Читать книгу Nawalny - Ben Noble - Страница 17

Schlägt das System zurück?

Оглавление

Kaum hatte Nawalny 2010 seine Veruntreuungsvorwürfe gegen Transneft gepostet, sah er sich selbst schwerwiegenden Anschuldigungen ausgesetzt: Im Mai 2011 wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Um die Gründe hierfür zu verstehen, müssen wir zeitlich ein wenig zurückgehen – und uns in die Region Kirow begeben, eineinhalb Flugstunden nordöstlich von Moskau entfernt.[115]

Im Jahr 2009 wurde Nikita Belych – damals ein führender Liberaler – Gouverneur der Region und bat Nawalny, ihn unentgeltlich zu beraten. Als inoffizieller Berater ließ sich Nawalny schon bald mit dem staatlichen Holzunternehmen »Kirowles« ein, das von Wjatscheslaw Opalew geleitet wurde.

Kirowles machte zu dieser Zeit Verluste. Nawalny sagte, er wolle die Transparenz des Unternehmens verbessern und es wieder profitabel machen. In diesem Zusammenhang wurde ein Vertrag zwischen Kirowles und einer weiteren Firma, »VLK«, unterzeichnet. VLK wiederum war von einem Mann namens Pjotr Ofizerow gegründet worden – einem Bekannten Nawalnys. Diesem Vertrag gemäß sollte VLK bei Kirowles Holz bestellen und gegen eine Provision an Dritte weiterverkaufen. Eine Handelsfirma als Vermittlerin zwischenzuschalten, sagte Nawalny, würde Kirowles neue Kunden bescheren – und der im Holzgeschäft gängigen Praxis nicht dokumentierter Barzahlungen ein Ende bereiten.

Zwischen April und September 2009 lieferte Kirowles an VLK Holz im Wert von etwa sechzehn Millionen Rubel (damals etwa 400000 Euro).

Doch gegen Ende des Jahres 2009 behauptete Gouverneur Belych, Opalew habe Kirowles schlecht geleitet, und entließ ihn. Gleichzeitig wurde der Vertrag zwischen VLK und Kirowles beendet.

Opalew war darüber nicht gerade erfreut. Er behauptete, er sei von Nawalny und Ofizerow zu einer Vereinbarung gedrängt worden, die zu Verlusten geführt habe. Nach Prüfung der Anschuldigungen Opalews entschieden die lokalen Ermittlungsbehörden der Region Kirow im Januar 2011, aus Mangel an belastbaren Beweisen kein Ermittlungsverfahren einzuleiten.[116] Doch nun fing die Sache an, kompliziert zu werden.

Die lokale Entscheidung vom Januar wurde im Februar von föderalen Ermittlungsbeamten, insbesondere vom Ermittlungskomitee in Moskau aufgehoben.[117] Das Komitee wies den Fall einer Zweigstelle zu, um »möglichen Druck auf die Untersuchungen« durch regionale Akteure zu verhindern.

Und doch weigerten sich im März 2011 auch die neu eingesetzten Ermittlungsbeamten, den Fall neu aufzurollen.[118]

Moskau jedoch gab sich immer noch nicht zufrieden. Im Mai 2011 wurde vom zentralen Ermittlungskomitee ein Strafverfahren eingeleitet. Ermittlungsbeamte erklärten, Nawalny und Ofizerow hätten Kirowles erheblichen Schaden zugefügt, indem sie das Vertrauen Opalews getäuscht oder missbraucht hätten.[119]

Wem nach so vielen Wendungen immer noch nicht schwindlig war, dem sollte es schon bald werden. Am 20. April 2012 – also nach elf Monaten des Herumsuchens – schlossen die Ermittlungsbehörden in Kirow die Strafsache mit dem Argument, es gebe keine Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten.[120]

Nawalny postete die gute Nachricht am 28. Mai auf seinem Blog: »Alles okay.«[121]

Doch das war es nicht, denn das Ermittlungskomitee in Moskau hob den Beschluss vom April, den Fall zu beenden, auf.[122] Die Achterbahnfahrt hatte gerade erst begonnen. Unter der Leitung von Alexander Bastrykin zeigte das Ermittlungskomitee großes Interesse daran, Nawalny zu verfolgen, und wies die Beschlüsse untergeordneter Beamter zurück. In seiner Rede auf einer Hauptversammlung des Ermittlungskomitees sagte Bastrykin: »Sie hatten eine Strafakte gegen diesen Mann und haben sie stillschweigend fallen gelassen. Ich warne Sie, es wird keine Gnade geben, keine Vergebung, sollte sich so etwas wiederholen.«[123]

Anschließend wurde ein neues Strafverfahren eröffnet, diesmal wegen Veruntreuung. Mit anderen Worten wurde Nawalny nun beschuldigt, genauso korrupt zu sein wie die Funktionäre, die er selbst gerne an den Pranger stellte. Man beschuldige ihn jetzt, »einen Wald zu stehlen«, hieß es nun halb im Scherz auf seinem Blog.[124] Doch sah er auch zehn Jahren Gefängnis entgegen. Im Verlauf seiner politischen Karriere sollten noch viele Gerichtsverhandlungen gegen ihn eröffnet werden. In der folgenreichsten ging es um das französische Kosmetikunternehmen Yves Rocher – der Fall, der Nawalny 2021 ins Gefängnis brachte.

Nawalny

Подняться наверх