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Jerusalem

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Jerusalem gehört in der europäischen Geschichte neben Athen, Rom und Konstantinopel zu den magischen Orten, und das, obwohl es praktisch keine eigenständige Kunst und Architektur besaß (Tafel VI). Wie sollte es auch? Jerusalem dominierte ein winziges Gebiet, eingekeilt zwischen den mächtigen politischen und kulturellen Spielern Assyrien und Ägypten. Alles, was künstlerisch und architektonisch dort entstand, war den altorientalischen und später hellenistischen Vorbildern geschuldet. Jerusalem war ein kleines Kaff im Hinterland, einzig als Spielball und Puffer für die großen Mächte attraktiv.

Dass diese Stadt einen solch magischen Klang erhielt, lag allein an der großen Erzählung des judäischen Monotheismus. Diese ist geprägt von einem langen Ringen um die Alleinstellung eines Gottes in einem polytheistischen Umfeld, ein Vorgang, der nicht viel anders verlief als bei anderen Religionsstiftungen im Orient. Zu Echnatons Aton-Kult gab es zumindest einen wichtigen Unterschied. Der Jahwe-Kult war keine mit einem Federstrich verordnete neue Religion, sondern Jahwe setzte sich erst langsam gegen andere Götter durch. In der Wissenschaft spricht man deshalb mit Blick auf die frühe Zeit nicht von einem Monotheismus (darunter versteht man einen einzigen Gott allein auf weiter Flur), sondern von einem Monolatrismus (griech. latreia/Gottesdienst, Verehrung), manchmal auch von einem Monojahwismus. Das ist für uns freilich nicht von Belang und wir können ohne Weiteres bei dem etwas schlampig gebrauchten Ausdruck Monotheismus bleiben.

Jerusalem war um 1700 v. Chr. an der Gihon-Quelle am Fuß des Ophel im Kidrontal gegründet worden. Es dehnte sich ähnlich wie Rom über mehrere Bergrücken aus, rund 700 Meter über dem Meer und knapp 60 Kilometer Luftlinie von der Küste entfernt, abgelegen von den großen Handelsrouten und mit einem – für levantinische Verhältnisse! – eher unwirtlichen Klima. Platon hätte seine helle Freude gehabt mit der Lage dieser Stadt, in der sogar ein Gott erfunden wurde – ich werde darauf zurückkommen.

Der Name Jerusalem, der auf in Luxor gefundenen Keramiken auftaucht, könnte sich von shulman ableiten, was so viel wie Wohlbefinden heißt. Meist wird er aber als „Gründung des Gottes Schalem“ interpretiert. Schachar und Schalem bildeten ein kanaanäisches Götterpaar, das die Morgen- und Abendgestalt der Sonne bezeichnete. Wir haben es also mit Gottheiten eines Sonnenkults zu tun. Einige solcher Sonnengottgeschichten sind in die Schriften des Alten Testaments eingeflossen. Etwa jene über die Zerstörung Sodoms: Der Sonnengott sandte seine Begleiter, Recht und Gerechtigkeit, zur Prüfung der Menschen in die Stadt. Sie wurden nicht sehr fündig und verließen bei Anbruch der Morgenröte mit den einzigen Gerechten, Lot samt seiner Familie, eilends die Stadt, denn bei seinem Erscheinen zerstörte der Sonnengott Sodom mit Feuer und Schwefel.2 Der altorientalische Sonnengott – es darf nicht vergessen werden, dass zwischen 1458 und 1200 Ägypten über das Gebiet herrschte – ist ein Kämpfer gegen das Chaos und Wahrer von Recht und Ordnung.

Aber die Gegend kannte nicht nur einen Kult um die Sonne, der später für die Transzendenz Jahwes verantwortlich zeichnete, sondern auch das Gegenteil: eine starke chthonische Seite. So wurde etwa der kanaanäische Wetter- und Fruchtbarkeitsgott Baal verehrt. Der musste mit dem Gott des Sterbens der Natur (und ambivalent dazu: ihres Reifens), Mot, ringen. Er stieg in die Unterwelt, bis es im Frühjahr zur neuerlichen Thronbesteigung kam. Wie im gesamten Alten Orient bestimmte auch hier die Landwirtschaft das Götterpantheon.

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