Читать книгу Liebe in der Hochtal-Heimat: 7 Bergromane - Cedric Balmore - Страница 21
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ОглавлениеDas Wetter ist umgeschlagen, Sturm und Regen fahren durch das Hochtal von Korins. Der Regen klopft auf die niedrigen, mit Steinen beschwerten Schindeldächer. Veit muss trotz des Regenwetters den Acker umpflügen. Mit den beiden Kälbern führt er den Pflug mal hinüber, einmal herüber. Er sieht jetzt Dina auf sich zukommen. Sie trägt einen großen Regenschirm in der Hand und stapft durch die nasse Wiese zum Acker.
„Heute nicht im Werk?“, ruft ihr Veit verwundert zu.
„Kann ich mit dir sprechen?“, ruft sie zurück. Er versteht sie nur schlecht, der Wind peitscht ihm den Regen von vorne ins Gesicht.
„Hilf mir ausspannen“, erwidert er, als er endlich verstanden hat.
Zusammen treiben sie die beiden starken Kälber zurück in den Stall. Dann führt Veit Dina ins Haus.
„Warte auf mich“, sagt er vor der Tür. „Ich muss erst meine Stiefel ausziehen. Der halbe Acker klebt daran.“
Endlich sitzt er ihr gegenüber in der Stube. „Ich komme zu dir als dem Gemeindevorsteher“, bekennt Dina. „Hast du eine Arbeit für mich? Androt hat mich entlassen.“
„Entlassen? Weshalb?“
„Weil ich die Bauern beim Abwiegen der Schafwolle betrogen habe.“
„Blödsinn“, schimpft Veit. „Erzähle mir, was wirklich war!“
„Es ist schon so. Das hat Androt als Vorwand genommen. Dass ich das Gewicht der Wolle auf seinen Befehl falsch eintragen musste, sagt er freilich nicht.“
„Und was ist der wahre Grund?“
„Ich habe ihm einen Briefbeschwerer an den Kopf geworfen, wie er mich gepackt und abgeschmatzt hat mit seinen widerlichen Lippen.“
„Und was wird nun sein?“ Veit schüttelt bekümmert den Kopf.
„Das weiß ich nicht. Nicht einmal, was morgen geschieht. Androt kann mich ja anzeigen. Ich habe ihn sicher verletzt. Ich hoffe nur, dass er es nicht tun wird. Aus Angst.“
„Weißt du etwas von ihm?“, fährt Veit erregt auf.
Dina neigt den Kopf gegen den Tisch. „Ich weiß nichts. Wenn ich etwas wüsste, hätte er mich nicht entlassen. Hingegen weiß Androt von m i r etwas.“
Veit spürt, wie seine Schläfen pochen unter dem Druck der blutgefüllten Adern.
„Das mit Walch? Weiß er das?“
Dina senkt den Kopf.
„Walch war also wirklich bei dir in der Nacht?“
„Du fragst das so sonderbar?“, gibt Dina zurück. „Nun gut, er war bei mir. Ich konnte doch einen Verletzten nicht fortschicken. Ich mache mir genug Vorwürfe, dass ich ihn bei Morgengrauen gehen ließ. Er blutete nicht mehr und fühlte sich wieder besser.“
„Wer ihn angeschossen hatte, sagte er dir nicht?“
„Nein, ein Grenzer wohl.“
„Und für wen er geschmuggelt hatte?“
„Walch hat überhaupt nicht geschmuggelt“, fährt Dina auf.
„Du brauchst ja kein Vertrauen zu mir zu haben“, entgegnet Veit verärgert.
„Wenn ich dich aber bitte, mir zu glauben! Walch hat mir selbst die Schachtel gegeben, die er über die Grenze bringen sollte. Es war Mehl darinnen, gewöhnliches, altes Mehl.“
„Das soll ich dir wohl glauben?“
„Du musst es nicht glauben. Aber es ist doch so.“
„Und wer hat ihm die Schachtel gegeben?“
„Das hat er mir nicht gesagt. Ich hatte anderes zu tun, als ihn auszufragen. Ich verband seine Wunde und machte ihm Umschläge. Er hatte etwas Fieber und Kopfweh.“
„Natürlich“, sagt Veit nicht ohne Schärfe. „Schmuggler und ihre Komplicen verraten nie den Auftraggeber. Lassen wir das also. Dass über das Larennjoch Rauschgift geschmuggelt wird, wissen die Grenzer alle. Von was willst du leben? Die Auracherin hat zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig.“
„Deshalb bin ich zu dir gekommen.“ Dinas Augen blicken flehend auf Veit. „Jetzt ist es soweit, Veit, jetzt kannst du dein Versprechen halten und mir beistehen.“
Veits Züge erhellen sich. Er springt auf und sucht auf dem wackeligen Schreibtisch, den er vom früheren Bürgermeister übernommen hat, nach einer Drucksache.
„Hier, eine Heilmittelfirma schreibt an alle Gebirgsgemeinden. Man möge bestimmte Heilpflanzen sammeln, die Ware wird kiloweise bezahlt. Nicht gerade gut, aber auch nicht zu schlecht.“
„Ich verstehe nicht viel von Heilpflanzen“, meint Dina nachdenklich. „Ich kenne wohl Schafgarben und Fingerhut, höchstens noch Wermut und Zinnkraut. Ich denke, unsere Ziegen kennen mehr.“
„Sie sind auch liebe, gescheite Tiere“, spottet Veit.
„Sicherlich, besonders die Hörner habe ich gern“, erwidert Dina.
Veit lächelt nicht. Er blickt Dina nur traurig an. „Ich war neulich bei Hannes. Wir haben über dich gesprochen. Viel … Ich denke, wir werden dir schon helfen. Nimm dich aber vor Androt in Acht. Ich halte ihn für rachsüchtig. Ich würde ihm an deiner Stelle nicht über den Weg trauen. Ich hoffe aber, Hannes und ich werden dich schon vor ihm schützen!“
„Veit, ich muss dir etwas gestehen. Ich bin es dir schuldig“, flüstert Dina.
„Was gestehen?“, fragt Veit heiser.
„Ich habe Hannes lieb – sehr lieb.“
Veit blickt sie mit unfassbarem Erstaunen an.
„Dass du mir das sagst? Gerade jetzt, Dina? Was soll ich da tun?“
„Nichts kannst du tun, Veit, nur mir helfen, dass ich in Korins bleiben kann, wenn mich die Bauern eine Betrügerin heißen werden. Nur sagen darfst du es ihnen nicht – dass ich auf Befehl des Androt betrügen musste. Ich habe mich genug gewehrt.“
Die ruhige, besonnene Art, in der Dina redet, macht Veit wieder nüchterner.
„Freilich, Dina. Das werden wir schon alles richten. Sei unbesorgt.“