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701 – David gegen Goliath

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Während sich die beiden Reiche im 8. Jahrhundert v. Chr. einen Konkurrenzkampf um die religiöse Deutungshoheit über Jahwe lieferten, übersah man beinahe, dass nebenan ein ambitionierter assyrischer König, nämlich Tiglatpileser III., den Plan finalisierte, sein Reich auszudehnen und sich Zugang zum Mittelmeer zu verschaffen. Es war klar, dass die kleinen Nachbarn als leichte Beute ganz oben auf der Liste des ehrgeizigen Assyrers standen. In Jerusalem und im Nordreich begannen heftige Diskussionen, bei denen die in solchen Situationen üblichen Alternativen ungebremst aufeinanderprallten: Unterwerfung oder Widerstand! Das waren auch die Ergebnisse des Streits: Im Reich Juda führte der Dichter und Politikberater Jesaja ben Amoz die Unterwerfungsfront an. Er bewertete die Sache ziemlich realistisch und sah nicht den Funken einer Chance gegen die bis an die Zähne bewaffnete Weltmacht. Nebenbei war er ein glühender Verehrer eines exklusiven Jahwe-Kults, nicht frei von apokalyptischen Anmutungen. König Ahas folgte dem Rat des Propheten und leistete hohe Tributzahlungen. Im Nordreich Israel hingegen gewann die antiassyrische Fraktion Oberhand und ballte selbstbewusst die Fäuste. Das Resultat: 722 löschte der Nachfolger Tiglatpilesers, Sargon II., Israel kurzerhand aus. Eine Lawine von Flüchtlingen ergoss sich aus dem Norden nach Juda. Sie brachten ihre Dichtungen mit, und viele literarische Stoffe fanden Eingang in das Alte Testament. Dieses ist eigentlich kein Buch, sondern eine ganze Bibliothek und beinhaltet von Protokollen mündlicher Überlieferungen bis zur Übernahme avancierter platonischer Philosophie alles Mögliche.

Für Jerusalem hatte die Katastrophe im Norden den Vorteil, nun wieder die konkurrenzlose religiöse Metropole zu sein. Aber es bezahlte dafür einen hohen Preis. Denn Geld allein reichte den Assyrern nicht. Ahas musste assyrische Kultpraktiken einführen, was nicht nur den Religiösen sauer aufstieß. Sein Sohn und Nachfolger Hiskija ritt daher auf der populären Welle der Fundamentalisten und versprach vollmundig, das Joch abzuschütteln. Er nützte einen Vorstoß Ägyptens nach Assyrien, um in dessen Windschatten einen eigenen Aufstand anzuzetteln. Doch er hatte die Ressourcen der Assyrer unterschätzt. Sanherib war 701 sofort zur Stelle, kassierte eine Stadt nach der anderen und stand vor den Toren Jerusalems. Was dann passierte, ist verwirrend. Hiskija machte eine 180-Grad-Wende und entschloss sich in letzter Sekunde zur Unterwerfung. Gleichzeitig waren die assyrischen Kräfte durch den Angriff der Ägypter in Verbindung mit einem Aufstand im viel wichtigeren Kernland Mesopotamien nun doch an ihre Grenzen gestoßen. Die Armee zog Hals über Kopf ab. Man hatte unwahrscheinliches Glück gehabt. In Jerusalem sah man die Dinge anders und funktionierte den Abzug zu einem großen Sieg um. Die Geschichte von David gegen Goliath wurde erfunden und der Erfolg dem eigenen Gott Jahwe gutgeschrieben, dessen Engel gleich 185 000 Assyrer erschlagen haben sollen – so steht es in Jes 37,36 zu lesen.

Die Geschichte von 701 machte Jahwe zu einem nationalen Gott, zu einem Gott der Judäer, der wie die altorientalischen Könige die Feinde besiegte. Die Wirklichkeit war, wie gesagt, prosaischer. Es hatte sich nämlich so gut wie nichts geändert. Die Abhängigkeit von Assyrien blieb bestehen. Jerusalem überwies regelmäßige Summen in die neue Hauptstadt Sanheribs, Ninive. Es musste sogar Truppen für die assyrischen Eroberungszüge stellen. Auch die assyrischen Rituale, das größte Ärgernis, wurden weiter praktiziert. Aber wie wir inzwischen leider allzu gut wissen, haben es historische Fakten gegen populistische Verdreher schwer. Man sonnte sich im „Alternativfaktum“ eines vermeintlichen Sieges über die Assyrer. Die Historiker vermuten übrigens, dass nicht alle in Jerusalem über die Dominanz des Assyrischen unglücklich waren. Bei den führenden, weltläufigen Schichten und den Intellektuellen gab es auch Bewunderer der hochstehenden Kultur der Supermacht von nebenan. In diesen Kreisen hatte man dafür jedenfalls mehr Sympathie als für die einfältigen religiösnationalistischen Fundamentalisten.

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