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Bundesstaat (im Völkerrecht) (Burkhard Schöbener)

I. Begriff des Bundesstaates

II. Völkerrechtssubjektivität des Gesamtstaates

III. Völkerrechtssubjektivität der Gliedstaaten

Lit.:

R. Bernhardt, Der Abschluß völkerrechtlicher Verträge im Bundesstaat, 1957; D. Blumenwitz, Der Schutz innerstaatlicher Rechtsgemeinschaften beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge, 1972; B. Fassbender, Der offene Bundesstaat, 2007; W. Graf Vitzthum, Der Föderalismus in der europäischen und internationalen Einbindung der Staaten, AöR 115 (1990), 281.

I. Begriff des Bundesstaates

Unter einem Bundesstaat versteht man einen Gesamtstaat, der sich aus mehreren Gliedstaaten zusammensetzt. Aus staatsrechtlicher Sicht besitzen sowohl der Gesamtstaat (Bund) als auch die Gliedstaaten (Länder) eine eigene, originäre Staatlichkeit. Das bedeutet, der Bund und die Länder sind zur Ausübung von Hoheitsgewalt über die Bevölkerung innerhalb ihres Territoriums berechtigt, ohne dass diese Kompetenz zunächst von den Gliedstaaten auf den Gesamtstaat bzw. vom Gesamtstaat auf die Gliedstaaten delegiert werden müsste. Es kommt zu einer Auffächerung der → Staatsgewalt in eine Zentral- und eine Gliedstaatengewalt (doppelte Staatlichkeit), die allerdings nicht unabhängig voneinander bestehen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Die Abgrenzung der Aufgabenbereiche und Kompetenzen obliegt der jeweiligen Verfassung des Bundesstaates. Die genaue Aufteilung wird in jedem Bundesstaat anders vorgenommen, so dass die Bundesstaatlichkeit jeweils unterschiedlich geprägt ist. Dennoch sind einige Regelungen typischerweise in Bundesverfassungen enthalten. Die Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen wird in der Regel dem Bund übertragen. Zudem werden dem Bund gewöhnlich gewisse Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtslage in den Ländern gegeben, um einen Mindeststandard an Homogenität, nicht aber eine Uniformierung innerhalb des Gebietes des Gesamtstaates gewährleisten zu können. Für eine bundesstaatliche Staatsform haben sich u. a. die Bundesrepublik Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Schweiz entschieden.

Abzugrenzen ist der Typus des Bundesstaates zum Einheitsstaat auf der einen und zum Staatenbund auf der anderen Seite. Der Einheitsstaat bzw. Zentralstaat verfügt nur über eine einheitliche Staatsgewalt. Zwar können auch in einem Einheitsstaat viele Aufgaben von rechtlich selbstständigen Körperschaften mit Selbstverwaltungsbefugnissen wahrgenommen werden (sog. Dezentralisation). Die entsprechenden Kompetenzen werden den Körperschaften aber vom Einheitsstaat verliehen und können daher theoretisch auch wieder zurückgeholt werden. Ein „klassisches“ Beispiel für einen Einheitsstaat bildet die Republik Frankreich. Ein Staatenbund wird wie ein Bundesstaat (→ Staatenverbindungen) aus mehreren → Staaten gebildet, ohne dass diese einen Gesamtstaat schaffen. Der Staatenbund erlangt keine übergeordnete Staatsgewalt, sondern verfügt lediglich über von seinen Mitgliedstaaten abgeleitete Kompetenzen. Die wichtigste Erscheinungsform einer Staatenverbindung bilden heute die → Internationalen Organisationen; historisch war vor allem der Deutsche Bund (1815 – 1866) typusprägend.

II. Völkerrechtssubjektivität des Gesamtstaates

Aus der Perspektive des Völkerrechts wird der Bundesstaat wie ein Einheitsstaat behandelt und prinzipiell nur der Gesamtstaat als Völkerrechtssubjekt angesehen. Die → Völkerrechtssubjektivität des Bundesstaates besteht originär und absolut, also unabhängig von einer Anerkennung durch andere Staaten (h.M.). Als natürliches Subjekt des Völkerrechts ist er zur Wahrnehmung sämtlicher völkerrechtlich anerkannter Rechte und Pflichten berechtigt. Er ist auf völkerrechtlicher Ebene u. a. der Inhaber der → Gebietshoheit über das gesamte Gebiet des Bundesstaates und übt die Personalhoheit über seine Staatsangehörigen aus. Für die völkerrechtliche Rechtsordnung ist die innerstaatliche Rechtslage in der Regel ohne Bedeutung; die umfassende Völkerrechtsfähigkeit des Bundesstaates erfährt z. B. keine Minderung, wenn die Bundesverfassung dem Gesamtstaat innerstaatlich Beschränkungen auferlegt hat. Dementsprechend kann ein Bundesstaat gegenüber seinen Vertragspartner auch nicht die Erfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung unter Berufung auf sein innerstaatliches Recht verweigern (vgl. Art. 27 S. 1 WVRK). Das gilt auch für die Fälle, in denen der Gesamtstaat die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtung nicht selbst gewährleisten kann, weil sie innerstaatlich dem Zuständigkeitsbereich der Gliedstaaten unterfällt. Die innerstaatliche Rechtslage findet allerdings ausnahmsweise Berücksichtigung, wenn eine sog. Bundesstaatsklausel in einen völkerrechtlichen Vertrag aufgenommen wurde. Eine solche Klausel kann z. B. eine Reduktion der völkerrechtlichen Verpflichtungen des Gesamtstaates im Falle einer innerstaatlichen Zuständigkeit der Gliedstaaten auf eine bloße Unterrichtungspflicht vorsehen. Eine solche Regelung enthält z. B. Art. 34 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Welterbekonvention, Sart. II, Nr. 410).

III. Völkerrechtssubjektivität der Gliedstaaten

Die Gliedstaaten besitzen hingegen grundsätzlich keine Völkerrechtssubjektivität. Sie können allerdings in der Bundesverfassung dazu ermächtigt werden, als selbstständige Träger von Rechten und Pflichten am Völkerrechtsverkehr teilzunehmen, indem ihnen die Befugnis zur eigenständigen Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten zugewiesen ist. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung können sie eine partielle Völkerrechtssubjektivität erlangen, nicht jedoch eine umfassende Völkerrechtsfähigkeit wie sie der Gesamtstaat besitzt.

Eine solche Ermächtigung sieht z. B. das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Art. 32 Abs. 3 GG vor. Danach sind die Bundesländer mit Zustimmung des Bundes zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge berechtigt, wenn der Vertragsinhalt innerstaatlich dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfällt (→ auswärtige Gewalt). Sollten die Länder auf der Grundlage dieser Vertragsschlusskompetenz einen völkerrechtlichen Vertrag mit Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten geschlossen haben, erlangen sie eine von ihren Vertragspartnern abgeleitete Völkerrechtssubjektivität. Die Völkerrechtssubjektivität wirkt allerdings nur relativ im Verhältnis zu den Vertragspartnern und nicht gegenüber am Vertragsschluss nicht beteiligten Staaten. Der Umfang der Völkerrechtsfähigkeit ist zudem auf die Wahrnehmung der im Vertrag konkret verliehenen völkerrechtlichen Rechte und Pflichten beschränkt. Der Gliedstaat ist somit z. B. nicht berechtigt, sich gegenüber seinem Gesamtstaat auf das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten zu berufen.

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