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1. Allgemeines
ОглавлениеBei der Bestimmung des Trägers der auswärtigen Gewalt stellt sich in einem Bundesstaat zunächst die Grundsatzfrage, ob der Bund oder die Gliedstaaten für die Wahrnehmung der auswärtigen Gewalt zuständig sein sollen. Für eine umfassende Bundeskompetenz spricht insbesondere, dass auf diese Weise eine einheitliche völkerrechtliche Repräsentanz und damit eine kohärente Außenpolitik ermöglicht und die Handlungsfähigkeit des Bundes erhalten wird. Zudem verfügt der Bund über ein stärkeres Gewicht bei Verhandlungen mit anderen Staaten als die einzelnen Gliedstaaten. Deshalb hat sich das deutsche Grundgesetz dafür entschieden, die Pflege der internationalen Beziehungen grundsätzlich der Zuständigkeit des Bundes zu unterstellen (Art. 32 Abs. 1 GG). Zu der Pflege der internationalen Beziehungen zählen z. B. die Durchführung der diplomatischen Missionen, die Aufnahme bzw. der Abbruch diplomatischer Beziehungen und die Anerkennung von Staaten.
Eine ausschließliche Zuweisung der auswärtigen Gewalt an den Bund würde allerdings im Hinblick auf die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge Probleme aufwerfen. Der Bund könnte nämlich auf internationaler Ebene völkerrechtliche Verpflichtungen in Bereichen eingehen, die nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung im Innern der Zuständigkeit der Länder unterfallen und deren Regelung dem Bund daher eigentlich verschlossen ist. Dadurch könnten die Landeskompetenzen ausgehöhlt werden. Um der innerstaatlichen Kompetenzverteilung Rechnung zu tragen, ist es daher erforderlich, in diesen Bereichen (auch) die Länder zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge zu berechtigen.