Читать книгу Was wirklich zählt - Barbara Stöckl - Страница 34

Im September 2005 hatte ich die Möglichkeit, beim Waldzell Meeting Tenzin Palmo persönlich kennenzulernen. Die Tochter eines britischen Fischhändlers entschloss sich, einen ungewöhnlichen Lebensweg zu gehen: Zwölf Jahre lang verbrachte sie einsam und alleine in einer Höhle in Indien. Heute führt die buddhistische Nonne ein Kloster in Nordindien, in dem sie tibetische Flüchtlingskinder betreut und ihnen eine Ausbildung ermöglicht. Zwölf Jahre alleine in einer Höhle. Ohne Bett. Ohne Fernseher. Ohne Partner, ohne Kinder. Ohne Familie und Freunde. Zwölf Jahre. 4380 Tage. 105 120 Stunden. Zeit, um alleine mit sich selbst zu sein. Zeit, um mit sich ins Reine zu kommen, sich den großen, den wichtigen, den eigentlichen Fragen des Lebens zu stellen. Ein außergewöhnlicher Lebensweg, eine starke Frau.

Sie sitzt im Kolomanisaal im Stift Melk an einem Tisch mit dem Medizin-Nobelpreisträger Christian de Duve, dem Schriftsteller Paulo Coelho, dem Stararchitekten Thom Mayne, dem Genforscher Craig Venter, dem Systemforscher Peter Senge, dem Rabbi Jonathan Wittenberg, dem Dirigenten Franz Welser-Möst und dem Quantenphysiker Anton Zeilinger. Und was sagt sie? »Ich hatte Angst vor diesem Treffen, wusste nicht, ob ich diesen Männern gewachsen bin, ob ich ihren Ausführungen folgen kann und so wie sie Wichtiges erzählen kann! Einfach: ob ich die Richtige bin!« Eine Frage, die sich in diesem Leben, auf dieser Welt nur Frauen stellen. Das aber zuverlässig. Kein Mann in so einer Runde würde auch nur einen Moment an sich zweifeln. Diese Frau hat alles erlebt an spiritueller Weitsicht, an intellektueller Perfektion, an menschlicher Größe. Aber der tiefe Zweifel der Weiblichkeit scheint wie ein Stachel genetisch in uns verankert zu sein.

Ich möchte es hinausschreien an alle Frauen, die das lesen. Ich will es ihnen unter das Kopfkissen legen. An jede Wand schreiben: Ja, du bist richtig! Ja, du bist gut! Ja, du kannst es! Du kleine, große Frau …