Читать книгу Liebe in der Hochtal-Heimat: 7 Bergromane - Cedric Balmore - Страница 10

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Veit Trenkwalder, der junge Gemeindevorsteher von Korins, bleibt vor dem Eingang zur Spinnerei stehen und blickt auf das Gittertor, hinter dem der Platzmeister steht und eben die Blechnummern zählt, die von den Arbeiterinnen abgegeben wurden.

„Ist der Androt daheim?“, fragt Veit den Platzmeister.

Der Alte zeigt nach dem Hintertrakt, in demnach das Kontor befindet. „Geh nur weiter, Trenkwalder. Der Chef ist gerade allein.“

Wenig später steht Veit vor dem Fabrikbesitzer. Androts Gesicht ist freundlich, er nickt Veit zu und schiebt ihm einen Stuhl hin.

„Gut, dass Sie einmal den Weg zu mir herüber finden, Trenkwalder! Ich habe allerhand mit Ihnen zu besprechen. Den Neubau und die geplante Stromanlage. Deshalb sind Sie aber wohl nicht gekommen?“

„Allerdings nicht, Herr Androt. Herr Androt, Sie ziehen immer mehr landfremde Leute ins Tal! Was soll das? Wenn es gelernte Facharbeiter wären, würde ich nichts sagen, sondern es nur begrüßen. Bauern und Arbeiter vertragen sich gut.“

„Was passt Ihnen also nicht?“

Veit merkt recht gut, dass Androt unruhig geworden ist.

„Die Leute passen mir nicht, die Sie nach Korins bringen. Entlassene Sträflinge, bekannte Wilderer, Menschen, die aus undurchsichtigen Gründen ihre Existenz verloren haben. Was sollen die Leute hier? Sie arbeiten nicht regelmäßig, lungern im Wirtshaus herum, führen wüste Reden. Niemals mussten wir in Korins nachts unsere Häuser versperren. Die meisten kann man gar nicht versperren mit ihren Holzriegeln und Scheunentüren. Ich habe jede Woche die Gendarmen im Haus. Mit den Strafkarten Ihrer Leute, Herr Androt!“

„Das ist also eure Nächstenliebe, Trenkwalder!“ Androt lacht auf. „Ich gebe Menschen, die einen Fehltritt gebüßt haben, wieder Brot und ehrliche Arbeit. Das stört euch Bauern wohl auch? Wenn einzelne Leute jetzt nichts zu tun haben, so liegt das in der Sache selbst. In einigen Wochen beginne ich mit dem neuen Werksbau. Ich habe nur noch einige finanzielle Fragen zu regeln. Ihr Korinser zahlt mir ja nichts dazu. Ihr könnt nur das Maul aufreißen, wenn einer etwas Neues schafft, aufbaut, Gewinn ins Tal bringt und Steuern zahlt.“

„Ich merke es schon, dass wir aneinander vorbeireden.“ Veit geht der Tür zu, dort dreht sich noch einmal um. „Das mit der Gemeindesteuer stimmt nicht ganz, Herr Androt. Die sind Sie noch für das vorige Jahr schuldig. Bevor Sie diese nicht abgedeckt haben, bekommen Sie von uns Bauern keine Bauerlaubnis. Da nützt Ihnen die gestrige Kommissionierung nichts. Und nun nichts für ungut und auf Wiedersehen!“

Als Veit eine halbe Stunde später den Berghang hinauf in den Wald steigt, wo er einige Bäume mit dem Förster zum Umschlagen anzeichnen will, sieht er Dina vor dem Hause ihrer Tante. Die alte Frau Auracher ruft Dina eben etwas zu und geht mit dem Melkeimer in den Stall. Dina steht mit dem Rechen auf der Wiese und kämmt das zurückgebliebene Heu zu kleinen Haufen zusammen.

Veit sieht ihr, selbst ungesehen, eine Weile zu. Er lacht ein wenig, wie er Dinas wichtiges Gesicht bei dieser Arbeit sieht. Dann tritt er plötzlich aus dem Schatten des Waldes und geht auf Dina zu.

„Du bist ja schon fertig mit dem Einbringen“, meint Veit anerkennend. „Und ganz allein?“

„Ah geh! Die Tante arbeitet doch fest mit. So alt ist sie doch nicht.“

„Weißt du“, setzt Dina nach einer Weile fort. „Mich wundert es, dass du dir so viel Mühe mit mir gegeben hast. Wie du mich das alles hier gelehrt hast, das Mähen und das richtige Sensehalten! Wie man das Ross beim Pflügen in der Furche hält und wie man Schafe schert. Neulich habe ich unsere Schafe geschoren. Es ist nicht leiht mit der Handschere, wenn man niemand zum Halten hat. Du musst mir das noch einmal zeigen. Da ist sicher irgend ein Trick dabei. Kannst du morgen früh herüberkommen? Ich möchte auch lernen, wie man richtig den Flachs bricht.“

„Das kannst du dir sparen“, meint Veit bitter. „Die Stängel könnt ihr gleich den Kühen verfüttern. Der Androt nimmt keinen Lein mehr aus Korins, wenn wir nicht mit dem Preis heruntergehen. Und das können wir nicht.“

„Das ist schade.“ Traurig sagt es Dina.

„Schade? Das ist eine Gemeinheit!“

„Ich meine doch, dass du morgen nicht kommst.“

„Ah, so meinst du das!“ Veit streift mit dem rechten Fuß einen Tonscherben von der gemähten Wiese zum Grabenrand. „Das verstehe ich nicht ganz. Wenn es wahr ist, was sie von dir erzählen, so wundert es mich, dass du dich freust, wenn ich dir helfen komme.“

„Was sie von mir sagen?“ Dina blickt Veit erschrocken an. Sie weiß nicht, wo hinaus Veit will. „Was ist es denn, dass du so ein ernstes Gesicht machst?“

„Muss ich dir das wirklich sagen?“

„Freilich Veit. Wir sind doch gute Freunde. Oder nicht?“

„Natürlich sind wir das, Dina. Aber du wirst sicher auf mich böse sein.“

„Gewiss nicht, Veit.“

„Gibst du mir deine Hand darauf?“

„Hier!“ Dina reicht Veit die Hand, die er eine Weile festhält.

„So sprich doch endlich“, mahnt sie ihn, ohne dass sich ihre Augen von seinem roten Gesicht abwendet.

„Sie reden von dir, dass du dich öfters mit einem der neuen Arbeiter triffst, die der Androt ins Tal gebracht hat. Ludwig Walch heißt er. Man hat ihn mit dir auf der Waldbank am Rabaschel gesehen!“

Dina ist froh, dass ihr breitkrempiger Strohhut die Röte deckt, die jetzt ihr Gesicht überzieht. Sie neigt den Kopf tief gegen den Boden, als ob sie nach liegen gebliebenen Heuhalmen suchen würde.

„Ich kann es doch niemandem verwehren, wenn er sich auf eine Bank setzt.“ Fast trotzig kommt es aus Dinas Mund. „Ich bin müde am Abend und froh, wenn ich noch etwas Luft schöpfen kann. Der Staub im Wollmagazin macht mich ganz krank. Da kommen eben Leute vorbei …“

„Und gerade dieser Walch kommt vorbei?“, sagt Veit mit heiserer Stimme.

„Was hat er dir getan?“

„Einer der gesessen war?“ Veit steigert sich in eine Erbitterung hinein, die ihn hart macht. Und doch fühlt er, dass er unter dieser Härte leidet, dass er doch immer an Dina denken muss. Manchmal, wenn er seine aussichtslose Liebe zu Dina fühlt, wächst bitter und heftig eine Art Hass gegen sie in ihm. Ein Hass gegen Dina, die sich zwischen ihn und Gertrud gestellt hat, mit der ihn eine ruhige, glückliche Jugendfreundschaft verbunden hat.

Dann aber kämpft er dieses wilde Gefühl nieder. Nein, Dina war gewiss noch rein. Zwischen ihr und diesem Walch konnte es nichts geben. Aber, dass sie sich überhaupt mit diesem ehemaligen Sträfling fern von dem Haus der Tante trifft, das genügt Veit allein schon, dass er Dina ausweicht, wo er kann.

Eine Zeitlang reden die beiden nichts.

Veit bemerkt Dinas innere Unruhe. Bei jedem sich dem Hause nähernden Schritt hebt sie lauschend den Kopf. Auch Dina empfindet, dass zwischen Veit und sie etwas getreten ist. In seinen Augen glimmt ein Misstrauen, das sie nur zu gut versteht.

Dina nimmt all ihren Mut zusammen.

„Du darfst nicht schlecht von mir denken.“ Dina erschrickt, weil ihre Stimme ihr fremd und verändert klingt.

„Ich denke doch nicht schlecht von dir! Ich bin nur traurig!“

Veit blickt zum Lärchenwald hinüber. An seinem Ende, ein wenig oberhalb des Karrenweges, lugt der Giebel des Forsthauses über eine hohe Hecke. Dort wohnt Gertrud bei Ihren Eltern. Veit bekümmert es jetzt, dass er schon lange nicht mehr hinaufgegangen war.

„Und – und wird das nun immer so sein?“, fragt Veit endlich.

Unwillkürlich wendet Dina den Kopf. Gleichzeitig geht ein abweisender Zug über ihr Gesicht. Sie richtet sich auf in stolzer Unnahbarkeit.

„Das weiß ich nicht, Veit. Du sollst nicht so viel fragen. Nimm dir ein Beispiel an Hannes. Er ist ebenso ein guter Freund von mir wie du. Nie würde er mich so etwas fragen. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig.“

Ihre Stimme verstummt. Veit drückt, verwirrt durch das, was er vernommen, ihre Hand.

„Es ist gut, Dina. Ich werde es nicht mehr tun. Wenn du nur nicht böse auf mich bist.“

„Nein, ich bin dir nicht böse.“

Veit steht auf. „Leb wohl, Dina“, sagt er leise. Dann geht er langsam weiter, dem nahen Wald zu. Dina blickt ihm nicht nach.

Liebe in der Hochtal-Heimat: 7 Bergromane

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