Читать книгу Liebe in der Hochtal-Heimat: 7 Bergromane - Cedric Balmore - Страница 24
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ОглавлениеVeit sitzt neben Gertrud auf der schmalen Holzbank vor dem Forsthaus. Er wollte dienstlich mit dem Förster sprechen, hat aber diesen daheim nicht angetroffen. Nun wartet Veit, und er wartet nicht ungern. Kann er doch einmal sein Herz ausschütten mit all seinen Sorgen.
„Ist es wahr“, fragt er Gertrud unvermittelt, „dass dein Vater es nie erlauben wird, dass du einen Bauer heiratest?“
„Was für eine Frage.“ Gertrud lächelt traurig. „Willst du mich vielleicht mit einem deiner Freunde verkuppeln? Aber wahr ist es. Der Vater sähe es nicht gerne.“
„Und du?“
„Warum sollte ich auf einen Beruf sehen?“, fragt Gertrud und wird rot. „Einen guten Mann wünsche ich mir einmal. So einen wie du bist. Womit er sich sein Brot verdient, sollte einem wohl gleich sein!“
„Und warum ist dein Vater gegen uns Bauern?“
„Ich weiß es selbst nicht.“ Gertrud streicht sich das braune Haar aus der Stirne. „Der Vater ist eben in der Stadt geboren. Und so seltsam es bei einem Förster aussieht, dem der Wald und die Berge die Heimat sind: Er sehnt sich zurück in die Stadt. Dort will er seinen Lebensabend verbringen, wenn er in Pension gehen wird.“
Veit denkt eine Weile nach. „Würdest du dich in der Stadt nicht wie in einem Gefängnis fühlen, Gertrud? Ich denke, du wirst nie eine Stadthörige werden!“
„Du hast recht, Veit.“ Gertrud sieht ihn fast zärtlich an. „Ich liebe die sonnigen Wiesen mit den bunten Blumen, den grünen Wald und den weiten Blick! Ich glaube, ich könnte gar nicht in der Stadt leben, inmitten dieser grauen Häusermassen! Ich muss dir dafür danken. Ich wäre glücklich, wenn ich hier in diesen Bergen auf eigener Erde säen und ernten könnte. Aber ich bin arm, Veit. Arm wie eine Kirchenmaus.“
Veit sieht, wie in ihren Augen Tränen glänzen.
Eine Qual ist in seinem Innern. Veit hätte jetzt am liebsten Gertrud in seine Arme geschlossen und ihre guten, warmen Augen geküsst. Gleichzeitig aber schiebt ihm das Bild Dinas vor. Er kann sich davon nicht befreien und möchte es um alles in der Welt. Er will, er muss Dina wiedersehen – er kann sich nicht losreißen von diesem Begehren. Dinas schlanke, biegsame Gestalt steht vor seinen Augen, er hört ihre warme Stimme.
„Du denkst an andere Dinge, wenn ich dir etwas erzähle“, sagt Gertrud traurig. „Ich fühle es. Du hast Sorgen, Veit. Willst du sie mir nicht anvertrauen?“
„Ich weiß selbst nicht, was es ist“, erwiderte er bekümmert. „Androt hat Dina entlassen. Nun sammelt sie Heilpflanzen. Ich selbst habe ihr dazu geraten. Er ist kein großer Verdienst, aber immer besser als gar nichts!“
„Und das bekümmert dich so?“
„Nicht direkt.“ Veit blickt zu Boden. „Ich habe Angst um Dina. Sie muss in den Wald, sie muss auf die hohen Grashänge … wie leicht kann ihr etwas zustoßen!“
Gertrud fühlte in ihrem Herzen warmes Mitleid mit Dina. „Ich will es den Jägern sagen, und dem Nagiller. Sie sollen auf Dina achthaben.“
„Nagiller?“, fragt Veit verwundert.
„Er arbeitet jetzt bei uns als Holzknecht. Vater hat ihn aufgenommen. Nagillers Eltern besaßen früher einen Berghof, einen der höchsten, kleinsten.“
„Das weiß ich ja.“ Veit nickt. „Sie haben abgewirtschaftet.“
„Mein Vater hat immer ein Interesse für solche Menschen. Man muss ihnen unter die Arme greifen, sagt er, wenn sie den Übergang vom Bauerntum zu einem wirklichen Beruf bewältigen sollen! Er ist unverbesserlich, der liebe Vater! Er will den Nagiller später auf die Forstschule schicken. Du kannst dir denken, dass der Nagiller jetzt für uns durchs Feuer geht.“
Veit denkt nach. „Was du da vom Nagiller sagst, ist nicht schlecht. Und von den Jägern. Wir müssen alle auf Dina achtgeben. Niemand könnte das besser als die Leute deines Vaters.“
Gertrud spricht nichts weiter, und je länger das Schweigen dauert, desto verwirrter wird Veit. Bis er aufspringt. „Ich muss jetzt gehen, Gertrud. Ich kann nicht auf deinen Vater warten.“
Auch Gertrud ist aufgestanden.
„Du musst wirklich auf Dina achtgeben“, sagt nun auch sie. Fest presst sich Hand in Hand. Welch ein froher Mensch Gertrud ist, denkt Veit. Und wie blühend sie aussieht! Gleich darauf steht ihm wieder die Sorge um Dina auf der Stirne.
„Ist der Nagiller aber auch zuverlässig?“, fragt er und gibt Gertruds Hand frei. „Früher war er bei Androt im Dienst. Jetzt dient er hier. Solche entwurzelte Menschen haben keine Heimat mehr. Sie halten zu dem, der ihnen größere Versprechungen macht!“
„Nein, Veit. Er hat etwas in seinen Augen, das mich ihm vertrauen lässt. Und er hasst Androt.“
Genau wie Dina, denkt Veit.
„Hass ist nichts Gutes“, sagt er laut. „Hass bringt stets Unglück. Über den, der gehasst wird und über den, der hasst.“