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dd) Exkurs: Staatshaftung oder Direktwirkung?

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In der Rechtsprechung von BGH und EuGH ist in den vergangenen Jahren immer wieder aufgefallen, dass trotz eines Umsetzungsfehlers am Ende nicht der Staat haften musste, sondern die private Vertragspartei – in scheinbarer Direktwirkung – zur Befolgung der Richtlinie verpflichtet wurde. Dann musste etwa der Unternehmer sich den Widerruf gefallen lassen, obwohl das Widerrufsrecht sich aus dem nationalen Recht nicht ernstlich ergab.[19]

Die Reichweite der „richtlinienkonformen Auslegung“ hat Wissenschaft und Rechtsprechung in den letzten Jahren sehr beschäftigt (dazu näher unten Rn. 123 ff.) und es erfolgt in der Regel eine dogmatisch durchaus korrekte Abgrenzung zwischen den Fällen, in welchen noch das nationale Recht richtlinienkonform fortgebildet werden kann, und den Fällen, in denen dies nicht möglich ist, so dass die Vorgaben der Richtlinien unbeachtet bleiben müssen. Diese Abgrenzung berücksichtigt sehr wohl, dass es im Privatrecht keine Direktwirkung gibt. Die Gerichte unternehmen jedoch im Rahmen des Zulässigen alle Anstrengung, das nationale Recht durch Auslegung und durch Analogien so zu verstehen, dass es der Richtlinie entspricht. Wo diese Fortbildung gelingt, ist in der Tat der Unternehmer (bzw. außerhalb des Verbraucherrechts eben eine der beiden Vertragsparteien) der Leidtragende, während der Staat der Haftung entrinnt. Die durch die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung herausgearbeiteten Rechte – oder Rechtsverluste – dürften die negativ betroffene Partei teils sehr überraschen. Daher ist sogar schon vorgeschlagen worden, dass dann, wenn durch eine Rechtsfortbildung der Norminhalt in einer Weise verändert wird, der ohne Kenntnis der Richtlinie nicht vorhersehbar war, die benachteiligte Vertragspartei einen Staatshaftungsanspruch haben sollte.[20] Dieser Vorschlag sollte aber eher als plakative Ermahnung denn als realistische Alternative verstanden werden. Denn die dem Vorschlag zugrundeliegende Verursachungskette grenzt doch schon an das Paradoxe. Der betroffene Unternehmer müsste nämlich einerseits argumentieren, dass die Rechtslage für ihn aufgrund der mangelnden Umsetzung nicht erkennbar gewesen sei, so dass er aufgrund des Umsetzungsfehlers einen Schaden erlitten habe. Andererseits hat das Erstgericht, welches dem Unternehmer die Befolgung der in der Richtlinie vorgesehenen Pflichten (z.B. die Gewährung eines Widerrufsrechts) auferlegt hat, genau im Gegenteil angenommen, dass man die Rechtslage bei richtlinienkonformer Auslegung dem Gesetz hätte entnehmen können. Zu Letzterem sind zumindest große Unternehmen, wie Banken, in der Tat in der Lage. Sie beobachten die Entstehung von EU-Richtlinien genau und vermögen die sich daraus ergebenden Änderungen der Rechtslage zu erkennen, auch ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Änderung der deutschen Gesetze bedarf.

§ 4 Umsetzung, Anwendung und Auslegung von EU-Privatrecht › A. Die Richtlinie und ihre Umsetzung › II. Die überschießende Umsetzung

Europäisches Privatrecht

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