnis beteiligt ist, erzeugt Theta-Wellen von 4 bis 7 Hz, die von der ersten Schumann-Resonanz nach oben begrenzt werden. Der Theta-Rhythmus ist bei kleinen Kindern und während der Meditation bei Erwachsenen stärker ausgeprägt. Dieselben Frequenzen, sowohl die Alpha- als auch die Thetawellen, pulsieren auch bei Tieren, und soweit wir wissen, geschieht dies mit überraschend geringen Abweichungen. In entspanntem Zustand haben Hunde einen Alpha-Rhythmus von 8 bis 12 Hz, der mit dem unsrigen identisch ist. Bei Katzen ist der Bereich von 8 bis 15 Hz etwas breiter. Kaninchen, Meerschweinchen, Schweine, Ziegen und Kühe, Frösche, Vögel und Reptilien weisen fast die gleichen Frequenzen auf.3

Schumanns Assistent König war von den Ähnlichkeiten dieser atmosphärischen Wellen mit den elektrischen Schwingungen des Gehirns so beeindruckt, dass er eine Reihe von Experimenten mit weitreichenden Folgen durchführte. Die erste Schumann-Resonanz, schrieb er, ist tatsächlich so sehr identisch mit dem Alpha-Rhythmus, dass es selbst einem Experten schwerfällt, den Unterschied zwischen den Aufzeichnungen des Gehirns und denen der Atmosphäre zu erkennen. König war überzeugt, dass dies kein Zufall war. Die erste Schumann-Resonanz kommt bei schönem Wetter unter ruhigen, ausgeglichenen Bedingungen vor, genauso wie auch der Alpha-Rhythmus im Gehirn in einem ruhigen, entspannten Zustand auftritt. Der Delta-Rhythmus hingegen, der aus unregelmäßigen Wellen mit einer höheren Amplitude um 3 Hz besteht, tritt in der Atmosphäre unter unruhigen, unausgeglichenen Wetterbedingungen und im Gehirn bei Krankheits- oder gestörten Zuständen auf – Kopfschmerzen, spastische Zustände, Tumore und so weiter.

In einem Experiment mit fast 50.000 Menschen, die 1953 an einer Verkehrsausstellung in München teilnahmen, konnte König nachweisen, dass die zuletzt genannten gestörten Wellen in der Atmosphäre die Reaktionszeiten des Menschen erheblich verlangsamen, während bei den 8-Hz-Schumann-Wellen genau das Gegenteil beobachtet werden konnte. Je größer das Schumann-Signal in der Atmosphäre war, desto schneller reagierten die Menschen an diesem Tag. König duplizierte diese Effekte dann im Labor: Ein künstliches Feld von 3 Hz (Delta-Bereich) verlangsamte die menschlichen Reaktionen, während ein künstliches Feld von 10 Hz (Alpha-Bereich) sie beschleunigte. König bemerkte auch, dass einige seiner Probanden während der 3-Hz-Exposition über Kopfschmerzen, Müdigkeit, ein Engegefühl in der Brust oder Schwitzen an den Handflächen klagten.4

Im Jahr 1965 veröffentlichte James R. Hamer die Ergebnisse von ähnlichen Experimenten, die er für die Northrop Space Laboratories durchgeführt hatte. Der Titel seines Artikels war „Biologische Anpassung des menschlichen Gehirns durch niederfrequente Strahlung“. Wie König zeigte er, dass Frequenzen über 8 Hz die Reaktionszeiten beschleunigten, während niedrigere Frequenzen den gegenteiligen Effekt hatten. Aber er ging noch weiter. Er bewies, dass das menschliche Gehirn zwischen Frequenzen differenzieren konnte, die sich nur geringfügig voneinander unterschieden – aber nur dann, wenn das Signal schwach genug war. Als er die Signalstärke auf 0,0038 Volt pro Meter reduzierte, was nahezu dem Wert der erdeigenen Felder entspricht, hatten 7½ Hz einen erheblich anderen Effekt als 8½ Hz. Das Gleiche galt für 9½ Hz und 10½ Hz.

Aber damit ist das Repertoire des Blitzes noch nicht erschöpft. Zusätzlich zu dem statischen Feld, in dem wir uns bewegen, und den niedrigen Frequenzen, die unser Gehirn ansprechen, liefert uns der Blitz auch eine stetige Symphonie höherer Frequenzen, die als atmosphärische Störungen oder einfach als „Sferics“ bezeichnet werden. Sie erreichen Tausende von Zyklen pro Sekunde. Über einen Längstwellen-Empfänger („very low frequency radio“) hört sich ihr Knistern und Knacken wie das Brechen von Zweigen an. Normalerweise werden sie durch Gewitter verursacht, die jedoch Tausende von Kilometern entfernt sein können. Andere Geräusche, sogenannte Whistler, die den absteigenden Tönen einer Kolbenpfeife ähneln, entstehen häufig durch Gewitter am anderen Ende der Erde. Ihre fallenden Töne werden auf der langen Reise erzeugt, die die Wellen entlang der Magnetfeldlinien in den Weltraum und auf der gegenüberliegenden Hemisphäre zurück zur Erde führt. Diese Wellen können sogar viele Male von einem Ende der Erde zum anderen hin und her springen, wodurch gespenstisch schleppende Pfeiftöne erzeugt werden. Als diese in den 1920er-Jahren zum ersten Mal entdeckt wurden, schienen sie so wenig mit unserer Welt verwandt zu sein, dass sie die Presse zu Überschriften wie „Stimmen aus dem Weltraum“ inspirierten, die durchaus nicht unangemessenen waren.5

Zu den anderen Geräuschen, die man besonders in den höheren Breiten hören kann und die irgendwo in der elektrischen Umgebung unseres Planeten entstehen, gehören ein stetiges Zischen und ein „Morgenchor“, der wegen seiner Ähnlichkeit mit zwitschernden Vögeln so genannt wird. Beide Geräusche steigen und fallen sanft, ungefähr alle 10 Sekunden, mit den langsamen Pulsationen des Erdmagnetfelds.

Unser Nervensystem schwelgt in dieser VLF-Symphonie. Ihre Frequenzen, die ungefähr zwischen 200 und 30.000 Hz liegen, erstrecken sich über den Bereich unseres auditorischen Systems und umfassen, wie König beobachtete, auch die Frequenzen der Impulse, die unser Gehirn an unsere Muskeln sendet. Die Auswirkung unseres VLF-Umfelds auf unser Wohlbefinden wurde 1954 von Reinhold Reiter mit großem Erfolg dargestellt, als er die Ergebnisse mehrerer Bevölkerungsstudien auflistete, die er und seine Kollegen in Deutschland mit rund einer Million Menschen durchgeführt hatten. Geburten, Todesfälle, Selbstmorde, Vergewaltigungen, Arbeits- und Verkehrsunfälle, menschliche Reaktionszeiten, Schmerzen von Amputierten und Beschwerden von Menschen mit Hirnverletzungen nahmen an Tagen mit starken VLF-Sferics signifikant zu.6

Unser VLF-Umfeld reguliert den biologischen Rhythmus sowohl bei Menschen als auch bei Tieren. Goldhamster, die seit den 1930er-Jahren beliebte Haustiere sind, leben in freier Wildbahn in der Nähe von Aleppo in Syrien, wo sie jeden Winter für etwa drei Monate in regelmäßigem Turnus in den Winterschlaf gehen und wieder aus ihm erwachen. Wissenschaftler, die versuchten, Hamster für Winterschlafstudien im Labor zu verwenden, standen vor einem Rätsel: Es gelang ihnen nicht, bei diesen Tieren einen Winterschlaf auszulösen – weder durch eine Verlängerung der Kälteperiode noch durch eine Verkürzung des Tageslichts oder einer Änderung anderer bekannter Umweltfaktoren.7

Mitte der 1960er-Jahre verfolgten die Klimatologen Wolfgang Ludwig und Reinhard Mecke einen anderen Ansatz. Sie hielten einen Hamster im Winter in einem Faradayschen Käfig, geschützt vor allen natürlichen elektromagnetischen Wellen und ohne die Temperatur oder Stunden des Tageslichts zu regulieren. Zu Beginn der vierten Woche führten sie mittels einer Antenne die natürlichen atmosphärischen Frequenzen aus dem Freien zu, woraufhin der Hamster sofort einschlief. Während der folgenden zwei Monate konnten die Forscher durch das Zuführen oder Entfernen von natürlichen Frequenzen aus dem Freien oder von künstlichen VLF-Feldern, die das natürliche Wintermuster imitierten, das Tier in den Winterschlaf versetzen und auch wieder aufwecken. Zu Beginn der 13. Versuchswoche wurden dann die Frequenzen im Käfig geändert, um das natürliche Sommermuster nachzuahmen. Und innerhalb einer halben Stunde, als ob es durch den plötzlichen Wechsel der Jahreszeit in Panik geraten wäre, wachte das Tier auf. In einem „Bewegungsrausch“ rannte das Tier eine ganze Woche lang Tag und Nacht, bis das Experiment beendet wurde. Bei Wiederholungen dieses Experiments mit anderen Hamstern, stellten die Forscher fest, dass dieses hohe Aktivitätsniveau nur nach dem Erwecken aus dem Winterschlaf herbeigeführt werden konnte. Die künstlichen Felder, die sie verwendeten, waren extrem schwach – manche nur 10 Millivolt pro Meter für das elektrische Feld und 26,5 Mikroampere pro Meter für das Magnetfeld.

Eine Möglichkeit, herauszufinden, ob die natürlichen Felder der Erde für Menschen genauso wichtig sind wie für Hamster, besteht darin, menschliche Subjekte für ein paar Wochen in einem vollkommen abgeschirmten Zimmer unterzubringen und zu beobachten, was dann passiert. Genau das tat der Verhaltensphysiologe Rütger Wever am Max-Planck-Institut in Deutschland. Im Jahr 1967 ließ er ein unterirdisches Gebäude mit zwei Isolationskammern errichten. Beide wurden sorgfältig gegen Licht und Schall von außen geschützt, und eine der Kammern wurde auch gegen elektromagnetische Felder abgeschirmt. Während der nächsten zwei Jahrzehnte ließen Hunderte von Menschen ihre Schlafzyklen, Körpertemperatur und andere innere Rhythmen überwachen, während sie in dem einen oder anderen dieser Räume lebten, normalerweise jeweils einen Monat lang. Wever stellt dabei fest, dass der Schlafzyklus und der innere Rhythmus des Körpers – ohne Veränderung von Licht und Dunkelheit und ohne Uhren oder Zeitangaben – nahezu bei 24 Stunden blieben, solange die natürlichen elektromagnetischen Felder der Erde vorhanden waren. Wenn diese Felder jedoch ausgeschlossen wurden, wurden die Rhythmen des Körpers normalerweise länger, unregelmäßig und desynchronisiert. Der durchschnittliche „freie“ Schlafzyklus betrug 25 Stunden. In Einzelfällen konnte er jedoch zwischen lediglich 12 Stunden und maximal 65 Stunden liegen. Variationen der Körpertemperatur, der Kaliumausscheidung, der Geschwindigkeit der mentalen Prozesse und anderer Rhythmen traten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ohne Bezug zueinander auf und fielen überhaupt nicht mehr mit dem Schlaf-Wach-Zyklus zusammen. Sobald jedoch ein künstliches 10-Hz-Signal – was ungefähr der Stärke der ersten Schumann-Resonanz entspricht – in den abgeschirmten Raum eingeführt wurde, synchronisierten sich die Rhythmen des Körpers sofort von Neuem auf einen Zeitraum von 24 Stunden.

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