Читать книгу Liebe in der Hochtal-Heimat: 7 Bergromane - Cedric Balmore - Страница 23
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Оглавление„Gut, dass Sie kommen, Blust!“ Androt schiebt dem kleinen, mageren Buchhalter einen Brief hin. „In zwei Wochen kommen die neuen Maschinen. Wir müssen ein Gerüst aufstellen, um sie abzuladen!“ Blust nimmt den Brief in seine dürren Finger und liest ihn aufmerksam durch.
„Und wann werden sie bezahlt?“, fragt er, während er das Schreiben zurück auf Androts Schreibtisch legt. „Ich nehme an, dass man uns drei Monate Zeit gibt?“
„Drei Monate? So großzügig sind die Herren Kremser und Steinbach nicht, mein Lieber.“ Androt lacht. „Dreißig Tage und zwei Prozent Kassenkonto! Uns kann das gleich sein. Bis dahin haben wir unsere Wolle im Trockenen und Geld wie Heu.“
„Kein guter Vergleich, Chef!“ Blust lacht und verzieht dabei den etwas schiefen Mund, dass man seine schlechten Zähne sieht. „Aber es geht voran, Chef. Es geht mit mächtigen Schritten voran, an allen Ecken und Enden.“
Androt reibt sich zufrieden die Hände. „Sie sagen das alles so leicht, Blust. Gewiss geht alles voran. Aber es kostet Unsummen. Manchmal denke ich, ob man sich nicht hätte Zeit lassen sollen? Das Werk langsam aus sich heraus entwickeln lassen? Es kommt oft wie ein Alpdruck über mich.
Solange wir nur Seide, Tee, Kaffee und Tabak über die Grenze geschoben haben, war es mir leichter. Sie haben mir mit dem Heroin und Morphium eine schwere Last aufgebürdet.“
„Hihi – schwere Last?“ Blust meckert in sich hinein. „Dabei sind diese Rauschgifte federleicht! Wir brauchen nicht mehr mit einigen Dutzend Trägern zu arbeiten, sondern mit zwei oder drei zuverlässigen Leuten. Glauben Sie mir das, Chef: Früher oder später wäre man doch darauf gekommen, dass Sie hinter diesen Geschichten stecken. Viele Mitwisser sind der Tod jedes guten Geschäftes. Jetzt genügen einige wenige Leute, und wir werden reich dabei.“
„Wir? Was meinen Sie damit?“
Androt starrt den kleinen Buchhalter aus misstrauischen Augen verwundert an.
„Ich meine, dass man sieh mit seinem Chef eins fühlen soll“, erwidert Blust mit undurchdringlichem Gesicht. „Und dass Sie mich ja anständig beteiligen werden. Oder nicht?“
Androt zündet sich eine Zigarre an. „Damit ich es nicht vergesse, mein Lieber: Sie haben mir einen falschen Rat gegeben. Diesen Nagiller hätten wir nicht feuern dürfen.“
„Tut er Ihnen leid, der Taugenichts?“ Blust schüttelt den Kopf. „Der Nagiller weiß sehr gut, dass er das Maul halten muss. Ein Wort gegen uns, und er fliegt in den Kasten. Wer hat denn auf die Grenzer geschossen? Der Nagiller oder Sie, Chef? Na also! Ich habe es Ihnen gleich gesagt, der Nagiller muss weg! In dem Korbik haben wir einen tüchtigen Mann, der hier jeden Steig und jeden Felsen kennt und den wir ganz in der Hand haben.“
„Der Korbik hat doch den Jäger Stoffel ermordet“, wirft Androt ein. „Nachgerade wird mir vor unseren eigenen Leuten übel!“
„Die Juristen sagen Totschlag.“ Blust zuckt mit den schmalen, etwas schiefen Schultern. „Außerdem haben Sie dem Korbik die Stellung eines künftigen Schleusenwärters versprochen. Wenn wir nur lauter so gute Leute hätten wie den Korbik. Sie haben viele Fehler gemacht, Chef.“
„Zum Beispiel?“
„Mit der Dina Falk. Die Entlassung war ein Unsinn!“
Androt hört das höhnisch meckernde Lachen, das aus dem Munde des Buchhalters kommt. „Soll ich mir vielleicht den Kopf einschlagen lassen?“
Androt hebt den Briefbeschwerer vom Schreibtisch und hält ihn Blust vor die Nase. „Sehen Sie die abgeschlagene Ecke? Der Stein ist aus Marmor, mein Lieber! Und mein Kopf nicht!“
„Nein, den Kopf einschlagen brauchen Sie sich nicht lassen. Das Kontor ist aber auch kein geeigneter Ort für mehr oder weniger zärtliche Küsse!“
Blust erkennt jetzt, dass in dieser Sache nicht gut Kirschen essen ist und weicht einige Schritte zurück. Ein leichter Schauer geht durch seinen mageren Körper, wie er Androt in voller Wut mit dem Stein in der Hand vor sich stehen sieht.
„Ich wollte doch nur sagen, dass Sie die Falk nicht entlassen durften, Chef! Wäre sie hiergeblieben im Werk, so hätten wir sie dauernd unter Kontrolle. So streicht sie im Wald herum und sammelt Kräuter. Wer weiß, ob dies nicht ein Vorwand ist? Die Falk ist oft mit dem Trenkwalder beisammen. Vielleicht spioniert der Bürgermeister uns mit ihrer Hilfe aus? Der Korbik hat die Falk in der Nähe des Höhleneingangs gesehen!“
„Über der Malosa-Schlucht?“, fragt Androt, nachdenklich geworden. Er legt den Briefbeschwerer auf den Tisch.
„Ganz richtig. Das kann natürlich Zufall sein. Haben Sie jemals gehört, Chef, dass es dort in der Nähe Heilkräuter gibt? Sie hätten den Geliebten der Falk nicht in die Falle locken dürfen. Diesen Walch. Diese Dina Falk haben Sie sich zum Feind gemacht. Dina und ihren Anhang.“
„Der Walch ist doch erledigt!“, begehrt Androt auf. „Schwätzen Sie keinen Unsinn!“
„Es kommt nur darauf an, wer sein Nachfolger ist“, entgegnet Blust in aller Ruhe. „Ich für meine Person möchte das gerne wissen, Seitdem ich beobachtet habe, dass diese Falk zwischen dem Beobachter auf der Trafon-Station und dem Bürgermeister schwankt …“
„Was reden Sie da für einen Unsinn?“ Androt packt den Buchhalter an beiden Schultern und schüttelt ihn zornbebend hin und her. Seine Stirne ist flammend rot.
„Fangen Sie schon wieder an?“, keucht Blust. „Ich bin doch nicht die schöne Dina!“
„Ist das wahr?“, fragt Androt, ohne Blust loszulassen. „Was Sie vorhin sagten? Woher wissen Sie das?“
Blust sucht vergebens seinen Arm aus der Faust zu befreien, die ihn fest umspannt. „Man hat eben seine Leute, Chef. Jeder lässt sich nicht den Kopf von schönen Augen verwirren.“
„Wer ist es also?“, schreit Androt, ohne auf den Spott zu achten. „Welcher von beiden?“
Blust stößt wieder sein hässliches Meckern aus. „Wer von den beiden die schöne Dina erobern wird, kann ich noch nicht sagen. Gut Ding will Weile haben. Ich für meine Person meine …“
Androt sieht den Buchhalter fragend an. „Was meinen Sie? Reden Sie doch!“
„Dass sich der dritte freut, wenn zwei sich streiten. Und dass es noch andere Methoden gibt, um ein schönes Mädchen einzufangen als Kraft und Schönheit oder der Besitz einer Spinnerei! Man muss nur jene Leute in seine Hand bekommen, die das Mädchen liebt, he? Ist es nicht so, Chef? Es gibt da eine Menge interessanter Dinge in der Gegend. Und es gibt Meteorologen, die unseren angeschossenen Schmugglern auffallend gut die Kugeln aus dem Fleisch ziehen.“
Androt versteht nicht, worauf Blust hinauswill. Aber er fühlt den triumphierenden Klang in der Stimme des mageren Zwerges. Er schiebt ihn jetzt mit einer heftigen Bewegung von sich.
„Sie dreifacher Narr, Sie“, spottet Androt, „wollen Sie vielleicht selbst Dina mit solchen Erpressungen gewinnen? Dann achten Sie nur darauf, dass Sie nicht einmal abends unversehens in den neuen Werkskanal stürzen!“ Androt bricht in ein befreiendes Gelächter aus, in das Blust notgedrungen einstimmt.
„Es bleibt also dabei“, sagt Androt und nimmt seinen Hut vom Haken. „In den nächsten zwei Nächten wird die Ware in die Malosa-Höhle gebracht, und beim ersten Hochwetter geht es dann über die Grenze. Nur drei Mann, unsere besten Leute!“
Als Androt schon in der Tür steht, wendet er sich wieder um.
„Noch etwas, Blust. Der Korbik soll die Falk überwachen, ob es wahr ist, was Sie gesagt haben. Jetzt erst recht, wo Sie meinen, dass sie es mit dem Beobachter hält und ihn besucht. Die Trafon-Station liegt ja nicht weit von der Höhle. Kaum eine halbe Stunde! Deshalb treiben Sie sich wohl dort oben herum. Sie wissen doch, Liebe macht blind.“
„Jawohl“, erwidert Blust mit ernstem Gesicht. Genau so ist es, Chef. Liebe macht blind.“