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De facto-Regime, stabilisiertes (Christian Raap)

I. Beispiele

II. Rechtliche Einordnung

III. Völkerrechtliche Rechte und Pflichten

Lit.:

J.A. Frowein, Das de facto-Regime im Völkerrecht. Eine Untersuchung zur Rechtsstellung „nichtanerkannter Staaten“ und ähnlicher Gebilde, 1968; ders., De facto Régime, EPIL I, 1992, 966; ders., De Facto Regime, EPIL II, 2012, 1052; S. Talmon, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten: Grundlagen und Rechtsfolgen einer international koordinierten Sanktion dargestellt am Beispiel der Türkischen Republik Nord-Zypern, 2006; S. Turmanidze, Status of the De Facto State in Public International Law. A Legal Appraisal of the Principle of Effectiveness, Diss. Hamburg, 2010.

Ein stabilisiertes de facto-Regime ist ein Gemeinwesen, das ein Territorium über einen längeren Zeitraum effektiv beherrscht, ohne → Staat im Sinne des Völkerrechts zu sein. Es wird als beschränktes → Völkerrechtssubjekt angesehen.

I. Beispiele

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es de facto-Regime nur vereinzelt (z. B. die „Konföderierten Staaten von Amerika“ [1861 – 1865], das „Kaiserreich Mandschukuo“ in Nordostchina [1932 –1945], von der nationalen Koalition beherrschte Gebiete im Spanischen Bürgerkrieg [1936 – 1939]). Seither tritt dieses Phänomen vermehrt auf. Als wichtige Beispiele sind die „Republik China“ auf der Insel Taiwan (seit 1972), die DDR auf dem Gebiet des 1945 nicht untergegangenen Deutschen Reiches (von 1949 bis zu ihrer Aufnahme in die → Vereinten Nationen 1972), die „Demokratische Republik Vietnam“ (Nordvietnam, 1954 – 1976), die „Türkische Republik Nordzypern“ (seit 1983) und die „Republik Somaliland“ (seit 1991) zu nennen. Hinzugekommen sind auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion die „Republik Abchasien“ (seit 2008) und die „Republik Südossetien“ (seit 2008), die „Republik Bergkarabach“ (seit 1991) und die „Transnistrische Moldauische Republik“ (Transnistrien, seit 1992). Schließlich war das sog. Taliban-Regime, das von 1996-2001 weite Teile Afghanistans beherrschte, ein stabilisiertes de facto-Regime.

II. Rechtliche Einordnung

Ein stabilisiertes de facto-Regime kennzeichnet, dass es ein bestimmtes Territorium beherrscht und sein Anspruch, Staat zu sein, nicht oder nicht allgemein anerkannt wird (daher findet sich in der Literatur auch die Bezeichnung „nichtanerkannter Staat“). Es entsteht infolge eines Bürgerkrieges (→ Kriegsrecht [Recht der bewaffneten Konflikte]) oder durch eine tatsächliche Abspaltung von einem anderen Staatsverband.

Das de facto-Regime genügt nicht vollumfänglich den an einen Staat gestellten Anforderungen, weil zumindest einzelne der für einen Staat konstitutiven drei Elemente (→ Staatsgebiet, → Staatsvolk, → Staatsgewalt) nur unzureichend ausgeprägt sind. Dies liegt zumeist daran, dass ein Großteil anderer Staaten die Staatlichkeit des Herrschaftsverbandes bestreitet. Die anderen Staaten verurteilen die Abspaltung und missbilligen sonst die Art der Entstehung. Auf die → Anerkennung als Staat kommt es indes nicht an. Wenn ein Herrschaftsverband vollumfänglich die Staatsmerkmale nach der Drei-Elementen-Lehre erfüllt, ist er Staat im völkerrechtlichen Sinn. Die Anerkennung, zu der keine Pflicht besteht, wirkt daher nur deklaratorisch (h.M.). Die Staatspraxis zeigt, dass ein de facto-Regime unbeschadet der kollektiven Nichtanerkennung durch die → Staatengemeinschaft keinesfalls als juristisches nullum angesehen werden kann; es steht nicht im rechtsfreien Raum. Ihm kommt deshalb eine beschränkte Völkerrechtssubjektivität zu.

Ein de facto-Regime endet, wenn es die Herrschaft über das Territorium wieder verliert oder sich im Laufe der Zeit zu einem Staat im Rechtssinne entwickelt.

III. Völkerrechtliche Rechte und Pflichten

Als beschränktes Völkerrechtssubjekt hat das stabilisierte de facto-Regime einen Mindestbestand an völkerrechtlichen Rechten und Pflichten. Es genießt den Schutz des → universellen Gewaltverbotes und des → Interventionsverbots, ist aber auch seinerseits daran gebunden. Es ist kein der Okkupation unterliegendes staatenloses Gebiet. Für Unrechtstatbestände trifft es die → völkerrechtliche Verantwortlichkeit. Die Aufnahme in → Internationale Organisationen bleibt ihm regelmäßig verwehrt. Das stabilisierte de facto-Regime muss die grundlegenden, zum Völkergewohnheitsrecht zählenden Menschenrechte (→ Menschenrechte, allg.) achten. Es kann Verträge insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet abschließen, ohne dass damit die Anerkennung als Staat durch den Vertragspartner verbunden wäre. Unterhalb der Ebene diplomatischer Beziehungen (→ Diplomatenrecht) findet zwischen de facto-Regimen und Staaten bisweilen ein Austausch von (ggf. ständigen) Vertretern statt. Die Geltung von Hoheitsakten des de facto-Regimes vor Behörden und Gerichten anderer Staaten gilt jedenfalls für die Registrierung von Geburten, Eheschließungen und Todesfällen.

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