Читать книгу Liebe in der Hochtal-Heimat: 7 Bergromane - Cedric Balmore - Страница 35
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ОглавлениеVeit liegt in dem kleinen, sauberen Fremdenzimmer des Forsthauses, in das man ihn gebracht hatte. Gertrud, die neben ihm gewacht hat, richtet seine Decke.
Veits Augen sind halb geöffnet. „Gertrud, es ist so schön, dass du bei mir bist!“ Voll Freude sagt er es.
„Hast du starke Schmerzen?“
„Gar keine mehr. War der Arzt aus Korins hier?“
„Ja, du hast geschlafen. Er sagte, es sei gar nichts mehr für ihn zu tun übrig geblieben. Er wollte durchaus wissen, wer dir das Gefäß vernäht hat. Ich sagte natürlich nichts, und er ging kopfschüttelnd weg.“
„Gertrud, wir wollen ihn nie verraten. Nie!“
In Gertruds Augen stehen Tränen. „Peer ist selbst nach Korins gegangen, sich stellen! Es ist nichts mehr zu ändern!“
Veits Augen weiten sich plötzlich. „Peer ist ein Narr!“
„Vielleicht hat er es tun müssen, deinetwegen“, sagt Gertrud nachdenklich.
„Ich trage keine Schuld!“ Veit schließt die Augen, als ob er krampfhaft nachdenken würde. Dann richtet er sich auf und blickt Gertrud forschend an. „Was sagt dein Vater dazu? Dass ich hier in das Forsthaus gebracht wurde?“
„Das ist doch selbstverständlich, Veit. Der Weg bis nach Korins war zu weit!“ Gertrud streicht leise über seine blonden Haare. Bei dieser Liebkosung bekommt Veit die Gewissheit, wie es um ihn steht. Er fasst mit der Linken ihre Hand.
„Gertrud, ich möchte hier bleiben, bis ich gesund bin.“
Ihr verlangender, sehnender Mund kommt ihm entgegen, ganz nahe. Aber Gertruds Hände richten nur etwas an dem Kissen. „Und dann?“
„Ja dann! Ich will es dir sagen. Aber es muss ein Geheimnis bleiben.“
„Ist es so schlimm, dieses Geheimnis?“
„Nicht schlimm, aber mich quält es. Weil ich es noch allein tragen muss.“
„Du kannst es mir ruhig sagen, Veit!“ Gertrud blickt ihn ängstlich an. Ihr Herz klopft zum Zerspringen. Sie hat Furcht vor dem, was jetzt kommen muss. Treibt es Veit immer noch zu Dina?
„Gertrud, ich glaube an dich! Nur an dir hänge ich mit meinem Herzen, mit meinem ganzen Leben. Das andere, das Vergangene, war wie eine Krankheit. Du musst den Glauben an mich wiederfinden. Sei wieder meine Freundin, der ich alle meine Sorgen anvertrauen kann. Und wenn du das Geheimnis wissen willst: Du musst meine Frau werden. Willst du immer bei mir bleiben?“
„Ja, Veit. Ich will es.“
„Soll ich es deinem Vater sagen?“
„Nein, Veit. Noch nicht. Ich bin mit deinem Geheimnis so froh, so glücklich. Und ich fürchte mich vor meinem Vater.“
Ihre Augen verraten ihm alles: Freude, Sehnsucht und innige Liebe. Vorsichtig neigt sich Gertrud über Veit, damit sie nicht an seinem verbundenen Arm streift und küsst ihn auf die Stirn und die Lippen. Ebenso vorsichtig richtet sie sich wieder auf.
„.Gertrud – ich muss es aber deinem Vater sagen! Er besucht mich hier, spricht über Wald und Feld und die Jagd. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen. Es quält mich.“
„Er wird dich kränken“, wehrt sie ab. „Du kennst seine eigenartigen Ansichten.“
Veit lächelt froh vor sich hin. „Gertrud, ich weiß, was ich jetzt tun werde. Ich will den Spieß umkehren. Ich werde deinem Vater sagen, dass ich dich lieb habe, aber leider als Grund und Hofbesitzer keine Försterstochter heiraten kann.“
Gertrud lächelt vor sich hin. Sie träumt vom Glück und verwirft doch wieder den Gedanken. Sie ist ein Spielball ihrer Angst und doch seligen Erwartungen.
„Hast du wirklich den Mut?“, fragt sie erschauernd.
„Und was für einen!“ Veit lacht siegesgewiss vor sich hin.
Bis Gertrud ihm den Mund mit einem Kuss verschließt.
„Ich muss in den Ziegenstall“, sagt sie lachend. „Das ist mein Hof!“
Veit hat bald Gelegenheit, seinen Mut auszuprobieren. Der Förster kommt und besucht ihn am Krankenbett.
„Na also, mein Lieber! Ausgeschlafen? Sie sind wohl etwas unsanft mit ihnen umgegangen, meine Holzknechte? Die Tragbahre ist kein Federbett. Hat Gertrud ordentlich für Sie gesorgt?“
„Natürlich, Vater!“, sagt diese und läuft aus dem Zimmer. Was jetzt kommt, kann sie nicht anhören.
„Freilich tat sie das, Herr Windbichler! Gertrud ist das beste Mädel weit und breit. Schön, klug, fleißig. Leider, leider.“
„Was heißt leider?“ Der Förster blickt erstaunt auf den vor ihm Liegenden.
Veit richtet sich etwas auf. „Sehen Sie, Herr Förster. Sie kennen doch meine Wirtschaft, meine Wiesen und Felder, den Waldanteil? Mein Vater ist früh gestorben. Ich habe bis jetzt nicht geheiratet, weil ich nicht die Richtige gefunden habe. Und jetzt, wo ich sie gefunden hätte, muss es ausgerechnet eine Försterstochter sein!“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Dass ich nur eine gestandene Bauerntochter heiraten kann!“
Der Förster bekommt einen roten Kopf. „Zum Teufel, mein lieber Trenkwalder! Wo haben Sie denn Ihren Hochmut her? Ich bin auch ein Bauer. Ich säe und ernte auch. Baue ich nicht den Wald auf, den eine Generation nach uns ernten wird? Ist es nicht gleich, wo einer seine Pflicht tut? Ob auf eigenem Grund und Boden oder auf staatlichem Forst?“
„Ja, ja, das mag alles schön und gut sein“, widerspricht Veit und gibt seinem Gesicht einen kummervollen Ausdruck. „Aber ein Bauer sind Sie eben doch nicht. Ihre Uniform ist ja ein Jagdgewand!“
Der Förster möchte am liebsten auffahren. Da überkommt ihn das Bewusstsein, dass er einen Verletzten vor sich hat.
„Das ist alles Unsinn, was Sie da reden, Trenkwalder. Meine Uniform beweist nur, dass wir Förster dem Staate dienen. Dass wir eben in unserer Arbeit mehr sind als bloße Feldbauern. Wem gehört denn der Forst, he?“
„Dem Staat“, erwidert Veit und bemüht sich, ernst zu bleiben.
„Und was ist denn der Staat? Doch die Gesamtheit der Staatsbürger. So pflanze ich eben den Wald für euch alle. Für das Volk! Und ich sorge dafür, dass ich den Wald genauso schön und kraftvoll meinem Nachfolger abgebe wie euresgleichen die Wiesen und Felder und möglichst viele Kühe dem Sohn.“
„Das ist nicht dasselbe“, widerspricht Veit hartnäckig. „Ich kann eben keine Försterstochter heiraten. Was sie gesagt haben, stimmt nicht ganz. Meine Bauernschaft geht gar nicht nach Größe und nach Anzahl des Viehs. Sie geht nach Verbindung von Hofnamen und Erde! So habe ich sie von meinem Vater übernommen, und der hat auch eine Bauerntochter geheiratet. Ich kann es nicht anders tun. Der Acker ist die Hauptsache, ist Leben!“
„Sie können sagen, was Sie wollen“, brummt der Förster. „Das ist nur falscher Bauernstolz. Mein Wald ist doch ein Acker. Wald ist genauso ein Leben wie das Kornfeld, ein Leben, das nicht unterbrochen werden darf. Ich kenne die Lebensgesetze des Waldes, und ich hege ihn, wie auch die Tiere des Waldes! Dazu bin ich da. Nur wirtschaften wir Waldbauern nicht für den einzelnen. Ohne uns Waldbauern könnt ihr Feldbauern gar nicht leben, nicht ohne Holz. Wir hegen den Jungbaum, und wenn ein alter Baum fällt, muss schon sein Nachfolger da stehen! Und außerdem müssen wir den Wald vor euch Bauern schützen! Vor denen, die das Holz herausschlagen wollen aus Eigennutz. Darum müsst ihr Bauern zu uns kommen und fragen, was wir euch freigeben. Ist es so?“
„Das mag alles stimmen.“ Veit bleibt starrsinnig. „Deswegen kann ich doch keine Försterstochter heiraten.“
„Und ich gebe meine Tochter nur einem Jäger“, trumpft der Förster auf.
„Das bin ich allerdings auch. Das wäre kein Hindernis.“
„Wie das?“
„Ich habe bei meinem Besitz auch ein Stück Wald, Herr Förster. Für dieses Stück Wald stelle ich einen Jäger an.“
„Unsinn, für das kleine Stück? Wer soll denn das hegen?“
„Ich habe mich selbst angestellt, Herr Förster! Und eine Jägeruniform lasse ich mir daher auch machen. Fast so wie Ihre. Wollen Sie mir jetzt Gertrud geben?“
Der Förster springt auf. Dann schlägt er mit der Hand vor die Stirne. „Oh, du vermaledeiter Spitzbub, du! Wolltest mich in meiner eigenen Schlinge fangen?“
„Geben Sie mir Gertrud oder nicht?“, seufzt Veit, ermattet vom vielen Reden. „Die Waldbauerntochter dem Feldbauern?“
„In Sankt Hubertus Namen, ja. Damit ihr mir eine Ruhe gebt“, sagt der Förster jetzt lachend. Er hat es nicht gemerkt, dass Gertrud in der Tür steht. Nun fällt sie dem Vater um den Hals. Und gleich darauf Veit.
„Und jetzt mach, dass du an die Arbeit kommst“, weist sie der Förster zurecht. „Sonst küsst du ihn noch zu rasch gesund. Er soll nur eine Zeitlang hier schmoren, damit er sich nicht auch noch zum Oberförster macht vor lauter Hochmut. Über seine achtzig Bäume!“
„Freilich“, lacht Veit. „Und zur Hochzeit, Schwiegervater, ziehe ich mir schon die neue Uniform mit dem goldenen Eichenlaub an.“